Das Buch der Wandlungen

I GING
Das Buch der Wandlungen

I Ging | Hexagram 1 1 I Ging | Hexagram 43 43 I Ging | Hexagram 14 14 I Ging | Hexagram 34 34 I Ging | Hexagram 9 9 I Ging | Hexagram 5 5 I Ging | Hexagram 26 26 I Ging | Hexagram 11 11
I Ging | Hexagram 10 10 I Ging | Hexagram 58 58 I Ging | Hexagram 38 38 I Ging | Hexagram 54 54 I Ging | Hexagram 61 61 I Ging | Hexagram 60 60 I Ging | Hexagram 41 41 I Ging | Hexagram 15 15
I Ging | Hexagram 13 13 I Ging | Hexagram 49 49 I Ging | Hexagram 30 30 I Ging | Hexagram 55 55 I Ging | Hexagram 37 37 I Ging | Hexagram 63 63 I Ging | Hexagram 22 22 I Ging | Hexagram 36 36
I Ging | Hexagram 25 25 I Ging | Hexagram 17 17 I Ging | Hexagram 21 21 I Ging | Hexagram 51 51 I Ging | Hexagram 42 42 I Ging | Hexagram 3 3 I Ging | Hexagram 27 27 I Ging | Hexagram 24 24
I Ging | Hexagram 44 44 I Ging | Hexagram 28 28 I Ging | Hexagram 50 50 I Ging | Hexagram 32 32 I Ging | Hexagram 59 59 I Ging | Hexagram 48 48 I Ging | Hexagram 18 18 I Ging | Hexagram 46 46
I Ging | Hexagram 6 6 I Ging | Hexagram 47 47 I Ging | Hexagram 64 64 I Ging | Hexagram 40 40 I Ging | Hexagram 57 57 I Ging | Hexagram 29 29 I Ging | Hexagram 4 4 I Ging | Hexagram 7 7
I Ging | Hexagram 33 33 I Ging | Hexagram 31 31 I Ging | Hexagram 56 56 I Ging | Hexagram 62 62 I Ging | Hexagram 53 53 I Ging | Hexagram 39 39 I Ging | Hexagram 52 52 I Ging | Hexagram 19 19
I Ging | Hexagram 12 12 I Ging | Hexagram 45 45 I Ging | Hexagram 35 35 I Ging | Hexagram 16 16 I Ging | Hexagram 20 20 I Ging | Hexagram 8 8 I Ging | Hexagram 23 23 I Ging | Hexagram 2 2

I Ging | Hexagram 1

1. Kiën
Das Schöpferische

oben Kiën, das Schöpferische, der Himmel
unten Kiën, das Schöpferische, der Himmel

Das Zeichen besteht aus sechs ungeteilten Strichen. Die ungeteilten Striche entsprechen der lichten, starken, geistigen, tätigen Urkraft. Das Zeichen ist ganz einheitlich stark in seiner Natur. Da ihm keinerlei Schwäche anhaftet, ist es seiner Eigenschaft nach die Kraft.

Sein Bild ist der Himmel. Die Kraft wird dargestellt als nicht gebunden an bestimmte räumliche Verhältnisse. Darum wird sie aufgefaßt als Bewegung. Als Grundlage dieser Bewegung kommt die Zeit in Betracht. So ist denn auch die Macht der Zeit und die Macht des Beharrens in der Zeit, die Dauer, in dem Zeichen begriffen.

Bei der Erklärung des Zeichens ist durchgehend eine doppelte Deutung zu berücksichtigen: die makrokosmische und die Wirkung in der Menschenwelt. Auf das Weltgeschehen angewandt ist in dem Zeichen das starke schöpferische Wirken der Gottheit ausgedrückt.

Auf die Menschenwelt angewandt bezeichnet es das schöpferische Wirken des Heiligen und Weisen, des Herrschers und Führers der Menschen, der ihr höheres Wesen durch seine Kraft weckt und entwickelt.

DAS URTEIL

Das Schöpferische wirkt
erhabenes Gelingen,
fördernd durch Beharrlichkeit.

Dem ursprünglichen Sinne nach gehören die Eigenschaften paarweise zusammen. Für den, der dies Orakel gewinnt, bedeutet das, daß ihm Gelingen aus den Urtiefen des Weltgeschehens zuteil werden wird und daß alles darauf ankommt, daß er allein durch Beharrlichkeit im Rechten sein und anderer Glück sucht.

Sehr früh hat sich das Nachdenken den vier Eigenschaften in ihrer Sonderbedeutung zugewandt. Das chinesische Wort, das mit erhaben wiedergegeben ist bedeutet Haupt, Ursprung, groß.

Darum heißt es in der Erklärung des Kungtse: Groß wahrlich ist die Ursprungskraft des Schöpferischen, alle Wesen verdanken ihm ihren Anfang. Und diese Kraft durchdringt den ganzen Himmel. Denn diese erste Eigenschaft geht auch durch die drei andern hindurch.

Der Anfang aller Dinge liegt sozusagen noch im Jenseitigen in der Form von Ideen, die erst zur Verwirklichung kommen müssen. Aber im Schöpferischen liegt auch die Kraft, diesen Urbildern der Ideen Gestalt zu verleihen. Das wird in dem Wort Gelingen bezeichnet. Dieser Vorgang wird dargestellt unter einem Bild der Natur.

Die Wolken gehen, und der Regen wirkt, und alle einzelnen Wesen strömen in ihre Gestalt ein. Auf das menschliche Gebiet übertragen zeigen diese Eigenschaften dem großen Mann den Weg zu großem Erfolg: Indem er in großer Klarheit die Ursachen und Wirkungen schaut, vollendet er zur rechten Zeit die sechs Stufen und steigt zur rechten Zeit auf ihnen wie auf sechs Drachen empor zum Himmel.

Die sechs Stufen sind die sechs Einzelpositionen des Zeichens, die weiter unten unter dem Bild von Drachen dargestellt werden. Als Weg zum Erfolg ist hier das Erkennen und Verwirklichen des Weltsinnes bezeichnet, der als durchlaufendes Gesetz durch Ende und Anfang alle zeitlich bedingten Erscheinungen bewirkt.

So wird jede erreichte Stufe zugleich die Vorbereitung für die nächste, und die Zeit ist dann kein Hemmnis mehr, sondern das Mittel der Verwirklichung des Möglichen.

Nachdem durch die beiden Eigenschaften erhaben und Gelingen der Schöpfungsakt zum Ausdruck kam, wird im Anschluß an die beiden Ausdrücke fördernd, d. h. wörtlich schaffend, was das dem Wesen Entsprechende ist, und beharrlich, d. h. wörtlich recht und fest, das Werk der Erhaltung als fortlaufend sich verwirklichende Ausgestaltung aufgezeigt.

Der Lauf des Schöpferischen verändert und gestaltet die Wesen, bis jedes seine rechte, ihm bestimmte Natur erlangt, dann bewahrt er sie in Übereinstimmung mit dem großen Gleichmaß. So zeigt er sich fördernd durch Beharrlichkeit.

Auf das menschliche Gebiet übertragen ergibt sich hieraus, wie der große Mann durch seine ordnende Tätigkeit der Welt Frieden und Sicherheit bringt: Indem er sich mit seinem Haupt erhebt über die Menge der Wesen, kommen alle Lande zusammen in Ruhe.

Eine andere Spekulation geht mit der Trennung der Worte erhaben, Gelingen, fördernd, beharrlich noch weiter und setzt sie in Parallele mit den vier menschlichen Kardinaltugenden: Der Erhabenheit, die zugleich als Grundprinzip alle andern Eigenschaften einschließt, wird die Liebe zugeordnet.

Der Eigenschaft Gelingen wird die Sitte zugeordnet, die die Äußerungen der Liebe ordnet, organisiert und darum erfolgreich macht.

Der Eigenschaft fördernd wird die Gerechtigkeit zugeordnet, die Zustände schafft, in denen jeder das seinem Wesen Entsprechende, was ihm gebührt und sein Glück ausmacht, erhält. Der Eigenschaft der Beharrlichkeit wird die Weisheit zugeordnet, die die festen Gesetze alles Geschehens erkennt und darum dauernde Zustände zu schaffen vermag.

Diese Spekulationen, die schon in dem Aufsatz Wen Yen im zweiten Teil des Buchs der Wandlungen angeregt sind, haben dann die Brücke gebildet, auf der die Philosophie der fünf Wandlungsstufen (Elemente) die im Buch der Urkunden verankert ist, mit der Philosophie des Buchs der Wandlungen, die rein auf der polaren Zweiheit von positiven und negativen Prinzipien beruht, kombiniert wurde, wodurch dann im Lauf der Zeit einer immer weiter gehenden Zahlensymbolik die Tür geöffnet wurde.

DAS BILD

Des Himmels Bewegung ist kraftvoll.
So macht der Edle sich stark und unermüdlich.

Die Verdoppelung des Zeichens Kiën, dessen Bild der Himmel ist, deutet, da es nur einen Himmel gibt, auf die Bewegung des Himmels. Eine vollendete Kreisbewegung des Himmels ist ein Tag. Die Verdoppelung des Zeichens bedeutet, daß auf jeden Tag ein weiterer folgt.

Das erzeugt die Vorstellung der Zeit und zugleich, da es derselbe Himmel ist, der sich in unermüdlicher Kraft bewegt, der kraftvollen Dauer in und über der Zeit, einer Bewegung, die nie stillsteht oder erlahmt, wie Tag um Tag einander dauernd folgen. Diese Dauer in der Zeit ist das Bild der Kraft, wie sie dem Schöpferischen zu eigen ist.

Der Weise entnimmt daraus das Vorbild dafür, wie er sich zu dauernder Wirkung zu entwickeln vermag. Er muß sich ganz einheitlich stark machen, indem er alles Niederziehende, Gemeine bewußt ausschaltet. So gewinnt er die Unermüdlichkeit, die auf geschlossenen Tätigkeitskreisen beruht.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Verdeckter Drache, handle nicht!

Der Drache hat in China eine ganz andere Bedeutung als in der westlichen Auffassung. Der Drache ist das Symbol der beweglich-elektrischen, starken, anregenden Kraft, die sich im Gewitter zeigt.

Diese Kraft zieht sich im Winter in die Erde zurück, tritt im Frühsommer wieder in Wirkung und erscheint am Himmel als Blitz und Donner. Infolge davon regen sich dann auf der Erde auch die schöpferischen Kräfte wieder.

Hier ist diese schöpferische Kraft noch verdeckt unterhalb der Erde und hat daher noch keine Wirkung. Das bedeutet, auf menschliche Verhältnisse übertragen, daß ein bedeutender Mensch noch unerkannt ist.

Aber er bleibt sich darum dennoch selber treu. Er läßt sich von äußerem Erfolg und Mißerfolg nicht beeinflussen, sondern wartet stark und unbekümmert seine Zeit ab.

So gilt es für den, der diesen Strich zieht, zu warten in ruhig starker Geduld. Die Zeit wird sich schon erfüllen. Man braucht nicht zu fürchten, daß ein starker Wille sich nicht durchsetzt. Doch gilt es, seine Kraft nicht voreilig auszugeben und etwas erzwingen zu wollen, das noch nicht an der Zeit ist.
I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Erscheinender Drache auf dem Feld.
Fördernd ist es, den großen Mann zu sehen.

Hier beginnen die Wirkungen der lichten Kraft sich zu zeigen. Auf menschliche Verhältnisse übertragen bedeutet das, daß der große Mann auf dem Felde seiner Tätigkeit erscheint. Noch hat er keine herrschende Stellung, sondern ist noch unter Seinesgleichen.

Aber was ihn vor andern auszeichnet, ist sein Ernst, seine unbedingte Zuverlässigkeit, der Einfluß, den er ohne bewußte Anstrengung auf seine Umgebung ausübt. Ein solcher Mensch ist dazu bestimmt, großen Einfluß zu bekommen und die Welt in Ordnung zu bringen. Darum ist es fördernd, ihn zu sehen.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Der Edle ist den ganzen Tag schöpferisch tätig.
Des Abends noch ist er voll innerer Sorge.
Gefahr. Kein Makel.

Ein Wirkungskreis eröffnet sich für den bedeutenden Mann. Sein Ruhm beginnt sich auszubreiten. Die Massen fallen ihm zu. Seine innere Kraft ist der gesteigerten äußeren Tätigkeit gewachsen. Es gibt alle Hände voll zu tun, und selbst abends noch, da andere ruhen, drängen sich die Pläne und Sorgen.

Eine Gefahr ist hier vorhanden am Platz des Überganges aus der Niedrigkeit in die Höhe. Schon mancher große Mann ging dadurch zugrunde, daß die Massen ihm zueilen und ihn mitrissen in ihre Bahnen hinein. Ehrgeiz verdarb die innere Reinheit.

Aber wahre Größe wird durch Versuchungen nicht beeinträchtigt. Wenn man in Fühlung bleibt mit den Keimen der neuen Zeit und ihren Forderungen, so besitzt man genügende Vorsicht, sich vor Abwegen zu hüten, und bleibt ohne Makel.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Schwankender Aufschwung über die Tiefe.
Kein Makel.

Hier ist die Stelle des Übergangs erreicht, wo die Freiheit sich betätigen kann. Eine doppelte Möglichkeit liegt vor dem bedeutenden Mann: entweder sich aufzuschwingen und im großen Leben maßgebend zu sein oder sich zurückzuziehen und in der Stille seine Persönlichkeit auszubilden: der Weg des Helden oder des verborgenen Heiligen.

Welches der richtige ist, darüber gibt es kein allgemeines Gesetz. Jeder, der in solcher Lage ist, muß nach den innersten Gesetzen seines Wesens sich frei entscheiden. Wenn er ganz wahr und folgerichtig handelt, so findet er den Weg, der ihm entspricht, und dieser Weg ist für ihn recht und ohne Makel.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Fliegender Drache am Himmel.
Fördernd ist es, den großen Mann zu sehen.

Hier ist der große Mann in der Sphäre der Himmlischen angelangt. Sein Einfluß erstreckt sich weithin sichtbar über die ganze Welt. Jeder, der ihn sieht, kann sich selig preisen. Kungtse sagt darüber: Was im Ton übereinstimmt, schwingt miteinander. Was wahlverwandt ist im innersten Wesen, das sucht einander.

Das Wasser fließt zum Feuchten hin, das Feuer wendet sich dem Trockenen zu. Die Wolken (des Himmels Atem) folgen dem Drachen, der Wind (der Erde Atem) folgt dem Tiger.

So erhebt sich der Weise und alle Wesen blicken nach ihm. Was vom Himmel stammt, fühlt sich verwandt mit dem was droben ist. Was von der Erde stammt, fühlt sich verwandt mit dem, was drunten ist. Jedes folgt seiner Art.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Hochmütiger Drache wird zu bereuen haben.

Wenn man so hoch emporsteigen will, daß man die Fühlung mit den übrigen Menschen verliert, so wird man vereinsamt, und das führt notwendig zu Mißerfolg. Hier liegt eine Warnung gegen ein titanisches Emporstreben, das über die Kraft geht. Ein Sturz zur Tiefe würde die Folge sein.

Wenn lauter Neunen erscheinen, bedeutet das:
Es erscheint eine Schar von Drachen ohne Haupt. Heil!

Wenn alle Linien Neunen sind, so kommt das ganze Zeichen in Bewegung und verwandelt sich in das Zeichen Kun, das Empfangende, dessen Charakter die Hingebung ist.

Die Stärke des Schöpferischen und die Milde des Empfangenden vereinen sich. Das Starke ist angedeutet durch die Schar der Drachen, das Milde durch den Umstand, daß ihre Häupter verborgen sind. Das bedeutet: Milde in der Handlungsweise verbunden mit Stärke des Entschlusses bringt Heil.

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I Ching | Hexagram 22. Kun
Das Empfangende

oben Kun, das Empfangende, die Erde
unten Kun, das Empfangende, die Erde

Das Zeichen besteht aus lauter geteilten Linien. Die geteilte Linie entspricht der schattigen, weichen, rezeptiven Urkraft des Yin. Die Eigenschaft des Zeichens ist die Hingebung, sein Bild ist die Erde. Es ist das vollkommene Gegenstück zu dem Schöpferischen, das Gegenstück, nicht der Gegensatz; eine Ergänzung keine Bekämpfung.

Es ist die Natur gegenüber dem Geist, die Erde gegenüber dem Himmel, das Räumliche gegenüber dem Zeitlichen, das Weiblich-Mütterliche gegenüber dem Männlichen-Väterlichen.

Der Grundsatz dieses Gegenstückes findet sich aber, auf menschliche Verhältnisse übertragen, nicht nur in den Beziehungen zwischen Mann und Weib, sondern auch von Fürst und Minister oder Vater und Sohn; ja selbst in den einzelnen Menschen ist diese Zweiheit in dem Zusammensein von Geistigem und Sinnlichem.

Dennoch kann von einem eigentlichen Dualismus nicht geredet werden denn es besteht zwischen den beiden Zeichen das Verhältnis einer klaren Rangordnung. An sich ist natürlich das Empfangende ebenso wichtig wie das Schöpferische.

Aber dadurch die Eigenschaft der Hingebung ist die Stellung dieser Urkraft dem Schöpferischen gegenüber bezeichnet. Sie muß unter der Leitung und Anregung des Schöpferischen sein, dann wirkt sie heilvoll.

Nur wenn sie aus dieser Stellung heraustritt und dem Schöpferischen ebenbürtig zur Seite treten will, wird sie böse. Daraus ergibt sich dann Gegensatz und Kampf gegen das Schöpferische, der für beide Teile unheilvoll wirkt.

DAS URTEIL

Das Empfangende wirkt erhabenes Gelingen,
fördernd durch die Beharrlichkeit einer Stute.
Hat der Edle etwas zu unternehmen
und will voraus, so geht er irre;
doch folgt er nach, so findet er Leitung.
Fördernd ist es, im Westen und Süden
Freunde zu finden,
im Osten und Norden
der Freunde zu entraten.
Ruhige Beharrlichkeit bringt Heil.

Die vier Grundrichtungen des Schöpferischen: erhabenes Gelingen, fördernd durch Beharrlichkeit finden sich auch als Bezeichnung des Empfangenden. Nur ist die Beharrlichkeit näher definiert als die Beharrlichkeit einer Stute.

Das Empfangende bezeichnet die räumliche Wirklichkeit gegenüber der geistigen Möglichkeit des Schöpferischen. Wenn das Mögliche wirklich wird, das Geistige räumlich, so geschieht das immer durch eine einschränkende, individuelle Bestimmung. Das ist bezeichnet dadurch, daß hier dem Ausdruck Beharrlichkeit die nähere Bestimmung einer Stute beigefügt ist.

Das Pferd gehört zur Erde wie der Drache zum Himmel, es symbolisiert durch seine unermeßliche Bewegung über die Ebene hin die Weiträumigkeit der Erde. Der Ausdruck Stute ist gewählt, weil die Stute die Kraft und Schnelligkeit des Pferdes mit der Sanftheit und Hingebung der Kuh vereinigt.

Die Natur kann nur darum, weil sie dem Wesen des Schöpferischen gewachsen ist, dessen Anregungen verwirklichen. Ihr Reichtum besteht darin, daß sie alle Wesen ernährt, und ihre Größe, daß sie alles verschönt und herrlich macht. So schafft sie Gedeihen für alles Lebendige. Während das Schöpferische die Dinge zeugt, werden sie vom Empfangenden geboren.

Auf menschliche Verhältnisse übertragen, handelt es sich darum, der Lage entsprechen sich zu verhalten. Man ist nicht in selbständiger Stellung, sondern als Gehilfe tätig. Da gilt es, etwas zu leisten. Nicht führen zu wollen – dadurch verirrte man sich nur –, sondern sich führen zu lassen, ist die Aufgabe.

Wenn man es versteht, dem Schicksal gegenüber sich hingebend zu verhalten, so findet man sicher eine entsprechende Leitung. Der Edle läßt sich leiten. Er geht nicht blindlings voran, sonder er entnimmt den Verhältnissen, was von ihm verlangt wird, und folgt dieser Weisung des Schicksals.

Da man etwas leisten soll, bedarf man der Gehilfen und Freunde zu Zeit der Arbeit und Anstrengung, wenn die Gedanken, die ausgeführt werden sollen, schon festliegen.

Die Zeit der Arbeit und Anstrengung wird durch den Westen und Süden ausgedrückt. Denn der Süden und Westen ist das Symbol für den Ort, da das Empfangende für das Schöpferische arbeitet – wie die Natur im Sommer und Herbst –; wenn man da nicht alle Kräfte zusammenfaßt, wird man nicht fertig mit der Arbeit, die man zu leisten hat.

Darum bedeutet hier, Freunde zu bekommen, eben, daß man Leistung findet. Aber außer der Arbeit und Anstrengung gibt es auch eine Zeit des Planens und Ordnens; da bedarf’s der Einsamkeit.

Der Osten symbolisiert den Ort, da man die Aufträge von seinem Herrn erhält, und der Norden den Ort da man über das Geleistete berichtet. Da gilt es allein und sachlich zu sein.

In dieser Heiligen Stunde muß man der Genossen entraten, damit nicht durch der Parteien Haß und Gunst die Reinheit getrübt wird.

DAS BILD

Der Zustand der Erde
ist die empfangende Hingebung.
So trägt der Edle weiträumigen
Wesens die Außenwelt.

Ebenso wie es nur einen Himmel gibt, gibt es auch nur eine Erde. Während aber beim Himmel die Verdoppelung des Zeichens zeitliche Dauer bedeutet, bedeutet sie bei der Erde die räumliche Ausdehnung und Festigkeit, mit der sie alles, was da lebt und webt, trägt und erhält.

Die Erde in ihrer Hingebung trägt ohne Ausnahme Gut und Böse. So macht der Edle seinen Charakter weiträumig, gediegen und tragfähig, so daß er Menschen und Dinge zu tragen und ertragen vermag.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Tritt man auf Reif, so naht das feste Eis.

Wie die lichte Kraft das Leben darstellt, so die schattige Kraft den Tod. Im Herbst, wenn der Frühreif fällt, ist die Kraft des Dunkels und der Kälte erst in der Entfaltung. Nach den ersten Spuren werden sich nach festen Gesetzen die Äußerungen des Todes allmählich mehren, bis schließlich der starre Winter mit seinem Eis da ist.

Genau so geht es im Leben. Wenn sich leise, kaum merkliche Zeichen des Verfalls zeigen so geht es weiter, bis schließlich der Untergang da ist. Aber im Leben kann man vorbeugen, wenn man die Anzeichen des Verfalls beachtet und ihnen rechtzeitig entgegentritt.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Gerade, rechtwinklig, groß.
Ohne Absicht bleibt doch nichts ungefördert.

Der Himmel hat als Symbol den Kreis, die Erde das rechtwinklige Quadrat. Somit ist das Rechtwinklige eine ursprüngliche Eigenschaft der Erde. Dagegen ist die geradlinige Bewegung ursprünglich eine Eigenschaft des Schöpferischen, ebenso wie die Größe.

Aber alle rechtwinkligen Dinge haben ihre Wurzel in der geraden Linie und bilden ihrerseits wieder körperliche Größen.

Wenn man in der Mathematik Linien, Flächen und Körper unterscheidet, so ergebe sich aus geraden Linien rechtwinklige Flächen und aus rechtwinkligen Flächen kubische Größen.

Das Empfangende richtet sich nach den Eigenschaften des Schöpferischen und macht sie zu seinen eigenen. So wird aus einer Geraden ein Quadrat und aus einem Quadrat ein Würfel.

Das ist die einfache Hingebung an die Gesetzt des Schöpferischen ohne etwas davon- oder dazuzutun. Darum bedarf es für das Empfangende nicht einer besonderen Absicht oder Anstrengung, und alles wird recht.

Die Natur erzeugt die Wesen ohne Falsch, das ist ihre Geradheit; sie ist ruhig und still, das ist ihre Rechtwinkligkeit; sie weigert sich nicht, irgendein Wesen zu dulden, das ist ihre Größe.

Darum erreicht sie ohne äußeres Machen oder besonders Absichten für alle das Rechte. Für den Menschen bedeutet es höchste Weisheit, in seinem Wirken so selbstverständlich zu werden wie die Natur.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Verborgene Linien; man vermag beharrlich zu bleiben.
Folgst du etwa eines Königs Diensten,
so suche nicht Werke, aber vollende!

Wenn man frei von Eitelkeit ist, so vermag man seine Vorzüge so zu verdecken, daß sie nicht vorzeitig die öffentliche Aufmerksamkeit auf sich ziehen. So kann man in der Stille reifen. Wenn es die Verhältnisse erfordern, so mag man auch in die Öffentlichkeit hervortreten, aber auch dann zurückhaltend.

Der Weise wird den Ruhm gern andern lassen. Er sucht nicht fertige Tatsachen, die ihm als Verdienste angerechnet werden, wohl aber erhofft er wirkende Ursachen, d. h. er vollendet die Werke so, daß sie für die Zukunft fruchtbringend sind.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Zugebundener Sack. Kein Makel; kein Lob.

Das Schattige öffnet sich, wenn es sich bewegt, und schließt sich, wenn es ruht. Hier ist die strengste Verschlossenheit gezeichnet. Die Zeit ist gefährlich: Jedes Hervortreten führt entweder zur Feindschaft übermächtiger Gegner, wenn man sie bekämpfen wollt, oder zu mißverstandener Anerkennung, wenn man sich läßlich gäbe.

So gilt es, sich zu verschließen, sei es in der Einsamkeit oder im Weltgetriebe: denn auch da kann man sich so gut verbergen, daß niemand einen kennt.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Gelbes Untergewand bringt erhabenes Heil.

Gelb ist die Farbe der Erde und der Mitte, das Symbol des Zuverlässigen und Echten. Das Untergewand ist unauffällig verziert, das Symbol vornehmer Zurückhaltung.

Wenn jemand zu wirken berufen ist an hervorragender, doch nicht unabhängiger Stellung, so beruht der wahre Erfolg auf der höchsten Diskretion. Die Echtheit und Feinheit darf nicht direkt hervortreten, sondern nur als Wirkung von innen her sich mittelbar äußern.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Drachen kämpfen auf dem Anger.
Ihr Blut ist schwarz und gelb.

Auf dem obersten Platz sollte das Schattige dem Lichten weichen. Will es sich auf dem Platz, der ihm nicht gebührt, behaupten, und statt zu dienen, herrschen, so zieht es sich den Zorn des Starken zu. Es kommt zum Kampf, in dem es gestürzt wird, in dem jedoch beide Teile zu Schaden kommen.

Der Drache, das Symbol des Himmels, kommt herbei und bekämpft den falschen Drachen, zu dessen Bilde hier das Irdische sich gesteigert hat. Schwarzblau ist die Farbe des Himmels, Gelb ist die Farbe der Erde. Wenn also schwarzes und gelbes Blut fließt, so ist das ein Zeichen, daß durch diesen unnatürlichen Kampf beide Grundkräfte Schaden leiden.

Wenn lauter Sechsen erscheinen, bedeutet das: Fördernd ist dauernde Beharrlichkeit. Wenn lauter Sechsen erscheinen, verwandelt sich das Zeichen des Empfangenden in das Zeichen des Schöpferischen.

Es gewinnt so die Kraft der Dauer im Festhalten des Rechten. Es gibt zwar keinen Fortschritt, aber auch keinen Rückschritt.

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I Ching | Hexagram 33. Dschun
Die Anfangsschwierigkeit

oben Kan, das Abgründige, das Wasser
unten Dschen, das Erregende, der Donner

Der Name des Zeichens, Dschun, stellt eigentlich ein Gras dar das bei seinem Hervorsprießen aus der Erde auf ein Hindernis stößt. Daraus ergibt sich die Bedeutung der Anfangsschwierigkeit. Das Zeichen deutet, wie Himmel und Erde die Einzelwesen hervorbringen.

Es ist ihre erste Begegnung, die mit Schwierigkeiten verbunden ist. Das untere Zeichen, Dschen, ist das Erregende; seine Bewegung geht nach oben; zum Bild hat es den Donner. Das obere Zeichen, Kan, ist das Abgründige, Gefährliche; seine Bewegung geht nach unten; zum Bild hat es den Regen.

Die Lage deutet also auf dichte, chaotische Fülle. Donner und Regen erfüllen die Luft. Aber das Chaos lichtet sich. Die Bewegung, die nach oben gerichtet ist, während das Abgründige sich senkt, kommt schließlich aus der Gefahr hinaus. Im Gewitter entladen sich die gespannten Kräfte, und alles atmet erleichtert auf.

DAS URTEIL

Die Anfangsschwierigkeit
wirkt erhabenes Gelingen.
Fördernd durch Beharrlichkeit.
Man soll nichts unternehmen.
Fördernd ist es, Gehilfen einzusetzen.

Werdezeiten haben Schwierigkeiten. Es ist wie eine Erstgeburt. Aber diese Schwierigkeiten entstehen aus der Fülle dessen was nach Gestaltung ringt.

Es ist alles in Bewegung begriffen, darum ist trotz der vorhandenen Gefahr Aussicht auf großen Erfolg da wenn man Beharrlichkeit hat. Wenn solche Anfangszeiten als Schicksal kommen, so ist noch alles ungestaltet und dunkel.

Darum muß man abwarten, denn jedes vorzeitige Zufassen könnte Mißerfolg bringen. Ebenso ist es von großer Wichtigkeit, daß man nicht allein bleibt. Man muß Gehilfen haben, um gemeinsam mit ihnen das Chaos zu bewältigen.

Das heißt aber nicht, daß man selbst untätig den Vorgängen zuschauen soll, sondern man muß mit Hand anlegen, anfeuernd und leitend bei allem dabei sein.

DAS BILD

Wolken und Donner:
das Bild der Anfangsschwierigkeit.
So wirkt der Edle entwirrend und ordnend.

Wolken und Donner werden dargestellt durch bestimmte Linienornamente, das heißt, daß in dem Chaos der Anfangsschwierigkeit die Ordnung schon angelegt ist.

So muß der Edle in solchen Anfangszeiten die unübersichtliche Fülle gliedern und ordnen wie man Seidenfäden aus einem Knäuel auseinanderliest und sie zu Strängen verbindet. Man muß, um im Unendlichen sich zu finden, unterscheiden und verbinden.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Zögern und Hemmung.
Fördernd ist es, beharrlich zu bleiben.
Fördernd ist es, Gehilfen einzusetzen.

Wenn man zu Anfang einer Unternehmung auf Hemmung stößt, so darf man den Fortschritt nicht erzwingen wollen, sondern muß vorsichtig innehalten. Aber man darf sich nicht irremachen lassen, sondern muß dauernd und beharrlich sein Ziel im Auge behalten.

Wichtig ist es, daß man sich die richtigen Hilfskräfte sucht. Die findet man nur dann, wenn man bescheiden mit den Menschen verkehrt und sich nicht überhebt. Nur dadurch fallen einem die Menschen zu, mit deren Hilfe man die Schwierigkeiten in Angriff nehmen kann.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Schwierigkeiten türmen sich.
Pferd und Wagen trennen sich.
Nicht Räuber er ist, will freien zur Frist.
Das Mädchen ist keusch, verspricht sich nicht.
Zehn Jahre, dann verspricht sie sich.

Man befindet sich in Schwierigkeit und Hemmung. Da zeigt sich plötzlich eine Wendung, wie wenn jemand mit Wagen und Pferden herankäme und ausspannte.

Dies Ereignis kommt so überraschend, daß man vermutet, der Herankommende sei ein Räuber. Allmählich zeigt es sich, daß er keine bösen Absichten hat, sondern freundliche Verbindung sucht und Erleichterung anbietet.

Aber man nimmt das Anerbieten nicht an, da es nicht von der rechten Seite kommt, sondern wartet, bis die Zeit erfüllt ist – zehn Jahre sind ein geschlossener Zeitraum, eine erfüllte Zeit. Dann kehren von selbst die normalen Verhältnisse wieder, und man kann sich mit dem Freund vereinen, der einem bestimmt ist.

Unter dem Bild einer Braut, die in schweren Konflikten ihrem Geliebten treu bleibt, wird ein Rat für eine besondere Lebenslage erteilt: Wenn in Zeiten der Schwierigkeit, da man auf Hemmung stößt, unerwartet eine Erleichterung angeboten wird von einer Seite, zu der man keine Beziehung hat, so soll man vorsichtig sein und keine Verpflichtungen auf sich nehmen, wie das die Folge einer solchen Hilfe wäre, da man sonst in der Freiheit der Entscheidung beeinträchtigt wäre.

Wenn man die Zeit abwartet, so werden die ruhigen Verhältnisse wiederkommen, und man erreicht, was man gehofft.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Wer den Hirsch jagt ohne Förster,
der verirrt sich nur im Wald.
Der Edle versteht die Zeichen der Zeit
und steht lieber ab.
Weitermachen bringt Beschämung.

Wenn man keinen Führer hat und in einem fremden Walde jagen will, so verirrt man sich. Man darf sich aus den Schwierigkeiten, in denen man steht, nicht unbedacht und führerlos herausstellen wollen.

Das Schicksal läßt sich nicht betrügen. Voreiliges Streben ohne die nötige Leitung führt zu Mißerfolg und Schande.

Darum wird der Edle, der die Keime des Kommenden erkennt, lieber auf einen Wunsch verzichten, als dadurch, daß er ihn zu erzwingen sucht, sich Mißerfolg und Beschämung zuzuziehen.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Pferd und Wagen trennen sich.
Suche nach Vereinigung.
Hingehen bringt Heil.
Alles wirkt fördernd.

Man ist in einer Lage, da man die Pflicht hat, zu handeln, aber die Kraft reicht nicht aus. Doch bietet sich Gelegenheit, Anschluß zu finden. Da gilt es, zuzugreifen. Man darf sich nicht durch einen falschen Stolz und falsche Zurückhaltung abhalten lassen.

Es ist ein Zeichen innerer Klarheit, wenn man es über sich bringt, den ersten Schritt zu tun, selbst wenn eine gewisse Selbstverleugnung damit verbunden ist.

In schwieriger Lage ist es keine Schande, sich helfen zu lassen. Wenn man den richtigen Gehilfen findet, geht alles gut.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Schwierigkeiten im Segnen.
Kleine Beharrlichkeit bringt Heil,
große Beharrlichkeit bringt Unheil.

Man findet sich in der Lage, daß man keine Möglichkeit hat, seine guten Absichten so zum Ausdruck zu bringen, daß sie wirklich in die Erscheinung treten und verstanden werden. Andere schieben sich dazwischen und entstellen alles, was man tut. Da muß man dann vorsichtig sein und allmählich vorgehen.

Man darf nichts Großartiges gewaltsam durchsetzen wollen; denn so etwas gelingt nur, wenn man das allgemeine Vertrauen schon genießt. Nur im stillen, durch treue und gewissenhafte Arbeit kann man allmählich dahin wirken, daß die Verhältnisse sich aufklären und die Hemmung fällt.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Pferd und Wagen trennen sich.
Blutige Tränen ergießen sich.

Es gibt Menschen, denen werden die Anfangsschwierigkeiten zu schwer. Sie bleiben stecken und finden sich nicht mehr durch. Sie lassen die Hände sinken und geben den Kampf auf.

Ein solcher Verzicht gehört zum Traurigsten. Darum macht Kungtse dazu die Bemerkung: Blutige Tränen ergießen sich: das darf man nicht dauernd tun.

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I Ching | Hexagram 4

4. Mong
Die Jugendtorheit

oben Gen, das Stillehalten, der Berg
unten Kan, das Abgründige, das Wasser

Auf doppelte Weise ist das Gedenken der Jugend und Torheit in diesem Zeichen nahegelegt. Das obere Zeichen, Gen, hat als Bild einen Berg, das unter, Kan hat als Bild das Wasser. Die Quelle, die unten am Berg hervorkommt, ist das Bild der unerfahrenen Jugend.

Die Eigenschaft des oberen Zeichens ist das Stillehalten, die des unteren der Abgrund, die Gefahr. Das Stillehalten vor einem gefährlichen Abgrund ist ebenfalls ein Symbol der ratlosen Torheit der Jugend.

In den beiden Zeichen liegt aber auch der Weg, wie die Jugendtorheiten überwunden werden können: Das Wasser ist etwas, das mit Notwendigkeit weiterfließt.

Wenn die Quelle hervorbricht, so weiß sie zunächst freilich nicht, wohin. Aber sie füllt durch ihr stetiges Fließen die tiefe Stelle, die sie am Fortschritt hindert, aus und dann ist der Erfolg da.

DAS URTEIL

Jugendtorheit hat Gelingen.
Nicht ich suche den jungen Toren,
der junge Tor sucht mich.
Beim ersten Orakel gebe ich Auskunft.
Fragt er zwei-, dreimal, so ist das Belästigung.
Wenn er belästigt, so gebe ich keine Auskunft.
Fördernd ist Beharrlichkeit.

In der Jugend ist Torheit nichts Schlimmes. Es kann ihr doch gelingen. Nur muß man einen erfahrenen Lehrer finden und ihm auf die rechte Weise gegenübertreten.

Dazu gehört erstens, daß man die eigene Unerfahrenheit selbst empfindet und einen Lehrer aufsucht. Nur diese Bescheidenheit und dieses Interesse verbürgt die nötige Aufnahmebereitschaft, die sich in ehrfurchtsvoller Anerkennung des Lehrers äußern wird.

Darum muß der Lehrer ruhig warten, bis er aufgesucht wird. Er soll sich nicht von sich aus anbieten; nur so kann die Belehrung zur rechten Zeit und auf die rechte Weise erfolgen.

Die Antwort, die der Lehrer auf die Fragen des Schülers gibt soll klar und bestimmt sein wie die Antwort, die ein Orakelsucher zu erhalten wünscht. Sie muß dann als Lösung des Zweifels und Entscheidung angenommen werden.

Mißtrauisches oder gedankenloses Weiterfragen dient zur bloßen Belästigung des Lehrers und wird am besten mit Stillschweigen übergangen, ähnlich wie das Orakel auch nur eine Antwort gibt und versucherischen Zweifelsfragen gegenüber versagt.

Wenn dazu die Beharrlichkeit tritt, die nicht nachläßt, bis man Punkt für Punkt sich angeeignet hat, so wird ein schöner Erfolg sicher sein. Das Zeichen gibt somit Ratschläge sowohl für den Lehrenden als auch für den Lernenden.

DAS BILD

Unten am Berg kommt ein Quell hervor:
das Bild der Jugend.
So nährt der Edle durch
gründliches Handeln
seinen Charakter.

Die Quelle kommt dadurch ins Fließen und zur Überwindung des Stillstandes, daß sie alle hohlen Stellen auf ihrem Weg ausfüllt.

Ebenso ist der Weg zur Bildung des Charakters die Gründlichkeit, die nichts überspringt, sondern allmählich und stetig wie das Wasser alle Lücken ausfüllt und so vorankommt.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Um den Toren zu entwickeln,
ist es fördernd, den Menschen
in Zucht zu nehmen.
Man soll die Fesseln abnehmen.
So weitermachen bringt Beschämung.

Am Anfang der Erziehung steht das Gesetz. Die Unerfahrenheit der Jugend ist geneigt, zunächst alles lässig und spielerisch zu nehmen. Da muß ihr der Ernst des Lebens gezeigt werden.

Ein gewisses Sichzusammennehmen, wo es durch stramme Zucht erzwungen wird, ist gut. Wer mit dem Leben spielt kommt nie zurecht. Aber die Zucht darf nicht in Drill ausarten. Fortgesetzter Drill wirkt beschämend und lähmt die Kraft.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Die Toren ertragen in Milde, bringt Heil.
Die Frauen zu nehmen wissen, bringt Heil.
Der Sohn ist dem Hauswesen gewachsen.

Hier ist ein Mann gezeichnet, der keine äußere Macht hat, aber die nötigen Geisteskraft, um die auf ihm lastende Verantwortung zu tragen. Er besitzt die innere Überlegenheit und Stärke, die die Unzulänglichkeiten der menschlichen Torheit in Milde zu tragen versteht.

Dieselbe Gesinnung gilt den Frauen als dem schwächeren Geschlecht gegenüber. Man muß sie zu nehmen wissen und anzuerkennen in einer gewissen ritterlichen Nachsicht.

Nur durch diese Vereinigung von innerer Kraft und äußerer Zurückhaltung wird man die Verantwortung der Leitung eines größeren gesellschaftlichen Organismus übernehmen können und dabei wirklich Erfolg haben.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Nicht sollst Du ein Mädchen nehmen,
das einen ehernen Mann sieht
und sich nicht im Besitz behält.
Nichts ist fördernd.

Ein schwacher, unerfahrener Mensch, der nach oben strebt, verliert leicht seine persönliche Eigenart, wenn er an hoher Stelle eine starke Persönlichkeit sieht, der er sklavisch nachahmt. Er gleicht einem Mädchen das sich preisgibt, wenn sie einem starken Mann begegnet.

Einer solchen unfreien Annäherung gegenüber darf man nicht entgegenkommend sein. Entgegenkommen wäre weder für den Jüngling noch für den Erzieher gut.

Ein Mädchen ist es ihrer Würde schuldig, daß sie auf Werbung wartet. In beiden Fällen ist es unwürdig, sich selbst anzubieten, und es ist nicht gut, ein solches Angebot anzunehmen.
I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Beschränkte Jugendtorheit bringt Beschämung.

Für die Jugendtorheit ist es das hoffnungsloseste, sich in leere Einbildungen zu verstricken. Je eigensinniger sie auf solchen wirklichkeitsfremden Einbildungen beharrt, desto gewisser zieht sie sich Beschämung zu.

Für den Erzieher wird beschränkter Torheit gegenüber oft nichts übrigbleiben, als sie eine Zeitlang sich selbst zu überlassen und die ihr aus ihrem Gebaren entspringende Beschämung nicht zu ersparen. Das ist oft der einzige Weg zur Rettung.
I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Kindliche Torheit bringt Heil.

Ein unerfahrener Mensch, der kindlich und anspruchslos Belehrung sucht, ist gut daran. Denn wer vom Hochmut frei sich dem Lehrer unterstellt, der wird sicher gefördert.
I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Beim Bestrafen der Torheit
ist es nicht fördernd,
Übergriffe zu begehen.
Fördernd ist nur, Übergriffe abzuwehren.

Unter Umständen muß ein unverbesserlicher Tor bestraft werden. Wer nicht hören will, muß fühlen. Diese Strafe ist von der Aufrüttlung zu Beginn verschieden.

Aber die Verhängung der Strafe darf nicht im Zorn geschehen, sondern muß sich auf eine sachliche Abwehr unberechtigter Übergriffe beschränken. Sie ist nie Selbstzweck, sondern hat nur der Herstellung geordneter Verhältnisse zu dienen.

Das gilt sowohl von der Erziehung als auch von den Maßregeln einer Regierung gegen eine Bevölkerung, die sich Ausschreitungen zuschulden kommen läßt. Das Einschreiten der Regierung muß immer nur abwehrend sein und hat als einziges Ziel die Herstellung der öffentlichen Sicherheit und Ruhe.

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I Ching | Hexagram 55. Sü
Das Warten, (die Ernährung)

oben Kan, das Abgründige, das Wasser
unten Kiën, das Schöpferische, der Himmel

Alle Wesen bedürfen der Nahrung von oben. Aber das Spenden der Speise hat seine Zeit, die man erwarten muß. Das Zeichen zeigt die Wolken am Himmel, die Regen spenden, der alles Gewächs erfreut und den Menschen mit Speise und Trank versieht. Dieser Regen wird kommen zu seiner Zeit.

Man kann ihn nicht erzwingen, sondern muß darauf warten. Der Gedanke des Wartens wird außerdem nahegelegt durch die Eigenschaften der beiden Urzeichen: innen Stärke, davor Gefahr. Stärke vor Gefahr überstürzt sich nicht, sondern kann warten, während Schwäche vor Gefahr in Aufregung gerät und nicht die Geduld zum Warten hat.

DAS URTEIL

Das Warten.
Wenn du wahrhaftig bist,
so hast du Licht und Gelingen.
Beharrlichkeit bringt Heil.
Fördernd ist es,
das große Wasser zu durchqueren.

Das Warten ist kein leeres Hoffen. Es hat die innere Gewißheit sein Ziel zu erreichen. Nur diese innere Gewißheit gibt das Licht das allein zum Gelingen führt. Das führt zur Beharrlichkeit, die Heil bringt und die Kraft verleiht, das große Wasser zu durchqueren.

Eine Gefahr liegt vor einem, die überwunden werden muß. Schwäche und Ungeduld vermögen nichts. Nur wer stark ist, wird mit seinem Schicksal fertig, denn er kann infolge der inneren Sicherheit ausharren.

Diese Stärke zeigt sich in unerbittlicher Wahrhaftigkeit. Nur wenn man den Dingen, so wie sie sind, ins Auge zu schauen vermag, ohne jeden Selbstbetrug und Illusion, entwickelt sich aus den Ereignissen ein Licht, das den Weg zum Gelingen erkennen läßt.

Auf diese Erkenntnis muß entschlossen beharrliches Handeln folgen; denn nur, wenn man entschlossen seinem Schicksal entgegengeht, wird man damit fertig. Dann kann man das große Wasser durchqueren, d. h. die Entscheidung treffen und die Gefahr bestehen.

DAS BILD

Wolken steigen am Himmel auf:
das Bild des Wartens.
So ißt und trinkt der Edle
und ist heiter und guter Dinge.

Wenn die Wolken am Himmel aufsteigen, so ist das ein Zeichen, daß es regnen wird. Da läßt sich dann weiter nichts machen als warten, bis der Regen fällt. So ist es auch im Leben, wenn ein Schicksal sich vorbereitet.

Solange die Zeit noch nicht erfüllt ist, soll man nicht sorgen und durch eigenes Machen und Eingreifen die Zukunft gestalten wollen, sondern in Ruhe Kraft sammeln durch Essen und Trinken für den Leib, durch Heiterkeit und Guter-Dinge-Sein für den Geist. Das Schicksal kommt ganz von selbst, und dann ist man bereit.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Warten auf dem Anger.
Fördernd ist es, im Dauernden zu bleiben.
Kein Makel.

Die Gefahr ist noch fern. Man wartet noch auf weiter Ebene. Die Verhältnisse sind noch einfach. Es liegt nur etwas in der Luft, das kommen wird. Da gilt es, die Regelmäßigkeiten des Lebens so lange beizubehalten, als es möglich ist.

Nur dadurch bewahrt man sich vor allzu früher Vergeudung der Kräfte und bleibt frei von Makel und Fehler, die für später eine Schwächung bedeuten würden.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Warten auf dem Sand.
Es gibt ein wenig Gerede.
Das Ende bringt Heil.

Die Gefahr rückt allmählich näher. Der Sand ist dem Ufer des Stromes, der die Gefahr bedeutet, nahe. Es beginnen sich Unzuträglichkeiten zu zeigen. Es entsteht in solcher Zeit leicht eine allgemeine Unruhe.

Man wirft sich gegenseitig die Schuld vor. Wer da gelassen bleibt, dem wird es gelingen, daß schließlich alles gut geht. Alle üble Nachrede muß endlich verstummen, wenn man ihr nicht den Gefallen beleidigter Gegenrede tut.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Warten im Schlamm
bewirkt das Kommen des Feindes.

Der Schlamm, der schon vom Wasser des Stromes bespült wird, ist kein günstiger Ort für das Warten. Statt die Kräfte zu sammeln, um in einem Zug das Wasser zu durchqueren, hat man einen vorzeitigen Anlauf gemacht, dessen Kraft eben bis zum Schlamm führt.

Eine solche ungünstige Lage zieht von außen her die Feinde herbei, die naturgemäß die Lage ausnützen. Durch Ernst und Vorsicht allein ist es möglich, sich vor Schaden zu bewahren.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Warten im Blut.
Heraus aus dem Loch.

Es ist die Lage äußerst gefährlich. Es ist voller Ernst geworden und geht auf Leben und Tod. Blutvergießen ist unmittelbar zu erwarten. Man kann nicht vorwärts und nicht rückwärts. Man ist abgeschnitten wie in einem Loch.

Da gilt es einfach auszuharren und das Schicksal über sich ergehen zu lassen. Diese Ruhe die nicht durch eigenes Handeln den Schaden noch schlimmer macht, ist der einzige Weg, aus dem gefährlichen Loch herauszukommen.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Warten bei Wein und Speise.
Beharrlichkeit bringt Heil.

Auch mitten in der Gefahr gibt es Ruhepausen da es einem verhältnismäßig gut geht. Wenn man die rechte innere Stärke besitzt, so wird man die Ruhepausen ausnützen, um sich zu stärken zu neuem Kampf.

Man vermag den Augenblick zu genießen, ohne sich von seinem Ziel abbringen zu lassen; denn Beharrlichkeit ist notwendig, um Sieger zu bleiben.

Auch im öffentlichen Leben ist es so. Es kann nicht alles auf einmal erreicht werden. Höchste Weisheit ist es, den Leuten solche Erholungspausen zu gönnen, die die Freudigkeit der Arbeit beleben zur Vollendung des Werks.

Hier liegt das Geheimnis des ganzen Zeichens verborgen. Dadurch unterscheidet es sich von dem Zeichen die Hemmnis, daß man beim Warten seiner Sache sicher ist und daher die Ruhe der inneren Heiterkeit sich nicht rauben läßt.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Man gerät in das Loch.
Da kommen ungebetener Gäste drei.
Ehre sie, so kommt am Ende Heil.

Das Warten ist vorüber: die Gefahr läßt sich nicht mehr abwenden. Man gerät in das Loch, muß sich in das Unvermeidliche ergeben. Da scheint nun alles vergebens gewesen zu sein.

Aber gerade in dieser Not tritt eine unvorhergesehene Wendung ein. Von außen her geschieht ohne eigenes Zutun ein Eingriff, von dem man zunächst zweifelhaft sein kann, wie er gemeint ist, ob Rettung, ob Vernichtung naht.

Da gilt es nun, innerlich beweglich zu bleiben. Nicht trotzig abweisendes Sichverschließen sondern ehrfurchtsvolles Begrüßen der neuen Wendung ist das Richtige.

So kommt man schließlich aus der Gefahr heraus, und alles geht gut. Auch glückliche Wendungen kommen oft in einer Form, die uns zunächst fremd erscheint.

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I Ching | Hexagram 66. Sung
Der Streit

oben Kiën, das Schöpferische, der Himmel
unten Kan, das Abgründige, das Wasser

Das obere Urzeichen, dessen Bild der Himmel ist, hat die Bewegungsrichtung nach oben, das untere Urzeichen Wasser ist seiner Natur nach abwärts gerichtet. Die Bewegungsrichtungen der beiden Hälften gehen auseinander, das ergibt den Gedanken des Streites.

Die Eigenschaft des Schöpferischen ist die Stärke, die des Abgründigen die Gefahr, Hinterlist. Wo List Gewalt vor sich hat, da gibt es Streit.

Eine dritte Ableitung legt sich innerhalb des Charakters durch Verbindung von abgründiger Hinterlist im Innern und starker Entschlossenheit im Äußern nahe. Ein derartiger Charakter wird sicher streitsüchtig sein.

DAS URTEIL

Der Streit:
Du bist wahrhaftig und wirst gehemmt.
Sorgliches Innehalten
auf halbem Weg bringt Heil.
Zu Ende führen bringt Unheil.
Fördernd ist es,
den großen Mann zu sehen.
Nicht fördernd ist es,
das große Wasser zu durchqueren.

Streit entsteht, wenn man im Gefühl seines Rechts auf Widerstand stößt. Ohne die Überzeugung des eigenen Rechts führt Widerstand zu Hinterlist oder gewaltsamem Übergriffen aber nicht zum offenen Streit.

Ist man in Streit verwickelt, so ist machtvolle Besonnenheit, die jederzeit zur Beilegung des Streites und zum Vergleich auf halbem Weg bereit ist, das einzige Heilbringende.

Ein Verfolgen des Streites bis zum bitteren Ende ist, selbst wenn man recht behält, vom übel, weil man dadurch die Feindschaft verewigt.

Es ist wichtig, den großen Mann zu sehen, d. h. einen unparteiischen Mann, dessen Autorität hinreicht, um den Streit friedlich beizulegen oder gerecht zu entscheiden.

Auf der andern Seite ist es zu vermeiden, in Zeiten des Unfriedens das große Wasser zu durchqueren, d. h. gefahrvolle Unternehmungen zu beginnen, denn die bedürfen einheitlich zusammengefaßter Kräfte, wenn sie gelingen sollen. Streit im Innern lähmt die Kraft, die Gefahr im Äußeren zu besiegen.

DAS BILD

Himmel und Wasser gehen
einander entgegengesetzt:
das Bild des Streites.
So überlegt der Edle
bei allen Geschäften,
die er tut, den Anfang.

Das Bild deutet darauf hin, daß die Ursachen des Streites in den zuvor schon vorhandenen entgegengesetzten Richtungen beider Teile liegen. Sind solche einander entgegenstrebenden Richtungen einmal vorhanden, so folgt der Streit mit Notwendigkeit.

Daraus folgt, daß, um Streit zu verhüten, im ersten Anfang alles sorgfältig bedacht werden muß. Wenn Recht und Pflicht genau festgelegt sind, oder wenn bei einer Verbindung von Menschen deren geistige Richtungen zusammengehen, so ist die Ursache des Streits zum voraus beseitigt.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Wenn man die Sache nicht verewigt,
so gibt es ein kleines Gerede.
Am Ende kommt Heil.

Solange der Streit noch im ersten Anfang ist, tut man am besten, ihn fallen zu lassen. Zumal einem stärkeren Gegner gegenüber ist es nicht ratsam, es auf ein Austragen des Streites ankommen zu lassen. Es kommt dabei vielleicht zu einem kleinen Wortwechsel, aber am Ende geht alles gut.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Man kann nicht streiten, kehrt heim und weicht aus.
Die Menschen seiner Stadt, dreihundert Häuser,
bleiben frei von Schuld.

Im Kampf mit einem überlegenen Gegner ist Rückzug keine Schande. Wenn man sich rechtzeitig zurückzieht, vermeidet man üble Folgen. Wollte man den ungleichen Streit aus falschem Ehrgefühl heraufbeschwören, so würde man selbst das Unglück sich zuziehen.

Eine weise Nachgiebigkeit in solchem Falle kommt der ganzen Umgebung zugute, die auf diese Weise nicht in den Streit hineingezogen wird.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Von alter Tugend sich nähren gibt Beharrlichkeit.
Gefahr, am Ende kommt Heil.
Folgst du etwa eines Königs Diensten,
so suche nicht Werke.

Es wird hier vor der Gefahr gewarnt, die die Neigung zum Umsichgreifen bringt. Nur was durch frühere Verdienste ehrlich verdient ist, bleibt dauernder Besitz.

Ein solcher Besitz kann wohl einmal angefochten werden, aber da er wirkliches Eigentum ist, kann er nicht geraubt werden. Denn was einem vermöge der Kraft des eigenen Wesens angehört, kann man nicht verlieren.

Wenn man in die Dienste eines Höheren tritt, so kann man den Streit nur dadurch vermeiden, daß man keine Werke für sich sucht. Es mag genügen, wenn sie getan werden. Die Ehre mag dem andern bleiben.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Man kann nicht streiten,
kehrt um und fügt sich dem Geschick,
ändert sich und findet Frieden in Beharrlichkeit.
Heil!

Die innere Gesinnung ist zunächst friedlos. Man fühlt sich in seiner Lage nicht wohl und möchte sich durch Streit eine bessere Lage verschaffen.

Man hat es mit einem schwächeren Gegner zu tun und wäre daher wohl dazu imstande – ein Unterschied zur Neun auf zweitem Platz – aber man kann nicht streiten, weil man nicht die innere Berechtigung und das gute Gewissen dazu findet.

Darum kehrt man um und fügt sich in sein Geschick. Man ändert seinen Sinn und findet so den dauernden Frieden in der Übereinstimmung mit dem ewigen Gesetz. Das bringt Heil.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Streiten vor ihm bringt erhabenes Heil.

Es ist hier der Schlichter des Streits gezeigt, der machtvoll und gerecht ist und der die Kraft besitzt, dem Recht Nachdruck zu verleihen. Ihm kann man eine Streitsache getrost überweisen. Wenn man recht hat, erlangt man großes Heil.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Wenn einem etwa auch
ein Ledergürtel verliehen wird,
am Ende eines Morgens
wird er ihm dreimal entrissen.

Hier ist jemand gezeichnet, der den Streit bis zum bitteren Ende geführt und recht behalten hat. Er bekommt eine Auszeichnung. Aber das Glück ist nicht von Dauer. Es wird immer wieder angefochten, und Streit ohne Ende ist die Folge.

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I Ching | Hexagram 7

7. Schï
Das Heer

oben Kun, das Empfangende, die Erde
unten Kan, das Abgründige, das Wasser

Das Zeichen setzt sich zusammen aus dem Urzeichen Kan, das Wasser, und Kun, die Erde. Dadurch ist das Grundwasser symbolisiert, das sich innerhalb der Erde sammelt.

Ebenso sammelt sich die Heerkraft innerhalb der Menge eines Volkes: im Frieden unsichtbar, aber jederzeit zur Verfügung als Quelle der Macht.

Die Eigenschaften der Urzeichen sind: innerhalb Gefahr und außerhalb Gehorsam. Das deutet auf das Wesen des Heeres, das im Innersten etwas Gefährliches ist, während nach außen Zucht und Gehorsam herrschen muß.

Auf die einzelnen Linien hin betrachtet, ist der Herr des Zeichens die starke Neun auf zweitem Platz der die anderen weichen Linien sich unterordnen. Diese Linie bezeichnet den Gebieter, da sie im Zentrum eines der beiden Urzeichen steht.

Da sie aber im unteren, nicht im oberen steht, ist sie nicht das Bild des Herrschers, sondern des tüchtigen Generals, der das Heer in Gehorsam hält durch seine Autorität.

DAS URTEIL

Das Heer braucht Beharrlichkeit
und einen starken Mann.
Heil ohne Makel.

Ein Heer ist eine Masse, die, um ein Heer zu werden, der Organisation bedarf. Ohne feste Disziplin läßt sich nichts erreichen. Diese Disziplin läßt sich aber nicht durch Gewaltmittel erzwingen, sondern es braucht einen starken Mann, dem die Herzen sich zuwenden, der Begeisterung erweckt.

Damit er sich entfalten kann, bedarf er des unbedingten Vertrauens seines Herrschers, der ihm, solange der Krieg dauert, die volle Verantwortung überlassen muß.

Ein Krieg ist aber immer etwas Gefährliches und bringt Schaden und Verheerung mit sich. Darum darf man ihn nicht leichtfertig unternehmen, sondern nur wie eine giftige Arznei als letzte Auskunft.

Der gerechte Grund und ein klares, verständliches Kriegsziel muß durch einen erfahrenen Führer dem Volk deutlich gemacht werden.

Nur wenn ein ganz bestimmtes Kriegsziel da ist, für das das Volk sich mit Bewußtsein einsetzen kann, entsteht die Einheitlichkeit und Stärke der Überzeugung, die zum Sieg führt.

Aber der Führer muß auch dafür sorgen, daß in der Kriegsleidenschaft und im Siegestaumel nichts Ungerechtes geschieht, das die allgemeine Anerkennung nicht findet. Gerechtigkeit und Beharrlichkeit sind die Grundbedingungen dafür, daß alles gut geht.

DAS BILD

Inmitten der Erde ist Wasser:
So mehrt der Edle durch Weitherzigkeit
gegen das Volk seine Massen.

Das Grundwasser ist unsichtbar inmitten der Erde vorhanden. So ist auch die Kriegsmacht eines Volkes unsichtbar in seinen Massen vorhanden. Jeder Bauer wird, wenn Gefahr droht, Soldat und kehrt nach Beendigung des Kriegs hinter seinen Pflug zurück.

Wer gegen das Volk weitherzig ist, der gewinnt die Liebe des Volkes, und das Volk, das unter einem milden Regiment lebt, wird stark und kräftig.

Nur ein wirtschaftlich starkes Volk kann als Kriegsmacht von Bedeutung sein. Man muß also die Macht pflegen durch Förderung der wirtschaftlichen Beziehungen des Volkes und menschenfreundliche Regierung.

Nur wo dieses unsichtbare Band zwischen Regierung und Volk da ist, daß das Volk unter ihr geborgen ist wie das Grundwasser in der Erde, ist es möglich, einen Krieg siegreich zu führen.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Ein Heer muß ausziehen nach der Ordnung.
Ist die nicht gut, droht Unheil.

Zu Beginn einer kriegerischen Unternehmung muß Ordnung herrschen. Es muß ein gerechter und triftiger Grund da sein, und der Gehorsam und das Ineinander­greifen der Truppen muß wohl organisiert sein, sonst ist Mißerfolg die unvermeidliche Folge.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Inmitten des Heeres!
Heil! Kein Makel!
Der König verleiht dreifache Auszeichnung.

Der Führer muß inmitten seines Heeres sein. Er muß Fühlung mit ihm haben und Gutes und Böses mit den Massen teilen, die er führt. Nur auf diese Weise ist er der schweren Anforderung gewachsen, die auf ihm ruht.

Er bedarf dabei der Anerkennung durch den Herrscher. Die Auszeichnungen, die er erhält, sind berechtigt, da es sich nicht um persönliche Bevorzugung handelt, sondern in dem Führer das ganze Heer geehrt wird, in dessen Mitte er weilt.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Das Heer führt etwa im Wagen Leichen. Unheil!

Die eine Erklärung deutet auf eine Niederlage infolge davon, daß ein anderer als der berufene Führer sich in die Leitung einmischt. Die andere Erklärung stimmt dem Sinne nach damit überein, nur daß der Ausdruck Leichen im Wagen führen anders gedeutet wird.

Bei Beerdigungen und Totenopfern war es in China Sitte, daß der Verstorbene, dem geopfert wurde, durch einen Knaben aus der Familie vertreten wurde, der am Platz der Leiche saß und an der Stelle des Verstorbenen geehrt wurde.

Daraus entnimmt diese Erklärung den Sinn, daß auf dem Wagen ein Leichenknabe sitzt, d. h. daß die Autorität nicht von der dazu berufenen Stelle ausgeht, sondern sich von andern angemaßt wird.

Vielleicht läßt sich die ganze Schwierigkeit beheben durch Annahme eines Schreibfehlers (fan = alle für schï = Leiche). Dann würde der Sinn ohne weiteres sein: Wenn im Heer etwa sich die Menge zum Herrn macht (auf dem Wagen fährt), so ist das unheilvoll.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Das Heer zieht sich zurück. Kein Makel.

Wenn man einem überlegenen Feind gegenübersteht, mit dem der Kampf aussichtslos ist, so ist ein geordneter Rückzug das einzig Richtige, weil durch ihn das Heer vor Niederlage und Auflösung bewahrt wird.

Es ist keineswegs ein Zeichen von Mut oder Stärke, einen aussichtslosen Kampf unter allen Umständen annehmen zu wollen.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Im Feld ist ein Wild.
Es ist fördernd, es zu fangen.
Ohne Makel.
Der Älteste führe das Heer.
Der Jüngere fährt Leichen,
da bringt Beharrlichkeit Unheil.

Das Wild ist im Feld, d. h. es hat seinen Aufenthaltsort, den Wald, aufgegeben und ist in die Felder verwüstend eingebrochen. Das deutet auf einen Einbruch des Feindes.

In diesem Fall ist energischer Kampf und Bestrafung durchaus berechtigt. Nur muß der Kampf nach der Regel geführt werden. Er darf nicht zum wilden Durcheinander werden, da sich jeder auf eigene Faust wehrt.

Das würde trotz größter Beharrlichkeit und Tapferkeit zu Unheil führen. Sondern das Heer muß von einem erfahrenen Führer geleitet sein. Es muß Krieg geführt werden. Nicht darf die Menge einfach totschlagen, was ihr in die Hände kommt, sonst erleidet man eine Niederlage, und trotz aller Beharrlichkeit droht Unheil.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Der große Fürst erläßt Befehle,
gründet Staaten, belehnt Familien.
Gemeine Menschen soll man nicht benützen.

Der Krieg ist siegreich beendet. Der Sieg ist gewonnen, der König verteilt unter seinen Getreuen Lehen und Familienbesitz. Dabei ist es aber wichtig, daß gemeine Menschen nicht zur Macht gelangen dürfen.

Wenn sie mitgeholfen haben, so mag man sie mit Geld abfinden. Aber Landgebiete und Herrschaftsrechte darf man ihnen nicht verleihen, damit kein Mißbrauch vorkommt.

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I Ching | Hexagram 8

8. Bi
Das Zusammenhalten

oben Kan, das Abgründige, das Wasser
unten Kun, das Empfangende, die Erde

Das Wasser über der Erde fließt zusammen, wie es immer kann, z. B. im Meer, wo sich alle Flüsse sammeln. Dies ist ein Symbol, das auf das Zusammenhalten und auf seine Gesetze deutet.

Derselbe Gedanke wird dadurch nahegelegt, daß alle Linien weich sind, bis auf den festen Strich an fünfter Stelle auf dem Platz des Herrschers. Die Weichen halten zusammen, indem sie von dem festen Willen an leitender Stelle beeinflußt werden, der ihr Vereinigungsmittelpunkt ist.

Aber auch diese starke, leitende Persönlichkeit hält mit den andern zusammen, durch die sie eine Ergänzung zu ihrem eigenen Wesen findet.

DAS URTEIL

Das Zusammenhalten bringt Heil.
Ergründe das Orakel nochmals,
ob du Erhabenheit,
Dauer und Beharrlichkeit hast;
dann ist kein Makel da.
Die Unsicheren kommen
allmählich herbei.
Wer zu spät kommt, hat Unheil.

Es handelt sich darum, daß man sich mit andern zusammentut, um durch den Zusammenhalt sich gegenseitig zu ergänzen und zu fördern. Für einen solchen Zusammenhalt muß ein Mittelpunkt da sein, um den sich die andern scharen.

Mittelpunkt für das Zusammenhalten von Menschen zu werden, ist eine schwere Sache mit großer Verantwortung. Es bedarf innerlicher Größe, Konsequenz und Kraft dazu.

Darum prüfe sich selbst, wer andre um sich vereinigen will, ob er der Sache gewachsen ist; denn wer andre sammeln will ohne das Siegel des Berufenen, der richtet mehr Verwirrung an, als wenn kein Zusammenschluß stattgefunden hätte.

Wo aber ein wirklicher Sammlungspunkt vorhanden ist, da kommen die Unsicheren, anfangs noch Zögernden allmählich von selbst herbei. Die, die zu spät kommen, haben selbst den Schaden davon. Denn es handelt sich auch beim Zusammenhalten um die richtige Zeit.

Beziehungen knüpfen sich und festigen sich nach bestimmten inneren Gesetzen. Gemeinsame Erlebnisse festigen sie, und wer zu spät kommt und nicht mehr teilnehmen kann an diesen grundlegenden gemeinsamen Erfahrungen, der hat darunter zu leiden, wenn er als Nachzügler die Tür verschlossen findet.

Wer aber die Notwendigkeit des Zusammenschlusses erkannt hat und nicht die Kraft in sich fühlt, als Mittelpunkt des Zusammenhaltens zu wirken, der hat die Pflicht, sich einer andern organischen Gemeinschaft anzuschließen.

DAS BILD

Auf der Erde ist Wasser:
das Bild des Zusammenhaltens.
So haben die Könige der Vorzeit
die einzelnen Staaten als
Lehen vergeben und mit den Lehnsfürsten
freundlichen Verkehr gepflegt.

Das Wasser auf der Erde füllt alle Lücken aus und haftet fest an ihr. Die Gesellschaftsorganisation des Altertums war auf diesen Grundsatz des Zusammenhaltens zwischen Abhängigen und Herrscher gegründet. Das Wasser fließt von selbst zusammen weil es in allen seinen Teilen unter denselben Gesetzen steht.

So muß auch die menschliche Gesellschaft zusammenhalten durch eine Interessengemeinschaft, die jeden einzelnen sich als Glied eines Ganzen fühlen läßt.

Die Zentralgewalt eines gesellschaftlichen Organismus muß dafür sorgen, daß jedes Glied sein wahres Interesse im Zusammenhalten findet, wie das in dem väterlichen Verhältnis von Großkönig und Lehnsträgern im chinesischen Altertum der Fall war.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Halte wahr und treu zu ihm:
das ist kein Makel.
Wahrheit wie eine volle Tonschüssel:
so kommt schließlich  von außen her das Heil.

Wenn es sich um Anknüpfen von Beziehungen handelt, ist volle Wahrhaftigkeit die einzig richtige Grundlage.

Diese Gesinnung, die unter dem Bild einer gefüllten irdenen Schüssel dargestellt wird, bei der alles Gehalt, nichts leere Form ist, äußert sich nicht in klugen Worten, sondern durch die Kraft des Innern, und diese Kraft ist so stark, daß sie mit Macht das Heil von außen an sich zieht.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Halte zu ihm im Innern.
Beharrlichkeit bringt Heil.

Wenn man auf rechte und beharrliche Weise den Bitten, die von oben her zum Wirken uns auffordern, entgegenkommt, so sind die Beziehungen zum andern in erster Linie innerliche, man verliert sich selbst nicht. Wer aber streberhaft klebend Zusammenhalt sucht, der folgt nicht dem Pfad des Edlen; der seine Würde wahrt, sondern wirft sich weg.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Du hältst zusammen mit Menschen,
die nicht die rechten sind.

Man ist oft unter lauter Menschen, die nicht zur eigenen Sphäre gehören. Da darf man sich nicht zu einer falschen Vertraulichkeit durch die Macht der Gewohnheit hinreißen lassen. Daß das vom Übel wäre, bedarf nicht erst der Worte. Geselligkeit ohne Intimität ist solchen Leuten gegenüber das einzig Richtige; nur dadurch hält man sich frei für eine spätere Beziehung zu seinesgleichen.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Auch äußerlich halte zu ihm.
Beharrlichkeit bringt Heil.

Die Beziehungen zu einem Mann, der Mittelpunkt des Zusammenhaltens ist, sind hier schon fest geregelt. Da darf und soll man seine Anhänglichkeit auch offen zeigen. Man muß nur fest bleiben und darf sich durch nichts irremachen lassen.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Offenbarung des Zusammenhaltens.
Der König läßt bei der Jagd nur von drei
Seiten treiben und verzichtet auf
das Wild, das vorne abbiegt.
Die Bürger bedürfen nicht der Warnung.
Heil!

Bei den königlichen Treibjagden im alten China war es üblich daß das Wild von drei Seiten her angetrieben wurde. Auf der vierten Seite konnte das angetriebene Wild abbiegen. Soweit die Tiere hier nicht abbogen, mußten sie in ein Tor hinein, hinter dem der König jagdbereit stand.

Nur die Tiere wurden geschossen, die hier eindrangen. Die, welche vorne abbogen, ließ man laufen. Diese Sitte entsprach der königlichen Gesinnung, die aus der Jagd keine Schlächterei machen wollte, sondern nur das Wild zur Strecke brachte, das sich sozusagen freiwillig gestellt hatte.

Es zeigt sich hier ein Herrscher bzw. ein einflußreicher Mann, dem die Menschen zufallen. Wer zu ihm kommt, den nimmt er auf, wer nicht kommt, den läßt er laufen. Er bittet keinen, schmeichelt keinem: sie kommen alle von selbst.

Auf diese Weise bildet sich eine freie Abhängigkeit bei denen, die zu ihm halten. Die Leute brauchen sich nicht gewaltsam zusammenzunehmen, sondern können harmlos ihre Gesinnungen zeigen. Es bedarf keiner polizeilichen Veranstaltung. Sie sind ihrem Herrn von selber zugetan.

Auch für das Leben im allgemeinen gilt diese Freiheit. Man soll nicht um die Gunst der Menschen werben. Wenn man in sich die Reinheit und Kraft ausbildet, die nötig ist für einen Mittelpunkt der Sammlung, so kommen die Menschen von selbst, die einem bestimmt sind.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Er findet zum Zusammenhalten kein Haupt.
Unheil.

Das Haupt ist der Anfang. Ohne einen rechten Anfang gibt es kein rechtes Ende. Wenn man den Anschluß verpaßt hat und nun immer zögert, vor voller, wahrer Hingabe sich scheuend, so wird man zu spät seinen Fehler bereuen.

Top

I Ching | Hexagram 9

9. Siau Tschu
Des Kleinen Zähmungskraft

oben Sun, das Sanfte, der Wind
unten Kiën, das Schöpferische, der Himmel

Das Zeichen bedeutet das Kleine, die Kraft des Schattigen, die zurückhält, zähmt, hemmt. Auf dem vierten Platz, dem Platz des Ministers, ist ein schwacher Strich, der die ganzen übrigen starken Striche im Zaume hält. Vom Bild aus betrachtet, ist es der Wind, der oben am Himmel weht.

Er hemmt den aufsteigenden Atem des Schöpferischen, die Wolken, so daß sie sich verdichten. Aber er ist nicht sofort stark genug, sie zum Niederschlag zu bringen.

Das Zeichen gibt eine Konstellation, da vorübergehend durch Schwaches ein Starkes im Zaum gehalten wird. Das kann nur durch Sanftheit geschehen, wenn es von Erfolg begleitet sein soll.

DAS URTEIL

Des Kleinen Zähmungskraft hat Gelingen.
Dichte Wolken, kein Regen
von unserm westlichen Gebiet.

Das Gleichnis stammt aus der Lage der Verhältnisse in China zur Zeit des Königs Wen. Er stammte aus Westen, war aber damals im Osten am Hof des Großkönigs, des Tyrannen Dschou Sin. Die Zeit zum Handeln im großen war noch nicht gekommen.

Er konnte den Tyrannen nur durch gütliches Zureden einigermaßen im Zaum halten. Daher das Bild, daß reichliche Wolken aufsteigen, die dem Land Feuchtigkeit und Segen versprechen, zunächst aber noch kein Regen fällt.

Die Situation ist nicht ungünstig. Es ist Aussicht auf schließlichen Erfolg da. Aber es stehen noch Hindernisse im Weg. Man kann erst Vorarbeiten tun. Nur durch kleine Mittel gütlichen Zuredens kann man wirken. Die Zeit des Durchgreifens im großen ist noch nicht da.

Aber es gelingt wenigstens, in beschränktem Umfang hemmend und zähmend zu wirken. Dabei ist feste Entschlossenheit im Innern und sanfte Anpassung im Äußern nötig, um seinen Willen durchzusetzen.

DAS BILD

Der Wind fährt über den Himmel hin:
das Bild der Zähmungskraft des Kleinen.
So verfeinert der Edle
die äußere Form seines Wesens.

Der Wind treibt die Wolken am Himmel zwar zusammen, aber weil er nur Luft ist ohne festen Körper, bringt er keine großen, dauernden Wirkungen hervor.

So bleibt dem Menschen in Zeiten, da eine große Wirkung nach außen nicht möglich ist, auch nur übrig, daß er im kleinen sein Wesen in seinen Äußerungen verfeinert.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Wiederkehr auf den Weg.
Wie wäre das ein Makel!
Heil!

In der Natur des Starken liege es, voran zu drängen. Damit begibt er sich aber in den Hemmungsbereich. Darum kehrt er auf den seiner Lage entsprechenden Weg zurück, auf dem er frei ist im Fortschritt und Rückzug. Das ist gut und vernünftig, daß man nichts mit Gewalt erzwingen will, und bringt der Natur der Sache nach Heil.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Läßt sich mitziehen zur Wiederkehr.
Heil!

Man möchte an sich voran. Aber ehe man noch weiterkommt, sieht man an dem Beispiel anderer gleichgearteter Menschen, daß dieser Weg behindert ist.

Ein vernünftiger, entschlossener Mensch wird in einem solchen Fall sich nicht erst selbst einer persönlichen Zurückweisung aussetzen, sondern sich mit den andern Gleichgesinnten zurückziehen, wenn das Streben nach vorwärts der Zeit nicht entspricht. Das bringt Heil, weil er sich auf diese Weise nicht selbst preisgibt.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Dem Wagen springen die Speichen ab.
Mann und Frau verdrehen die Augen.

Hier wird der Versuch gemacht, gewaltsam vorzudringen, im Bewußtsein davon, daß die hemmende Macht nur gering ist. Allein da den Umständen entsprechend das Schwache tatsächlich die Macht besitzt, so muß dieser Überrumpelungsversuch mißlingen.

Äußere Umstände verhindern den Fortschritt wie ein Wagen nicht vorankommt, wenn ihm die Speichen abspringen. Diesem Wink des Schicksals fügt man sich noch nicht. Deshalb gibt es ärgerliche Auseinandersetzungen wie zwischen zwei Eheleuten.

Das ist natürlich kein günstiger Zustand; denn wenn infolge der Lage dem schwächeren Teil auch das Festhalten gelingt, so sind doch zu viele Schwierigkeiten damit verbunden, als daß es erfreulich wirken könnte.

Infolge davon kann auch der Starke seine Kraft nicht zum richtigen Einfluß auf seine Umgebung gebrauchen. Er hat eine Zurückweisung erfahren, wo er einen leichten Sieg erhoffte; damit hat er sich etwas vergeben.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Bist du wahrhaftig, so schwindet
Blut und weicht Angst.
Kein Makel.

In schwerer, verantwortungsvoller Stellung soll man den Mächtigen, dem man leitend zur Seite steht, so zähmen, daß das Rechte geschieht. Darin liegt eine große Gefahr, die selbst Blutvergießen befürchten läßt. Aber die Macht selbstloser Wahrheit ist größer als alle diese Hindernisse.

Sie macht solchen Eindruck, daß man seine Bemühungen erfolgreich zu Ende bringt und alle Gefahr des Blutvergießens und alle Angst schwinden.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Bist du wahrhaftig und treu verbunden,
so bist du reich in deinem Nächsten.

Die Treue führt zu fester Bindung, weil sie auf gegenseitiger Ergänzung beruht. Beim schwächeren Teil besteht die Treue in Hingebung, beim stärkeren Teil in Zuverlässigkeit.

Diese gegenseitige Ergänzung führt zu wahrem Reichtum, der dadurch erst recht sich zeigt, daß man ihn nicht einzeln für sich behält, sondern mit seinem Nächsten gemeinsam hat. Geteilte Freude ist doppelte Freude.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Es kommt zum Regen, es kommt zur Ruhe.
Das ist der dauernden Wirkung
des Charakters zu verdanken.
Die Frau kommt durch Beharrlichkeit in Gefahr.
Der Mond ist fast voll. Macht der Edle fort,
so kommt Unheil.

Der Erfolg ist da. Der Wind hat den Regen zusammengetrieben. Ein fester Standpunkt ist erreicht. Das ist zustande gekommen durch allmähliche Zusammenhäufung kleiner Wirkungen, die sich aus der Verehrung für einen überlegenen Charakter ergeben. Ein solcher Stück für Stück zusammengetragener Erfolg bedarf aber sehr der Vorsicht.

Wollte man sich nun der Einbildung hingeben, daß man auf ihn pochen könnte, so wäre das gefährlich. Das Weibliche, Schwache, das den Sieg erlangt hat, darf sich nie hartnäckig darauf berufen. Das brächte Gefahr. Die schattige Kraft im Mond ist am stärksten, wenn er beinahe voll ist.

Steht er als Vollmond der Sonne direkt gegenüber, so ist seine Abnahme unvermeidlich. In solchen Verhältnissen muß man sich mit dem Erreichten begnügen. Weiterschreiten, ehe die Zeit dazu gekommen ist, brächte Unheil.

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I Ching | Hexagram 1010. Lü
Das Auftreten

oben Kiën, das Schöpferische, der Himmel
unten Dui, das Heitere, der See

Das Auftreten bedeutet einerseits die richtige Art, sich zu benehmen. Oben ist der Himmel, der Vater, unten ist der See, die jüngste Tochter. Das zeigt den Unterschied von hoch und niedrig, wie er der Sitte Stille, dem richtigen Auftreten in der Gesellschaft zugrunde liegt.

Auftreten heißt wörtlich: treten auf etwas. Das kleine Heitere tritt auf das große Starke. Die Bewegungsrichtung beider Urzeichen ist nach oben. Daß das Starke auf das Schwache tritt, ist etwas Selbstverständliches, das im Buch der Wandlungen nicht besonders erwähnt wird.

Das Auftreten des Schwachen dem Starken gegenüber ist deshalb nicht gefährlich, weil es in Heiterkeit geschieht, ohne Anmaßung, so daß der Starke nicht gereizt wird und es sich gutmütig gefallen läßt.

DAS URTEIL

Auftreten auf des Tigers Schwanz.
Er beißt den Menschen nicht. Gelingen.

Die Lage ist eigentlich schwierig. Stärkstes und Schwächstes ist unmittelbar beisammen. Das Schwache geht hinter dem Starken her und macht sich mit ihm zu schaffen. Aber das Starke läßt es sich gefallen und tut ihm nichts zuleide, denn die Berührung ist heiter und nicht verletzend.

Die menschliche Lage ist, daß man es mit wilden, unzugänglichen Menschen zu tun hat. Man erreicht in diesem Falle seinen Zweck, wenn man sich in seinem Auftreten an die gute Sitte hält. Gute, angenehme Formen des Auftretens führen auch reizbaren Menschen gegenüber zum Gelingen.

DAS BILD

Oben der Himmel, unten der See:
das Bild des Auftretens.
So unterscheidet der Edle hoch und niedrig
und festigt dadurch den Sinn des Volkes.

Himmel und See zeigen einen Höhenunterschied, der durch ihr Wesen von selbst gekommen ist und daher durch keinerlei Neid getrübt wird. So muß es auch in der Menschheit Höhenunterschiede geben. Eine allgemeine Gleichheit ist unmöglich durchzuführen.

Es handelt sich aber darum, daß die Rangunterschiede in der menschlichen Gesellschaft nicht willkürlich und ungerecht sind; denn dann ist Neid und Klassenkampf die unausbleibliche Folge.

Wenn dagegen die äußeren Rangunterschiede einer inneren Berechtigung entsprechen und innere Würdigkeit der Maßstab für den äußeren Rang ist, dann beruhigen sich die Menschen dabei, und die Gesellschaft kommt in Ordnung.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Einfaches Auftreten.
Fortschreiten ohne Makel.

Man befindet sich in einer Lage, in der man noch nicht gebunden ist durch die Verpflichtungen des Verkehrs. Wenn man einfach auftritt, bleibt man frei von gesellschaftlichen Verpflichtungen und kann ruhig den Neigungen des eigenen Herzens folgen, da man keine Anforderungen an die Menschen stellt, sondern zufrieden ist.

Das Auftreten bedeutet nicht Stehenbleiben, sondern Fortschreiten. Man befindet sich in ganz geringer Anfangsstellung. Aber man besitzt die innere Stärke, die den Fortschritt verbürgt. Wenn man sich mit der Einfachheit zufrieden gibt, so kann man fortschreiten ohne Makel.

Wenn jemand sich nicht in bescheidenen Verhältnissen beruhigen kann, so will er voran und ist streberisch und unruhig, weil er durch sein Auftreten der Niedrigkeit und Armut entgehen will, nicht weil er etwas leisten will.

Hat er sein Ziel erreicht, so wird er sicher hochmütig und üppig. Darum ist sein Fortschreiten mit Makel behaftet. Der Tüchtige dagegen ist zufrieden bei einfachem Auftreten. Er will fortschreiten, um etwas zu leisten. Hat er dann sein Ziel erreicht, so leistet er etwas, und alles ist gut.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Auftreten auf schlichter, ebener Bahn.
Eines dunklen Mannes
Beharrlichkeit bringt Heil.

Es ist hier die Lage eines einsamen Weisen gezeichnet. Er hält sich von dem Weltgetriebe fern, sucht nichts, will von niemandem etwas und läßt sich nicht blenden von verlockenden Zielen.

Er ist sich selbst treu und wandelt so auf ebener Straße unangefochten durchs Leben. Weil er genügsam ist und das Schicksal nicht herausfordert, bleibt er frei von Verwicklungen.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Ein Einäugiger kann sehen,
ein Lahmer kann auftreten.
Er tritt auf des Tigers Schwanz.
Der beißt den Menschen.Unheil!
Ein Krieger handelt so
für seinen großen Fürsten.

Ein Einäugiger kann wohl sehen, aber es reicht ihm nicht zum klaren Sehen. Ein Lahmer kann wohl auftreten, aber es reicht ihm nicht zum Vorankommen. Wenn jemand mit solchen Schwächen sich dennoch für stark hält und sich demgemäß in Gefahr begibt, so zieht er sich Unheil zu.

Denn er begeht etwas, das über seine Kraft geht. Diese tollkühne Art, ohne Rücksicht auf die eigenen Kräfte voranzustürmen, mag höchstens für einen Krieger, der für seinen großen Fürsten kämpft, hingehen.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Er tritt auf des Tigers Schwanz.
Vorsicht und Behutsamkeit
führt endlich zum Heil.

Es handelt sich um eine gefährliche Unternehmung. Es ist die innere Kraft vorhanden, sie zu bestehen. Aber die innere Kraft verbindet sich nach außen hin mit zögernder Vorsicht, im Gegensatz zur vorigen Linie, die innerlich schwach ist, aber nach außen hin vorandrängt.

So ist der schließliche Erfolg sicher, der darin besteht, daß man seinen Willen erreicht, nämlich durch Weiterschreiten die Gefahr überwindet.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Entschlossenes Auftreten.
Beharrlichkeit bei Bewußtsein der Gefahr.

Es handelt sich um den Herrn des ganzen Zeichens. Man sieht sich genötigt zu entschlossenem Auftreten. Dabei muß man sich aber der Gefahr bewußt bleiben, die mit solch einem entschlossenen Auftreten verbunden ist, namentlich, wenn man beharrlich dabei bleibt. Nur das Bewußtsein der Gefahr ermöglicht das Gelingen.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Blicke auf dein Auftreten
und prüfe die günstigen Zeichen.
Ist alles vollkommen,
so kommt erhabenes Heil.

Das Werk ist zu Ende. Will man wissen, ob das Heil die Folge sein wird, so blicke man auf sein Auftreten zurück und auf die Folgen, die es gehabt hatte.

Sind die Wirkungen gut, so ist das Heil gewiß. Niemand kennt sich selbst. Nur aus den Folgen seines Tuns, aus den Früchten der Werke läßt sich ermessen, was man zu erwarten hat.

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I Ching | Hexagram 1111. Tai
Der Friede

oben Kun, das Empfangende, die Erde
unten Kiën, das Schöpferische, der Himmel

Das Empfangende, dessen Bewegung sich nach unten senkt, ist oben, das Schöpferische, dessen Bewegung nach oben steigt ist unten. Ihre Einflüsse begegnen daher einander und sind in Harmonie, so daß alle Wesen blühen und gedeihen.

Das Zeichen ist dem ersten Monat (Februar-März) zugeordnet, in dem die Kräfte der Natur den neuen Frühling vorbereiten.

DAS URTEIL

Der Friede.
Das Kleine geht hin,
das Große kommt her.
Heil! Gelingen!

Das Zeichen deutet in der Natur auf eine Zeit, da sozusagen der Himmel auf Erden ist. Der Himmel hat sich unter die Erde gestellt. So vereinigen sich ihre Kräfte in inniger Harmonie. Dadurch entsteht Friede und Segen für alle Wesen.

In der Menschenwelt ist es ein Zeit gesellschaftlicher Eintracht. Die Hohen neigen sich zu den Niedrigen herab, und die Niedrigen und Geringen sind den Hohen freundlich gesinnt, so daß alle Fehde ein Ende hat.

Innen, im Zentrum, am ausschlaggebenden Platz, ist das Lichte; das Dunkle ist draußen. So hat das Licht kräftige Wirkung, und das Dunkle ist nachgiebig. Auf diese Weise kommen beide Teile auf ihre Rechnung.

Wenn die Guten in der Gesellschaft in zentraler Stellung sind und die Herrschaft in Händen haben, so kommen auch die Schlechten unter ihren Einfluß und bessern sich. Wenn im Menschen der vom Himmel kommende Geist herrscht, da kommt auch die Sinnlichkeit unter seinen Einfluß und findet so den ihr gebührenden Platz.

Die einzelnen Linien treten von unten her in das Zeichen ein und verlassen es oben wieder. Es sind also die Kleinen, Schwache, Schlechten im Weggang begriffen, und die Großen, Starken, Guten sind im Aufstieg. Das bringt Heil und Gelingen.

DAS BILD

Himmel und Erde vereinigen sich:
das Bild des Friedens.
So teilt und vollendet der Herrscher
den Lauf von Himmel und Erde,
verwaltet und ordnet die Gaben
von Himmel und Erde
und steht so dem Volke bei.

Himmel und Erde stehen im Verkehr und vereinigen ihre Wirkungen. Das gibt eine allgemein Zeit des Blühens und Gedeihens. Dieser Kraftstrom muß vom Herrscher der Menschen geregelt werden.

Das geschieht durch Einteilung. So wird die unterschiedslose Zeit entsprechend der Folge ihrer Erscheinungen vom Menschen in Jahreszeiten eingeteilt und der allumgebende Raum durch menschliche Festsetzungen in Himmelsrichtungen unterschieden.

Auf diese Weise wird die Natur mit ihrer überwältigenden Fülle der Erscheinungen beschränkt und gebändigt. Auf der andern Seit muß die Natur in ihren Hervorbringungen gefördert werde.

Das geschieht, wenn man die Erzeugnisse der richtigen Zeit und dem richtigen Ort anpaßt. Dadurch wird der natürliche Ertrag gesteigert. Diese bändigende und fördernde Tätigkeit der Natur gegenüber ist die Arbeit an der Natur, die dem Menschen zugute kommt.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Zieht man Bandgras aus, so geht der Rasen mit.
Jeder nach seiner Art.
Unternehmungen bringen Heil.

In Zeiten der Blüte zieht jeder tüchtige Mann, der auf einen Posten berufen wird, sofort andere Gleichgesinnte nach sich, wie man beim Herausziehen von Bandgras immer gleich mehrere durch die Wurzeln miteinander zusammenhängende Stengel mit herauszieht.

Der Sinn des Tüchtigen ist in solchen Zeiten, da die Wirkung im Großen möglich ist, darauf gerichtet, ins Leben hinauszuziehen und etwas zu leisten.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Die Ungebildeten in Milde tragen,
entschlossen den Fluß durchschreiten,
das Ferne nicht vernachlässigen,
die Genossen nicht berücksichtigen:
so mag man es fertigbringen,
in der Mitte zu wandeln.

In Zeiten der Blüte ist es vor allem wichtig, daß man die innere Große besitzt, auch die Unvollkommenen zu tragen. Denn ein großer Meister kennt kein unfruchtbares Material.

Er kann aus allem noch etwas machen. Diese Weitherzigkeit ist aber keineswegs Nachlässigkeit oder Schwäche. Man muß gerade in Blütezeiten stets bereit sein, auch gefährliche Unternehmungen, wie das Überschreiten eines Flusses, zu wagen, wenn sie notwendig sind.

Ebenso gilt es nicht, das Entfernte zu vernachlässigen, sonder mit Pünktlichkeit alles zu besorgen. Vor Parteiungen und Cliquenwirtschaft hat man sich besonders zu hüten.

Denn wenn auch die Gleichgesinnten zusammen hervortreten, dürfen sie doch nicht durch gegenseitiges Zusammenhalten eine Partei bilden, sondern es muß jeder seine Pflicht tun.

Diese vier Dinge sind es, durch die man die verborgene Gefahr allmählichen Erschlaffens, die in jeder Friedenszeit lauert, überwinden kann, und auf diese Weise findet man die rechte Mitte des Handelns.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Keine Ebene, auf die nicht ein Abhang folgt,
kein Hingang, auf den nicht die Wiederkehr folgt.
Ohne Makel ist, wer beharrlich bleibt in Gefahr.
Beklage dich nicht über diese Wahrheit,
genieße das Glück, das du noch hast.

Alles Irdische ist dem Wechsel unterworfen. Auf Blüte folgt Niedergang. Das ist das ewige Gesetz auf Erden. Das Schlechte kann wohl zurückgedrängt, aber nicht dauern beseitigt werden.

Es kommt wieder. Diese Überzeugung könnte einen schwermütig machen. Aber das soll sie nicht. Sie soll nur bewirken, daß man im Glück nicht in Verblendung gerät.

Bleibt man der Gefahr eingedenk, so bleibt man beharrlich und macht keinen Fehler. Solange das innere Wesen stärker und voller bleibt als das äußere Glück, solange wir innerlich dem Schicksal überlegen bleiben, solange bleibt das Glück uns treu.I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Er flattert hernieder,
nicht pochend auf Reichtum,
zusammen mit seinem Nächsten,
arglos und wahrhaftig.

In Zeiten gegenseitigen Vertrauens kommen die Hohen ganz einfach, und ohne auf ihren Reichtum zu pochen, gemeinsam zu den Niedrigen. Das ist nicht Zwang der Umstände, sondern entspricht der innersten Gesinnung. Dann macht sich die Annäherung ganz zwanglos, weil sie auf innerer Überzeugung beruht.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Der Herrscher I gibt seine Tochter in die Ehe.
Das bringt Segen und erhabenes Heil.

Der Herrscher I ist Tang, der Vollender. Er hatte bestimmt, daß die kaiserlichen Prinzessinnen, trotzdem sie im Rang höher standen als die Gatten, denen sie vermählt wurden, ebenso ihren Gatten zu gehorchen hatten wie andere Ehefrauen. Auch hier ist auf wirklich bescheidene Vereinigung von hoch und niedrig hingewiesen, die Glück und Segen bringt.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Der Wall fällt wieder in den Graben.
Jetzt brauche keine Heere.
In der eigenen Stadt verkünde deine Befehle.
Beharrlichkeit bringt Beschämung.

Der schon in der Mitte des Zeichens angedeutete Wechsel ist eingetreten. Der Stadtwall sinkt wieder in den Graben zurück, aus dem er gekommen war. Das Verhängnis bricht herein.

In diesem Fall gilt es, sich dem Schicksal zu fügen und nicht durch gewaltsamen Widerstand das Schicksal aufhalten zu wollen.

Das Einzige, was übrig bleibt, ist, im engsten Kreis sich zu wahren. Wollte man auf dem üblichen Weg beharrlich dem Übel widerstreben, so würde der Zusammenbruch nur schlimmer, und Beschämung wäre die Folge.

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I Ching | Hexagram 12

12. Pi
Die Stockung

oben Kiën, das Schöpferische, der Himmel
unten Kun, das Empfangende, die Erde

Das Zeichen ist das gerade Gegenteil des vorigen. Der Himmel oben zieht sich immer weiter zurück, die Erde unten sinkt immer weiter in die Tiefe. Die schöpferischen Kräfte stehen außer Beziehung.

Es ist die Zeit der Stockung und des Niedergangs. Das Zeichen ist dem siebenten Monat (August-September) beigeordnet, wenn das Jahr seinen Höhepunkt überschritten hat und das herbstliche Welken sich vorbereitet.

DAS URTEIL

Die Stockung.
Schlechte Menschen sind nicht fördernd
für die Beharrlichkeit des Edlen.
Das Große geht hin, das Kleine kommt herbei.

Himmel und Erde stehen außer Verkehr, und alle Dinge erstarren. Obere und Untere stehen außer Beziehung, und auf Erden herrscht Verwirrung und Unordnung.

Innen ist das Dunkle, und das Lichte ist außen. Innen ist Schwäche, außen ist Härte, innen sind die Gemeinen, und die Edlen sind außen.

Die Art der Gemeinen ist im Aufsteigen, die Art der Edlen ist im Abnehmen. Aber die Edlen lassen sich in ihren Grundsätzen nicht beirren.

Wenn sie die Möglichkeit des Wirkens nicht mehr haben, so bleiben sie diesen Grundsätzen doch treu und ziehen sich in die Verborgenheit zurück.

DAS BILD

Himmel und Erde vereinigen sich nicht:
das Bild der Stockung.
So zieht sich der Edle auf
seinen inneren Wert zurück,
um den Schwierigkeiten zu entgehen.
Er läßt sich nicht durch Einkünfte ehren.

Wenn gegenseitiges Mißtrauen im öffentlichen Leben herrscht infolge des Einflusses, den die Gemeinen haben, so ist eine fruchtbare Wirksamkeit unmöglich, weil die Grundlage falsch ist. Darum weiß der Edle, was er unter solchen Umständen zu tun hat.

Er läßt sich nicht durch glänzende Angebote zur Teilnahme an der öffentlichen Wirksamkeit verleiten, die für ihn, da er die Gemeinheit der andern nicht mitmachen kann, doch nur gefährlich wäre. Darum verbirgt er seinen Wert und zieht sich in die Verborgenheit zurück.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Zieht man Bandgras aus,
so geht der Rasen mit.
Jeder nach seiner Art.
Beharrlichkeit bringt Heil und Gelingen.

Der Text ist beinahe derselbe wie bei der ersten Linie des letzten Zeichens, nur im umgekehrten Sinn. Dort zieht einer den andern nach sich auf dem Weg in die amtliche Laufbahn. Hier zieht einer den andern mit in den Rückzug aus der Öffentlichkeit.

Darum heißt es hier nicht Unternehmungen bringen Heil, sondern Beharrlichkeit bringt Heil und Gelingen.

Nur dadurch daß man versteht, wenn die Wirkungsmöglichkeiten nicht mehr da sind, sich rechtzeitig zurückzuziehen, erspart man sich die Beschämung und hat in höherem Sinne Gelingen, indem man seine Persönlichkeit in ihrem Wert zu wahren weiß.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Sie tragen und dulden,
das bedeutet für die Gemeinen Heil.
Dem großen Mann
dient die Stockung zum Gelingen.

Die Gemeinen sind bereit, in kriecherischer Weise ihren Vorgesetzten zu schmeicheln. Sie würden auch den Edlen dulden, wenn er ihnen behilflich wäre, die Verwirrung zu lösen.

Das ist für sie heilbringend. Aber der große Mann trägt ruhig die Folgen der Stockung. Er mischt sich nicht in die Scharen der Gemeinen. Dort ist sein Platz nicht. Dadurch schafft er, indem er persönlich zu leiden hat, seinen Grundsätzen Erfolg.
I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Sie tragen Scham.

Die Gemeinen, die auf unrechtmäßige Weise emporgekommen sind, fühlen sich der Verantwortung, die sie auf sich genommen haben, nicht gewachsen. Sie beginnen – zunächst noch, ohne es nach außen hin zu zeigen –, im stillen sich zu schämen. Das ist der Anfang der Wendung zum Besseren.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Wer auf Befehl des Höchsten wirkt,
bleibt ohne Makel.
Die Gleichgesinnten genießen des Segens.

Die Zeit der Stockung naht sich dem Umschlag. Wer wieder Ordnung schaffen will, muß dazu berufen sein und das nötige Ansehen besitzen. Wer sich nach eignem Gutdünken zum Ordner aufwerfen wollte, könnte Fehler und Mißerfolge wirken. Wer aber berufen ist, dem kommen die Zeitverhältnisse entgegen, und sein Segen wird allen Gleichgesinnten zuteil.
I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Die Stockung läßt nach.
Dem großen Manne Heil!
Wenn es mißlänge, wenn es mißlänge
Daher bindet er es an
ein Bündel von Maulbeerstauden.

Die Zeit ändert sich. Der rechte Mann ist gekommen, der wieder Ordnung schaffen kann. Darum Heil! Aber gerade in solchen Übergangszeiten ist Furcht und Zittern nötig. Nur durch die äußerste Besorgtheit, die dauernd denkt: Wenn es mißlänge, wird der Erfolg befestigt.

Wenn eine Maulbeerstaude abgeschnitten wird, so sprossen aus der Wurzel eine Reihe von Schößlingen, die besonders fest sind. Daher ist die Festigung des Erfolges unter dem Bild des Anbindens an Maulbeerstauden symbolisiert.

Konfuzius sagt darüber:

Gefahr entsteht, wo einer sich auf seinem Platz sicher fühlt. Untergang droht, wo einer seinen Bestand zu wahren sucht. Verwirrung entsteht, wo einer alles in Ordnung hat.

Darum vergißt der Edle, wenn er sicher ist, nicht der Gefahr, wenn er besteht, nicht des Untergangs, und wenn er Ordnung hat, nicht der Verwirrung. Dadurch kommt er persönlich in Sicherheit, und das Reich wird gewahrt.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Die Stockung hört auf.
Erst Stockung, dann Heil!

Die Stockung dauert nicht ewig. Allerdings hört sie nicht von selber auf, sondern es bedarf des rechten Mannes, um ihr ein Ende zu bereiten. Das ist der Unterschied des Friedens und der Stockung. Der Friede bedarf dauernder Anstrengung, um festgehalten zu werden.

Sich selbst überlassen, würde er sich in Stockung und Niedergang verwandeln. Die Niedergangszeit verwandelt sich nicht von selbst in Frieden und Blüte, sondern sie bedarf der Anstrengung, um beseitigt zu werden.

Hierin ist die schöpferische Stellung des Menschen gekennzeichnet, die nötig ist, damit die Welt in Ordnung kommt.

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I Ching | Hexagram 1313. Tung Jen
Gemeinschaft mit Menschen

oben Kiën, das Schöpferische, der Himmel
unten Li, das Haftende, das Feuer

Das Bild des oberen Urzeichens, Kiën, ist der Himmel, das des unteren, Li, ist die Flamme. Die Natur des Feuers ist es, emporzulodern zum Himmel. Das gibt die Idee der Gemeinschaft. Die zweite Linie ist es, die durch ihr zentrales Wesen die fünf starken um sich vereint.

Das Zeichen ist das Gegenstück zu Nr. 7, das Heer. Dort: innen Gefahr, außen Gehorsam als Wesen des kriegerischen Heeres, das zu seinem Zusammenhalt des einen Starken unter den vielen Schwachen bedarf.

Hier: innen Klarheit, außen Stärke, als Wesen der friedlichen Vereinigung der Menschen, die zu ihrem Zusammenhalt des einen Weichen unter den vielen Festen bedarf.

DAS URTEIL

Gemeinschaft mit Menschen im Freien: Gelingen.
Fördernd ist es, das große Wasser zu durchqueren.
Fördernd ist des Edlen Beharrlichkeit.

Die wirkliche Gemeinschaft der Menschen muß auf Grund einer kosmischen Anteilnahme zustande kommen. Nicht Sonderzwecke des Ichs, sondern Menschheitsziele bringen dauernde Gemeinschaft unter Menschen hervor; darum heißt es: Gemeinschaft mit Menschen im Freien hat Gelingen.

Wenn solche Einigkeit herrscht, dann lassen sich auch schwierige und gefährliche Aufgaben, wie das Durchqueren des großen Wassers, vollbringen.

Um aber solche Gemeinschaft zuwege bringen zu können, bedarf es eines beharrlichen und aufgeklärten Führers, der klare, einleuchtende und begeisternde Ziele hat und sie mit Kraft durchzuführen weiß. (Das innere Zeichen bedeutet Klarheit, das äußere Stärke.)

DAS BILD

Der Himmel zusammen mit Feuer:
das Bild der Gemeinschaft mit Menschen.
So gliedert der Edle die Stämme
und unterscheidet die Dinge.

Der Himmel hat dieselbe Bewegungsrichtung wie das Feuer und ist doch von ihm unterschieden. Wie die leuchtenden Körper am Himmel zur Gliederung und Einteilung der Zeit dienen, so müssen auch die menschliche Gesellschaft und alle wirklich zusammengehörigen Dinge organisch gegliedert sein.

Die Gemeinschaft soll nicht Vermischung der Einzelnen und Vermischung der Dinge sein – das wäre Chaos, nicht Gemeinschaft, sondern sie bedarf der gegliederten Mannigfaltigkeit, um zur Ordnung zu führen.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Gemeinschaft mit Menschen im Tore.
Kein Makel.

Der Beginn einer Vereinigung von Menschen soll vor der Tür stattfinden. Alle stehen einander gleich nahe. Irgendwelche Sonderbestrebungen bestehen noch nicht.

So macht man keinen Fehler. Die Grundlagen jeder Vereinigung müssen allen Beteiligten in gleicher Weise zugänglich sein. Geheimabmachungen bringen Unheil.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Gemeinschaft mit Menschen im Klan:
Beschämung.

Hier ist die Gefahr einer Sonderpartei auf Grund von persönlichen und selbstsüchtigen Interessen.

Solche Parteiungen, die ausschließend sind und nicht für alle Raum haben, die einen Teil der Menschen verdammen müssen, um die übrigen zusammenzuscharen, entstehen aus niedrigen Motiven und führen daher auf die Dauer zu Beschämung.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Versteckt Waffen im Dickicht,
steigt auf den hohen Hügel davor.
Drei Jahre lang erhebt er sich nicht.

Hier ist die Gemeinschaft in Mißtrauen umgeschlagen. Man mißtraut den andern, legt geheimen Hinterhalt und sucht von ferne den andern auszuspähen.

Man hat es mit einem harten Gegner zu tun, dem auf diese Weise nicht beizukommen ist. Es sind hier Hemmungen gezeigt, die der Gemeinschaft mit anderen im Wege stehen.

Man hat selbst Hintergedanken und sucht den andern gelegentlich zu überrumpeln. Aber gerade das macht mißtrauisch, man sucht dieselben

Hinterlisten auch beim Gegner und sucht sie auszuspionieren. Infolge davon entfernt man sich von wahrer Gemeinschaft immer mehr. Je länger es dauert, desto mehr entfremdet man sich.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Er steigt auf seine Mauer,
er kann nicht angreifen.
Heil!

Hier rückt die Versöhnung nach der Entzweiung näher. Zwar sind noch trennende Mauern da, auf denen man sich gegenübersteht. Aber die Schwierigkeiten sind zu groß. Man kommt in Not, und durch die Not kommt man zur Besinnung. Man kann nicht kämpfen, aber gerade darauf beruht das Heil.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Die gemeinsamen Menschen weinen
erst und klagen, aber nachher lachen sie.
Nach großen Kämpfen gelingt
es ihnen, sich zu treffen.

Es sind zwei Menschen äußerlich getrennt, aber im Herzen vereint. Sie sind durch ihre Stellung im Leben auseinandergehalten. Dazwischen erheben sich viele Hindernisse und Hemmungen, die sie trauern machen.

Aber sie lassen sich durch kein Hindernis scheiden, sondern bleiben einander treu. Und obwohl die Überwindung dieser Hindernisse schwere Kämpfe kostet, so werden sie doch siegen, und dann wird ihre Traurigkeit in Freude sich verwandeln, wenn sie sich finden.

Kungtse sagt darüber:

Das Leben führt den ernsten Mann auf bunt verschlungnem Pfade. Oft wird gehemmt des Laufes Kraft, dann wieder geht’s gerade. Hier mag sich ein beredter Sinn in Worten frei ergießen.

Dort muß des Wissens schwere Last in Schweigen sich verschließen. Doch wo zwei Menschen einig sind in ihrem innern Herzen. Da brechen sie die Stärke selbst von Eisen oder Erzen. Und wo zwei Menschen sich im innern Herzen ganz verstehn. Sind ihre Worte süß und stark wie Duft von Orchideen.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Gemeinschaft mit Menschen auf dem Anger:
keine Reue.

Es fehlt hier der warme Anschluß des Herzens. Man steht eigentlich schon außerhalb der Gemeinschaft mit anderen. Aber man schließt sich an. Die Gemeinschaft umfaßt nicht alle, sondern nur die äußerlich beisammen Wohnenden.

Der Anger ist die Weide vor der Stadt. Das letzte Ziel der Vereinigung der Menschheit ist hier noch nicht erreicht. Doch braucht man sich keine Vorwürfe zu machen. Man schließt sich der Gesellschaft an, ohne Sonderzwecke.

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I Ching | Hexagram 1414. Da Yu
Der Besitz von Großem

oben Li, das Haftende, das Feuer
unten Kiën, das Schöpferische, der Himmel

Das Feuer am Himmel oben strahlt weit, so daß alle Dinge ins Licht und in die Erscheinung treten. Die schwache fünfte Linie befindet sich auf geehrtem Platz, und alle die starken Striche entsprechen ihr. Wer auf hohem Platz bescheiden und mild ist, dem fällt alles zu.

DAS URTEIL

Der Besitz von Großem:
Erhabenes Gelingen!

Die beiden Urzeichen zeigen an, daß Kraft und Klarheit sich vereinigen. Der Besitz von Großem ist vom Schicksal bestimmt und entspricht der Zeit. Wie ist es möglich, daß die schwache Linie die Kraft hat, die Starken festzuhalten und zu besitzen?

Durch ihre uneigennützige Bescheidenheit. Es ist eine günstige Zeit. Stärke im Innern und Klarheit und Bildung im Äußern. Die Kraft äußert sich fein und beherrscht. Das gibt erhabenes Gelingen und Reichtum.

DAS BILD

Das Feuer am Himmel oben:
das Bild des Besitzes von Großem.
So hemmt der Edle das Böse
und fördert das Gute
und gehorcht so
des Himmels gutem Willen.

Die Sonne droben am Himmel, die alles Irdische bescheint, ist das Bild des Besitzes im Großen. Aber ein solcher Besitz muß recht verwaltet werden. Die Sonne bringt das Böse und das Gute an den Tag.

Vom Menschen muß das Böse bekämpft und gehemmt, das Gute gefördert und begünstigt werden. Nur auf diese Weise entspricht man dem guten Willen Gottes, der nur das Gute will und nicht das Böse.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Keine Beziehung zu Schädlichem,
das ist nicht ein Makel.
Bleibt man der Schwierigkeit bewußt,
so bleibt man ohne Makel.

Großer Besitz, der noch im Anfangsstadium ist und noch keine Anfechtung erfahren hat, ist ohne Makel; denn es ist noch gar keine Gelegenheit vorhanden, Fehler zu machen. Aber es sind noch viele Schwierigkeiten zu überwinden.

Nur wenn man sich dieser Schwierigkeiten bewußt bleibt, wird man wirklich innerlich frei von der Möglichkeit des Hochmuts und der Verschwendung und hat jeden Makel im Prinzip überwunden.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Ein großer Wagen zum Beladen.
Man mag etwas unternehmen. Kein Makel.

Großer Besitz besteht nicht allein in der Menge der Güter, die einem zur Verfügung stehen, sondern vor allem in ihrer Beweglichkeit und Verwendbarkeit. Dann mag man sie zu Unternehmungen gebrauchen und bleibt frei von Verlegenheit und Fehlern.

Unter dem großen Wagen, dem man viel aufladen kann und mit dem man weit fahren kann, sind tüchtige Gehilfen verstanden, die einem zur Seite stehen, die ihrer Aufgabe gewachsen sind.

Solchen Leuten kann man eine große Verantwortung aufladen, was bei wichtigen Unternehmungen nötig ist.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Ein Fürst bringt ihn dem Sohn des Himmels dar.
Ein kleiner Mensch kann das nicht.

Es ist die Sache eines hochherzigen, freisinnigen Menschen, daß er seinen Besitz nicht als sein ausschließliches persönliches Eigentum betrachtet, sondern dem Herrscher bzw. der Allgemeinheit zur Verfügung stellt.

Dadurch stellt er sich auf den richtigen Standpunkt dem Besitz gegenüber, der niemals als Privatbesitz von Dauer sein kann. Ein engherziger Mensch ist freilich dazu nicht imstande. Für ihn schlägt großer Besitz zum Schaden aus, da er, statt zu opfern, behalten will.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Er macht einen Unterschied
zwischen sich und seinem Nächsten.
Kein Makel.

Es ist eine Stellung gekennzeichnet, die zwischen reichen und mächtigen Nachbarn steht. Das bringt Gefahr. Da gilt es, nicht rechts und nicht links zu sehen, frei zu bleiben von Neid und dem Versuch, es andern gleichzutun. So bleibt man frei von Fehlern.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Wessen Wahrheit umgänglich ist und
doch würdig, der hat Heil.

Die Lage ist sehr günstig. Ohne äußeren Zwang, nur infolge der ungesuchten Aufrichtigkeit, gewinnt man die Menschen, daß sie auch in aufrichtiger Wahrheit einem zugetan sind. Doch genügt zur Zeit des Besitzes von Großem die Milde allein nicht.

Sonst könnte leicht Frechheit allmählich aufkommen. Dieses Aufkommen von Frechheit muß durch Würde in Schranken gehalten werden, dann ist das Heil gewiß.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Vom Himmel her wird er gesegnet, Heil!
Nichts, das nicht fördernd ist.

In der Fülle des Besitzes und der Macht bleibt man bescheiden und ehrt den Weisen, der außerhalb des Weltgetriebes steht. Dadurch stellt man sich unter den segensreichen Einfluß vom Himmel her, und alles geht gut.

Konfuzius sagt über diesen Strich:

Segnen bedeutet helfen. Der Himmel hilft dem Hingebenden, die Menschen helfen dem Wahrhaftigen. Wer in Wahrhaftigkeit wandelt und hingebend ist in seinem Denken und dann noch die Würdigen hochhält, der wird vom Himmel her gesegnet. Er findet Heil und nichts ist, das nicht förderlich wäre.

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I Ching | Hexagram 15

15. Kiën
Die Bescheidenheit

oben Kun, das Empfangende, die Erde
unten Gen, das Stillehalten, der Berg

Das Zeichen setzt sich zusammen aus Gen das Stillehalten, der Berg, und Kun. Der Berg ist der jüngste Sohn des Schöpferischen, der Repräsentant des Himmels auf Erden.

Er spendet die Segnungen des Himmels, Wolken und Regen, die sich um seinen Gipfel sammeln, nach unten und leuchtet daraufhin verklärt in himmlischem Licht.

Das zeigt die Bescheidenheit und ihre Wirkung bei hohen und starken Menschen. Oben steht Kun, die Erde.

Die Eigenschaft der Erde ist die Niedrigkeit, aber eben darum wird sie in diesem Zeichen als erhöht dargestellt, indem sie oben über dem Berg ist. Das zeigt die Wirkung der Bescheidenheit bei niedrigen, einfachen Menschen: sie werden dadurch erhöht.

DAS URTEIL

Bescheidenheit schafft Gelingen.
Der Edle bringt zu Ende.

Das Gesetz des Himmels macht das Volle leer und füllt das Bescheidene: wenn die Sonne am höchsten steht muß sie nach himmlischem Gesetz dem Untergang zu, und wenn sie am tiefsten unter der Erde ist, geht sie einem neuen Aufstieg entgegen. Wenn der Mond voll ist, nimmt er nach demselben Gesetz ab, und wenn er leer ist, nimmt er wieder zu.

Dieses himmlische Gesetz wirkt sich auch in den Schicksalen der Menschen aus. Das Gesetz der Erde ist, das Volle zu verändern und dem Bescheidenen zuzufließen: Die hohen Berge werden von den Wassern abgetragen und die Täler aufgefüllt.

Das Gesetz der Schicksalsmächte ist, dem Vollen zu schaden und dem Bescheidenen Glück zu spenden. Und auch die Menschen hassen das Volle und lieben das Bescheidene.

Die Schicksale folgen festen Gesetzen, die sich mit Notwendigkeit auswirken. Aber der Mensch hat es in der Hand, sein Schicksal zu gestalten, je nachdem er sich durch sein Benehmen dem Einfluß der segnenden oder zerstörenden Kräfte aussetzt.

Wenn der Mensch hoch steht und sich bescheiden zeigt, so leuchtet er im Licht der Weisheit. Wenn er niedrig ist und sich bescheiden zeigt, so kann er nicht übergangen werden. So gelingt es dem Edlen, sein Werk zu Ende zu führen, ohne sich des Fertigen zu rühmen.

DAS BILD

Inmitten der Erde ist ein Berg:
das Bild der Bescheidenheit.
So verringert der Edle, was zu viel ist,
und vermehrt, was zu wenig ist.
Er wägt die Dinge und macht sie gleich.

Der Erde, in der ein Berg verborgen ist, sieht man ihren Reichtum nicht an, denn das Hohe des Berges dient zum Ausgleich der Vertiefungen. So ergänzt sich Hohes und Tiefes, und das Resultat ist die Ebene.

Hier ist das Bild der Bescheidenheit, daß das, was langer Wirkung bedurfte, als selbstverständlich und leicht erscheint. So macht es der Edle, wenn er Ordnung auf Erden herstellt. Er gleicht die sozialen Gegensätze, die die Quelle des Unfriedens sind, aus und schafft dadurch gerechte und ebene Verhältnisse.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Ein bescheiden-bescheidener Edler
mag das große Wasser durchqueren.
Heil!

Eine gefährliche Unternehmung, wie das Durchqueren eines großen Wassers, ist sehr erschwert, wenn viele Ansprüche und Rücksichten dabei in Betracht kommen. Dagegen fällt sie leicht, wenn sie rasch und einfach erledigt wird.

Darum ist die ganz anspruchslose Gemütsverfassung der Bescheidenheit geeignet, auch schwierige Unternehmungen fertigzubringen, weil sie keine Anforderungen und Vorbedingungen stellt, sondern schlank und leicht die Sache erledigt; denn wo keine Ansprüche erhoben werden, erheben sich keine Widerstände.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Sich äußernde Bescheidenheit.
Beharrlichkeit bringt Heil.

Wes das Herz voll ist, des geht der Mund über. Wenn jemand innerlich so bescheiden ist, daß sich diese Gesinnung in seinem äußeren Benehmen zeigt, so gereicht es ihm zum Heil: denn auf diese Weise hat er von selbst die Möglichkeit beharrlicher Wirkung, die von niemand verdrängt wird.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Ein verdienstvoll-bescheidener
Edler bringt zu Ende.
Heil!

Hier ist das Zentrum des Zeichens, wo sein Geheimnis ausgesprochen wird. Durch große Leistungen erwirbt man sich bald einen bedeutenden Namen. Wenn man sich durch den Ruhm blenden läßt, so wird sehr bald die Kritik einsetzen, und Schwierigkeiten werden sich erheben.

Wenn man dagegen trotz seiner Verdienste bescheiden bleibt, so macht man sich beliebt und gewinnt die Hilfskräfte, die nötig sind, um das Werk, das man unternommen hat, zu Ende zu führen.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Nichts, das nicht fördernd wäre
für Bescheidenheit in der Bewegung.

Alles hat sein Maß. Auch die Bescheidenheit im Benehmen kann übertrieben werden. Hier ist sie am Platz, da die Lage zwischen einem verdienstvollen Gehilfen unten und einem gütigen Herrscher oben sehr große Verantwortung mit sich bringt. Das Vertrauen des Oberen darf nicht mißbraucht, die Verdienste des Unteren dürfen nicht verdeckt werden.

Es gibt wohl Beamte die sich nicht hervortun. Sie decken sich durch den Buchstaben der Verordnungen, sie lehnen jede Verantwortung ab, sie nehmen Bezahlung an, ohne Entsprechendes zu leisten, sie tragen Titel, denen keine Wirklichkeit Bedeutung gibt.

Die hier erwähnte Bescheidenheit ist das Gegenteil davon. Die Bescheidenheit in einer solchen Stellung zeigt sich eben darin, daß man mit Interesse an der Arbeit ist.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Nicht pochen auf Reichtum
seinem Nächsten gegenüber.
Fördernd ist es, mit Gewalt anzugreifen.
Nichts, das nicht fördernd wäre.

Bescheidenheit ist verschieden von schwächlicher Gutmütigkeit, die alles laufen läßt. Wenn man an verantwortungsvollem Posten steht, muß man unter Umständen auch einmal energisch durchgreifen.

Aber dazu ist es nötig, daß man nicht durch persönliches Pochen auf seine Überlegenheit zu wirken sucht, sondern man muß seiner Umgebung gewiß sein.

Das Zugreifen muß rein sachlich sein und darf nichts persönlich Verletzendes haben. Darin zeigt sich die Bescheidenheit auch in der Strenge.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Sich äußernde Bescheidenheit.
Fördernd ist es,
Heere marschieren zu lassen,
um die eigene Stadt und
das eigene Land zu züchtigen.

Wem es wirklich mit seiner Bescheidenheit Ernst ist, der muß sorgen, daß sie in der Wirklichkeit sich zeigt. Er muß mit großer Energie dabei vorgehen. Wenn Feindseligkeit entsteht, ist nichts leichter, als die Schuld beim andern zu suchen.

Ein schwacher Mensch zieht sich dann vielleicht beleidigt auf sich selbst zurück und hat Mitleid mit sich selbst und hält es für Bescheidenheit daß er sich nicht wehrt.

Wirkliche Bescheidenheit zeigt sich darin daß sie kraftvoll darangeht, Ordnung zu schaffen, und dabei beim eignen Ich und dem engsten Kreise anfängt mit der Züchtigung. Nur dadurch wird wirklich etwas Kraftvolles geleistet, daß man den Mut hat, seine Heere gegen sich selbst marschieren zu lassen.

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I Ching | Hexagram 1616. Yü
Die Begeisterung

oben Dschen, das Erregende, der Donner
unten Kun, das Empfangende, die Erde

Die starke Linie auf viertem Platz, dem Platz des leitenden Beamten, findet bei allen den andern schwachen Linien Entgegenkommen und Gehorsam. Das obere Urzeichen, Dschen, hat die Bewegung zur Eigenschaft, das untere, Kun, den Gehorsam, die Hingebung.

Es wird also eine Bewegung begonnen, die auf Hingebung stößt und daher mitreißend, begeisternd wirkt. Von großer Bedeutung ist ferner das Gesetz von der Bewegung auf der Linie des geringsten Widerstandes, das in diesem Zeichen ausgesprochen ist als Gesetz für Naturgeschehen und Menschenleben.

DAS URTEIL

Die Begeisterung. Fördernd ist es,
Gehilfen einzusetzen und Heere
marschieren zu lassen.

Die Zeit der Begeisterung beruht darauf, daß ein bedeutender Mann da ist, der in Fühlung mit der Volksseele ist und in Übereinstimmung mit ihr handelt. Darum findet er allgemeinen, willigen Gehorsam.

Um Begeisterung zu wecken, ist es daher nötig, daß man sich mit seinen Anordnungen nach der Natur der Geführten richtet. Auf dieser Regel der Bewegung auf der Linie des geringsten Widerstandes beruht die Unverbrüchlichkeit der Naturgesetze.

Sie sind nicht etwas außerhalb der Dinge, sondern die den Dingen immanente Harmonie der Bewegung.

Darum weichen die Himmelskörper nicht ab von ihren Bahnen, und alles Naturgeschehen vollzieht sich in fester Regelmäßigkeit. In ähnlicher Weise liegen die Dinge auch in der menschlichen Gesellschaft.

Auch hier werden sich nur solche Gesetze durchführen lassen, die im Volksempfinden ihre Wurzel haben, während Gesetze, die diesem Empfinden widersprechen, nur Erbitterung wecken.

Die Begeisterung ermöglicht dann auch, Gehilfen einzusetzen zur Durchführung der Arbeiten, ohne daß geheime Gegenwirkungen zu befürchten sind.

Die Begeisterung ist es auch, die Massenbewegungen, wie im Krieg, so zu vereinheitlichen vermag, daß sie den Sieg erlangen.

DAS BILD

Der Donner kommt aus der Erde hervorgetönt:
das Bild der Begeisterung.
So machten die alten Könige Musik,
um die Verdienste zu ehren,
und brachten sie herrlich dem höchsten Gott dar,
indem sie ihre Ahnen dazu einluden.

Wenn der Donner, die elektrische Kraft, zu Beginn des Sommers wieder aus der Erde hervorgerauscht kommt und das erste Gewitter die Natur erfrischt, so löst sich eine lange Spannung. Erleichterung und Freude greifen Platz.

Ähnlich besitzt die Musik die Macht, die Spannung im Herzen, der dunklen Gefühle Gewalt zu lösen. Die Begeisterung des Herzens äußert sich unwillkürlich im Laut des Gesanges, in Tanz und rhythmischer Bewegung des Körpers.

Von alters her wurde die begeisternde Wirkung des unsichtbaren Klanges, der die Herzen der Menschen bewegt und vereint, als Rätsel empfunden. Die Herrscher benützten diese natürliche Neigung zur Musik. Sie erhöhten und ordneten sie.

Die Musik galt als etwas Ernstes, Heiliges, sie sollte die Gefühle der Menschen reinigen. Sie sollte die Tugenden der Helden preisen und so die Brücke schlagen zur unsichtbaren Welt. Im Tempel nahte man Gott mit Musik und Pantomimen (aus denen sich später das Theater entwickelt hat).

Die religiösen Gefühle gegen den Schöpfer der Welt wurden vereinigt mit den heiligsten menschlichen Gefühlen den Gefühlen der Ehrfurcht vor den Ahnen. Sie wurden eingeladen zu diesen Gottesdiensten als Gäste des Himmelsherrn und Vertreter der Menschheit in jenen höheren Regionen.

Indem so die eigene Vergangenheit mit der Gottheit verknüpft wurde in weihevollen Momenten religiöser Begeisterung, schloß sich das Band zwischen Gottheit und Menschheit.

Der Herrscher, der in seinen Ahnen die Gottheit verehrte, war dadurch der Sohn des Himmels, in dem die himmlische und die irdische Welt sich mystisch berührten.

Diese Gedanken sind die letzte und höchste Zusammenfassung der chinesischen Kultur. Meister Kung selbst sagte von dem großen Opfer, bei dem diese Bräuche vollzogen wurden: Wer dieses Opfer ganz verstünde, der könnte die Welt regieren, als drehte sie sich auf seiner Hand.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Begeisterung, die sich äußert, bringt Unheil.

Jemand in untergeordneter Stellung hat vornehme Beziehungen, deren er sich begeistert rühmt. Durch diesen Übermut zieht er mit Notwendigkeit das Unheil an. Begeisterung darf nie ein egoistisches Gefühl sein, sondern nur als allgemeine Stimmung, die mit andern verbindet, hat sie ihre Berechtigung.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Fest wie ein Stein. Kein ganzer Tag.
Beharrlichkeit bringt Heil.

Es wird hier jemand gezeichnet, der sich von keinen Illusionen betören läßt. Während andere durch Begeisterung sich blenden lassen, erkennt er vollkommen klar die ersten Zeichen der Zeit.

So ist er nach oben hin nicht schmeichlerisch, nach unten hin nicht nachlässig. So ist er fest wie Stein. Sobald das erste Anzeichen von Mißstimmung sich zeigt, weiß er sich rechtzeitig zurückzuziehen, ohne auch nur einen Tag zu versäumen. Beharrlichkeit in solchem Tun bringt Heil.

Konfuzius sagt darüber:

Die Keime zu kennen, das ist wohl göttlich. Der Edle ist im Verkehr nach oben hin nicht schmeichelnd, im Verkehr nach unten hin nicht anmaßend. Er kennt wohl die Keime. Die Keime sind der erste unmerkliche Beginn der Bewegung, das, was von Heil (und Unheil) zuerst sich zeigt. Der Edle sieht die Keime und handelt sofort. Er wartet nicht erst den ganzen Tag.

Im Buch der Wandlungen heißt es:

“Fest wie ein Stein wozu ein ganzer Tag. Beharrlichkeit bringt Heil. Fest wie ein Stein, wozu ein ganzer Tag? Das Urteil kann man wissen. Der Edle kennt Geheim- und Offenbares. Er kennt das Schwache, kennt das Starke auch: Drum schauen die Myriaden zu ihm auf.”

I Ching, hexagram, Yin, Sechs

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Nach oben blickende Begeisterung schafft Reue.
Zögern bringt Reue.

Es ist hier das Gegenteil der vorigen Linie; dort Selbständigkeit, hier das begeisterte Emporblicken. Zögert man zu lange, so schafft auch das Reue. Es gilt in der Annäherung den richtigen Moment zu ergreifen; nur dann trifft man das Rechte.
I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Der Ursprung der Begeisterung.
Er erreicht Großes.
Zweifle nicht!
Die Freunde scharen sich um dich
wie um eine Haarspange.

Jemand, der Begeisterung zu erwecken vermag durch die eigene Sicherheit und Freiheit von Bedenken: dadurch, daß er nicht zweifelt und ganz wahrhaftig ist, zieht er die Menschen an.

Indem er ihnen Vertrauen schenkt, gewinnt er sie zu begeisterter Mitarbeit und hat Erfolg. Wie eine Haarspange den Haaren Halt gibt und sie vereinigt, so vereinigt er die Menschen durch den Halt, den er ihnen gibt.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Beharrlich krank und stirbt doch immer nicht.

Die Begeisterung wird hier verhindert. Man befindet sich unter dauerndem Druck, der nicht zu freiem Aufatmen kommen läßt. Aber dieser Druck hat unter Umständen sein Gutes. Man wird dadurch bewahrt, daß man seine Kräfte in leerer Begeisterung aufzehrt. So kann der dauernde Druck gerade dazu dienen, daß man am Leben bleibt.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Verblendete Begeisterung.
Aber wenn man nach der Vollendung
zur Änderung kommt, so ist das kein Makel.

Wenn man sich von der Begeisterung verblenden läßt, so ist das von Übel. Aber wenn diese Verblendung auch schon vollendete Tatsache ist und man kann sich noch ändern, so wird man frei von Makel. Ernüchterung aus falscher Begeisterung ist sehr wohl möglich und ist sehr günstig.

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I Ching | Hexagram 1717. Sui
Die Nachfolge

oben Dui, das Heitere, der See
unten Dschen, das Erregende, der Donner

Oben ist das Heitere, dessen Charakter die Freude ist, unten das Erregende, dessen Charakter die Bewegung ist. Freude bei der Bewegung führt zur Nachfolge.

Das Heitere ist die jüngste Tochter, das Erregende der älteste Sohn. Ein älterer Mann stellt sich unter ein junges Mädchen und nimmt Rücksicht auf sie. Dadurch bewegt er sie zur Nachfolge.

DAS URTEIL

Die Nachfolge hat erhabenes Gelingen.
Fördernd ist Beharrlichkeit.
Kein Makel.

Um Nachfolge zu erreichen, muß man selbst erst sich anzupassen verstehen. Nur durch Dienen kommt man zum Herrschen; denn nur so erlangt man die freudige Zustimmung der Unteren, die zur Nachfolge nötig ist.

Wo durch List oder Gewalt, Verschwörung oder Parteiung Nachfolge erzwungen werden soll, da regt sich immer Widerstand, der die bereitwillige Nachfolge verhindert.

Freudige Bewegung kann aber auch zu Üblem führen. Darum wird als Bedingung beigefügt: Fördernd ist Beharrlichkeit, d. h. Konsequenz im Rechten, und ohne Makel.

Ebenso wie man selbst nur unter dieser Bedingung Nachfolge verlangen soll, darf man auch andern nur unter dieser Bedingung folgen, ohne Schaden zu nehmen.

Der Gedanke der Nachfolge unter Anpassung an das, was die Zeit erfordert, ist groß und wichtig, daher lautet auch das beigefügte Urteil so günstig.

DAS BILD

Inmitten des Sees ist der Donner:
das Bild der Nachfolge.
So kehrt der Edle zur Zeit des
Abenddunkels zu Erholung und Ruhe ein.

Im Herbst zieht sich die Elektrizität wieder in die Erde zurück und ruht. Der Donner inmitten des Sees ist als Bild genommen nicht der Donner in Bewegung, sondern der Donner der Winterruhe.

Nachfolge ergibt sich aus diesem Bild in dem Sinn der Anpassung an die Zeiterfordernisse. Der Donner inmitten des Sees deutet auf Zeiten des Dunkels und der Ruhe. So gönnt sich der Edle, nachdem er den Tag über unermüdlich tätig war, zur Nachtzeit Erholung und Ruhe.

Jede Lage wird nur dann gut, wenn man sich ihr anzupassen vermag und nicht durch falschen Widerstand sich aufreibt.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Das Maßgebende ändert sich.
Beharrlichkeit bringt Heil.
Zur Tür hinausgehen im Verkehr schafft Werke.

Es gibt Ausnahmezustände, da das Verhältnis von Leiter und Geleitetem sich ändert. In der Idee der Anpassung und Nachfolge liegt es, daß man, wenn man andere leiten will, zugänglich bleibt und sich bestimmen läßt von den Ansichten der Untergebenen.

Nur muß man dabei feste Grundsätze haben, daß man nicht schwankend wird, wo es sich nur um Meinungen des Tages handelt. Wenn man erst bereit ist, auf Meinungen anderer zu hören, so darf man nicht immer nur mit Gleichgesinnten und Parteigenossen zusammensitzen, sondern man muß zur Tür hinaus und mit Menschen allerlei Art, ob Freund, ob Feind, unbefangen verkehren. Nur dadurch bringt man etwas zustande.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Hängt man sich an den kleinen Knaben,
so verliert man den starken Mann.

Bei Freundschaft und engen Beziehungen muß man in der Auswahl vorsichtig sein. Man macht sich entweder eine gute oder eine schlechte Gesellschaft. Man kann nicht beide zugleich haben. Wenn man sich an Unwürdige wegwirft, so verliert man den Anschluß an geistig bedeutende Menschen, die einen im Guten zu fördern vermögen.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Hängt man dem starken Mann an,
so verliert man den kleinen Knaben.
Durch Nachfolge findet man, was man sucht.
Fördernd ist es, beharrlich zu bleiben.

Wenn man den rechten Anschluß bei bedeutenden Menschen gefunden hat, so ist damit naturgemäß ein gewisser Verlust verbunden. Man muß sich vom Niederen, Oberflächlichen scheiden.

Aber man wird sich doch im Innersten befriedigt fühlen, indem man findet, was man für die Förderung der Persönlichkeit sucht und braucht. Nur gilt es fest zu bleiben. Man muß wissen, was man will, und darf sich nicht durch Augenblicksneigungen irremachen lassen.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Die Nachfolge schafft Erfolg.
Beharrlichkeit bringt Unheil.
Mit Wahrhaftigkeit auf dem Weg
zu wandeln, bringt Klarheit.
Wie könnte das ein Makel sein?

Es gelingt oft, wenn man einen gewissen Einfluß besitzt, daß man Nachfolger findet durch Leutseligkeit nach unten hin. Die Menschen, die sich einem anschließen, meinen es aber nicht ehrlich.

Sie suchen ihren persönlichen Vorteil und suchen sich durch Schmeicheleien und Unterwürfigkeit unentbehrlich zu machen. Wenn man sich an solche Parteigänger gewöhnt, so daß man nicht mehr ohne sie sein kann, so bringt das Unheil.

Nur wenn man ganz frei ist von dem eigenen Ich und mit Überzeugung nur auf das Rechte, Sachliche bedacht ist, bekommt man die Klarheit, solche Menschen zu durchschauen, und wird frei von Makel.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Wahrhaft im Guten. Heil!

Jeder Mensch muß etwas haben, dem er nachfolgt, das ihm als Leitstern dient. Wer dem Schönen und Guten mit Überzeugung nachfolgt, der mag sich durch dieses Wort bestärkt finden.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Er findet feste Anhänglichkeit
und wird noch dazu gebunden.
Der König stellt ihn dem Westberg vor.

Es handelt sich um einen Menschen, der das Getriebe der Welt für seine Person schon hinter sich hat, einen erhabenen Weisen. Aber es findet sich ein Nachfolger, der ihn versteht und nicht von ihm läßt. So kommt er noch einmal in die Welt zurück und hilft jenem bei seinem Werk. So entsteht eine Verbindung ewiger Art.

Das Gleichnis ist gewählt von der Dschoudynastie. Diese Dynastie ehrte verdiente Gehilfen dadurch, daß sie einen Platz bekamen im Ahnentempel der Herrscherfamilie auf dem Westberg. Dadurch wurde ein solcher Mann in den Schicksalsbereich des Herrscherhauses aufgenommen.

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I Ching | Hexagram 18

18. Gu
Die Arbeit am Verdorbenen

oben Gen, das Stillehalten, der Berg
unten Sun, das Sanfte, der Wind

Das chinesische Zeichen Gu stellt eine Schüssel dar, in deren Inhalt Würmer wachsen. Das bedeutet das Verdorbene. Das ist dadurch gekommen, daß die sanfte Gleichgültigkeit des unteren Urzeichens mit der starren Trägheit des oberen Urzeichens zusammengekommen ist, so daß die Verhältnisse in Stagnation gerieten.

Da also eine Verschuldung vorliegt, so enthalten diese Zustände die Aufforderung zu ihrer Beseitigung. Daher ist die Bedeutung des Zeichens nicht einfach das Verdorbene, sondern das Verdorbene als Aufgabe, die Arbeit am Verdorbenen.

DAS URTEIL

Die Arbeit am Verdorbenen hat erhabenes Gelingen.
Fördernd ist es, das große Wasser zu durchqueren.
Vor dem Anfangspunkt drei Tage,
nach dem Anfangspunkt drei Tage.

Was durch Schuld von Menschen verdorben ist, kann durch Arbeit von Menschen wieder gutgemacht werden. Es ist nicht unabänderliches Geschick, wie während der Stockungszeit, sondern eine Folge von Mißbrauch der menschlichen Freiheit, was den Zustand des Verderbens herbeigeführt hat. Deshalb ist die Arbeit an der Besserung aussichtsvoll, weil sie im Einklang mit den Möglichkeiten der Zeit steht.

Nur darf man vor Arbeit und Gefahr – symbolisiert durch das Durchqueren des großen Wassers – nicht zurückschrecken, sondern muß energisch zugreifen.
Das Gelingen hat jedoch zur Vorbedingung die rechte Überlegung.

Das ist ausgedrückt in dem Zusatz: Vor dem Anfangspunkt drei Tage, nach dem Anfangspunkt drei Tage. Erst muß man die Gründe kennen, die zum Verderben geführt haben, ehe man sie abstellen kann: daher Achtung während der Zeit vor dem Anfangspunkt.

Und dann muß man sorgen, daß das neue Geleise sich sicher einfährt so daß ein Rückfall vermieden wird: daher Achtung auf die Zeit nach dem Anfangspunkt.

An die Stelle der Gleichgültigkeit und Trägheit, die zum Verderben geführt haben, müssen Entschlossenheit und Energie treten, damit auf das Ende ein neuer Anfang folgt.

DAS BILD

Unten am Berg weht der Wind: das Bild des Verderbens.
So rüttelt der Edle die Leute auf und stärkt ihren Geist.

Wenn der Wind unten am Berg weht, so wird er zurückgeworfen und verdirbt die Pflanzen. Das enthält die Aufforderung zu bessern. So ist es auch mit den niedrigen Stimmungen und Moden: sie bringen Verderben in die menschliche Gesellschaft.

Um das zu beseitigen, muß der Edle die Gesellschaft erneuern. Die Methoden dazu werden ebenfalls den beiden Urzeichen entnommen, nur daß ihre Wirkungen sich geordnet nacheinander entfalten.

Er muß die Stagnation beseitigen durch Aufrütteln der öffentlichen Meinung (wie der Wind aufrüttelnd wirkt) und dann den Charakter der Leute stärken und beruhigen (wie der Berg Ruhe und Nahrung allem Wachstum in seiner Umgebung gibt).

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Zurechtbringen des vom Vater Verdorbenen.
Wenn ein Sohn da ist,
bleibt auf dem heimgegangenen Vater kein Makel.
Gefahr. Schließlich Heil.

Das starre Stehenbleiben beim Hergebrachten hat Verderben zur Folge gehabt. Aber das Verderben ist noch nicht tief eingewurzelt, darum kann es noch leicht gebessert werden. Es ist, wie wenn ein Sohn das Verderben, das unter seinem Vater sich eingeschlichen hat, ausgleicht. Da bleibt auf dem Vater kein Makel sitzen.

Aber man darf die Gefahr nicht übersehen und die Sache zu leicht nehmen. Nur wenn man sich der mit jeder Reform verbundenen Gefahr bewußt ist, geht schließlich alles gut.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Zurechtbringen des von der Mutter Verdorbenen.
Man darf nicht zu beharrlich sein.

Es handelt sich um Fehler, die aus Schwachheit das Verderben veranlaßt haben. Daher das Symbol des von der Mutter Verdorbenen. Da ist beim Ausgleich eine gewisse zarte Rücksicht notwendig. Man darf nicht allzu schroff vorgehen wollen, damit man nicht durch Schroffheit verletzt.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Zurechtbringen des vom Vater Verdorbenen.
Ein wenig wird es Reue geben.
Kein großer Makel.

Es ist hier jemand gezeichnet, der beim Zurechtbringen der Fehler der Vergangenheit etwas zu energisch vorgeht. Dadurch werden sicher dann und wann kleinere Unzuträglichkeiten und Verstimmungen entstehen.

Aber besser zuviel als zuwenig Energie. Wenn man daher auch manchmal ein wenig zu bereuen hat, so bleibt man doch frei von jedem ernstlichen Makel.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Dulden des vom Vater Verdorbenen.
Beim Fortmachen sieht man Beschämung.

Es wird hier die Lage gezeigt, daß jemand aus Schwachheit dem Verderben, das aus der Vergangenheit stammt und sich jetzt zu zeigen beginnt, nicht entgegentritt, sondern ihm seinen Lauf läßt. Wenn das so weitergeht, wird Beschämung die Folge sein.I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Zurechtbringen des vom Vater Verdorbenen.
Man findet Lob.

Man sieht sich einem durch die Vernachlässigung früherer Zeiten entstandenen Verderben gegenüber. Man besitzt nicht die Kraft, ihm allein zu steuern. Doch findet man tüchtige Gehilfen, mit deren Unterstützung man zwar nicht einen schöpferischen Neuanfang, aber wenigstens eine gründliche Reform zuwege bringt, was auch des Lobes würdig ist.I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Dient nicht Königen und Fürsten.
Steckt sich höhere Ziele.

Nicht jeder Mensch ist verpflichtet, sich in die Weltgeschäfte zu mischen. Es gibt auch solche, die innerlich schon so weit entwickelt sind, daß sie die Berechtigung haben, der Welt ihren Lauf zu lassen, ohne sich ins politische Leben reformierend einzumischen.

Aber damit ist nicht gemeint, daß sie tatenlos oder bloß kritisch sich verhalten dürften. Nur die Arbeit an den höheren Zielen der Menschheit in der eigenen Person gibt die Berechtigung zu solcher Zurückgezogenheit.

Denn wenn der Weise sich auch dem Tagesgetriebe fernhält, so schafft er doch unvergleichliche Menschheitswerte für die Zukunft. (In Europa ist die Stellung Goethes nach den Napoleonischen Kriegen ein Beispiel dieses Handelns.)

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I Ching | Hexagram 1919. Lin
Die Annäherung

oben Kun, das Empfangende, die Erde
unten Dui, das Heitere, der See

Das chinesische Wort Lin hat eine Reihe von Bedeutungen, die in einem einzigen deutschen Wort sich nicht erschöpfen lassen. Die alten Erklärungen des Buches der Wandlungen geben als erste Bedeutung Großwerden an.

Was groß wird sind die beiden starken Striche, die von unten her in das Zeichen hineinwachsen. Mit ihnen dehnt sich die lichte Kraft aus. Von da aus geht der Gedanke weiter zu dem Begriff der Annäherung, und zwar der Annäherung des Starken, Höherstehenden an das Niedrige.

Es bedeutet dann schließlich auch die Herablassung eines Höheren gegen das Volk, ferner die Inangriffnahme der Geschäfte. Das Zeichen ist dem zwölften Monat (Januar-Februar) zugeordnet, da nach der Sonnenwende die lichte Kraft schon wieder im Aufsteigen begriffen ist.

DAS URTEIL

Die Annäherung hat erhabenes Gelingen.
Fördernd ist Beharrlichkeit.
Kommt der achte Monat, so gibt’s Unheil.

Das Zeichen als Ganzes deutet auf eine Zeit hoffnungsfrohen Fortschritts. Der Frühling naht. Freude und Nachgiebigkeit bringen Hohe und Niedrige einander näher. Erfolg ist gewiß. Nur bedarf es der entschlossenen und beharrlichen Arbeit, um die Gunst der Zeit voll auszunützen.

Und noch eins: Die Frühlingszeit dauert nicht ewig. Im achten Monat sind die Aspekten umgekehrt. Da sind nur noch zwei starke, lichte Linien übrig, die aber nicht im Vordringen, sondern im Rückzug sind (vgl. das nächste Zeichen).

Diesen Umschlag gilt es rechtzeitig zu bedenken. Wenn man so dem Übel begegnet, ehe es noch in die Erscheinung getreten ist, ja noch ehe es sich zu regen begonnen hat, so wird man seiner Meister werden.

DAS BILD

Oberhalb des Sees ist die Erde:
das Bild der Annäherung.
So ist der Edle in seiner Absicht
zu lehren unerschöpflich
und im Ertragen und Schützen
des Volkes ohne Grenzen.

Die Erde grenzt von oben an den See, das ist das Bild der Annäherung und Herablassung des Höheren gegen die Tieferstehenden. Aus den beiden Teilen des Bildes ergibt sich sein Verhalten zu diesen Menschen.

Wie der See unerschöpfliche Tiefe zeigt, so ist der Weise unerschöpflich in seiner Bereitschaft, die Menschen zu belehren; und wie die Erde grenzenlos weit ist und alle Geschöpfe trägt und hegt, so trägt und hegt der Weise die Menschen, ohne durch Grenzen irgendwelcher Art einen Teil der Menschheit auszuschließen.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Gemeinsame Annäherung.
Beharrlichkeit bringt Heil.

Das Gute beginnt sich durchzusetzen und findet an einflußreicher Stelle Entgegenkommen. Von dort geht die Anregung an den tüchtigen Menschen aus herbeizukommen.

Da mag man sich dem Zug nach aufwärts anschließen. Nur muß man darauf bedacht sein, in der Zeitströmung sich selbst nicht zu verlieren, sondern beharrlich im Rechten zu bleiben: das bringt Heil.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Gemeinsame Annäherung.
Heil! Alles ist fördernd.

Da man sich in der Lage befindet, von oben her zum Herbeikommen angeregt zu sein, und da man in sich selbst die Stärke und Konsequenz besitzt, die keiner Warnung bedarf, so hat man Heil. Auch die Zukunft braucht einem keine Sorge zu machen.

Wohl weiß man, daß alles Irdische vergänglich ist und auf jeden Aufstieg ein Niedergang folgt: aber man läßt sich durch dieses allgemeine Schicksal nicht irremachen. Alles ist fördernd. Darum wird man rasch und brav und kühn die Lebenswege wandern.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Behagliche Annäherung.
Nichts, das fördernd wäre.
Erreicht man Trauer darüber,
so wird man ohne Makel.

Es geht fröhlich voran. Man kommt zu Macht und Einfluß. Aber das birgt die Gefahr, daß man im Vertrauen auf seine Stellung sich behaglich fühlt und diese behaglich-lässige Stimmung im Verkehr mit den Menschen hervortreten läßt.

Das ist unter allen Umständen schädlich. Doch ist die Möglichkeit des Umschlags der Stimmung gegeben. Wenn man Trauer über diese verkehrte Haltung empfindet, wenn man die Verantwortung fühlt, die in einer einflußreichen Stellung beschlossen ist, so macht man sich frei von Fehlern.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Vollkommene Annäherung.
Kein Makel.

Während die drei unteren Linien das Aufsteigen zu Macht und Einfluß bezeichnen, zeigen die drei oberen das Verhalten der Höhergestellten zu den Niedrigen, denen sie Einfluß verschaffen.

Hier ist vollkommen vorurteilslose Annäherung eines Höherstehenden an einen tüchtigen Mann gezeigt, den er ohne Rücksicht auf Standesvorurteile in seinen Verkehr zieht. Das ist sehr günstig.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Weise Annäherung. Das ist recht für
einen großen Fürsten. Heil!

Ein Fürst oder jemand in leitender Stellung soll die Weisheit besitzen, in seine Umgebung tüchtige Menschen zu ziehen, die sachkundig sind in der Leitung der Geschäfte.

Seine Weisheit besteht ebensowohl darin, daß er die rechten Leute auszuwählen versteht, als auch darin, daß er die, die er ausgewählt hat, gewähren läßt, daß er sich nicht selbst in die Geschäfte einmischt. Denn nur durch diese Zurückhaltung wird er für alle Anforderungen die Leute finden, die nötig sind, um sie sachgemäß zu erledigen.
I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Großherzige Annäherung. Heil.
Kein Makel.

Ein Weiser, der die Welt überwunden hat und innerlich schon mit dem Leben fertig ist, kann unter Umständen in die Lage kommen, noch einmal ins Diesseits hereinzukommen und sich den andern Menschen anzunähern.

Das ist für die andern Menschen, denen er seine Belehrung und Hilfe zuwendet, von großem Heil. Aber auch für ihn selbst ist diese großherzige Selbsterniedrigung kein Makel.

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I Ching | Hexagram 2020. Guan
Die Betrachtung, (der Anblick)

oben Sun, das Sanfte, der Wind
unten Kun, das Empfangende, die Erde

Der chinesische Name des Zeichens hat mit leichter Abwandlung der Betonung eine doppelte Bedeutung. Einerseits bedeutet es das Betrachten, andererseits das Gesehenwerden, das Vorbild. Diese Gedanken werden dadurch nahegelegt, daß das Zeichen aufgefaßt werden kann als das Bild eines Turmes T u r m, wie sie im alten China häufig waren.

Von solchen Türmen hatte man eine weite Aussicht ringsumher, und andererseits war ein solcher Turm auf einem Berge weithin sichtbar. So wird durch das Zeichen ein Herrscher gezeigt, der nach oben das Gesetz des Himmels und nach unten die Sitten des Volkes betrachtet und der mit seiner guten Regierung ein erhabenes Vorbild für die Massen ist.

Das Zeichen ist dem achten Monat (September-Oktober) zugeordnet. Die lichte Kraft zieht sich zurück, die dunkle ist wieder im Steigen. Doch kommt diese Seite hier für die Gesamterklärung des Zeichens nicht in Betracht.

DAS URTEIL

Die Betrachtung.
Die Waschung ist geschehen,
aber noch nicht die Darbringung.
Vertrauensvoll blicken sie zu ihm auf.

Die Opferhandlung in China begann mit einer Waschung und Libation, durch die die Gottheit herbeigerufen wurde. Darauf wurden die Opfer dargebracht.

Der Zeitpunkt zwischen beiden Handlungen ist der heiligste, der Augenblick höchster innerer Sammlung. Wenn die Frömmigkeit glaubensvoll und aufrichtig ist, so wirkt ihre Betrachtung auf die, die Zeugen sind, umwandelnd und ehrfurchtgebietend.

So ist in der Natur ein heiliger Ernst zu sehen in der Gesetzmäßigkeit, mit der alle Naturereignisse vor sich gehen. Die Betrachtung des göttlichen Sinns des Weltgeschehens gibt dem Mann, der auf Menschen zu wirken berufen ist, die Mittel an die Hand, dieselben Wirkungen auszuüben.

Dazu ist eine innere Sammlung nötig, wie sie die religiöse Betrachtung in großen und glaubensstarken Menschen hervorbringt. Dadurch schauen sie die geheimnisvollen göttlichen Lebensgesetze und verschaffen ihnen durch den höchsten Ernst innerer Sammlung Verwirklichung in ihrer eigenen Persönlichkeit.

So geht von ihrem Anblick eine geheimnisvolle geistige Macht aus, die auf die Menschen wirkt und sie unterwirft, ohne daß sie sich bewußt werden, wie das zugeht.

DAS BILD

Der Wind geht über die Erde hin:
das Bild der Betrachtung.
So besuchten die alten Könige die Weltgegenden,
betrachteten das Volk und spendeten Belehrung.

Wenn der Wind über die Erde weht, so kommt er überall hin, und das Gras muß sich seiner Macht beugen. Diese beiden Vorgänge finden in dem Zeichen ihre Bestätigung.

Sie waren in Wirklichkeit umgesetzt in den Einrichtungen der Könige des Altertums, die einerseits durch regelmäßige Reisen sich den Anblick ihres Volkes verschafften, so daß ihnen nichts, was als Sitte im Volk lebte, entgehen konnte, und die dabei andererseits ihren Einfluß geltend machten, durch den solche Sitten, die nicht stimmten, geändert wurden.

Das Ganze deutet auf die Macht der überlegenen Persönlichkeit.

Eine solche wird die große Menge der Menschen übersehen in ihren wirklichen Gesinnungen, so daß keine Täuschung ihm gegenüber möglich ist, und andererseits wird er durch sein bloßes Dasein, durch die Wucht seiner Persönlichkeit, Eindruck auf sie machen, so daß sie sich nach ihm richten wie das Gras nach dem Winde.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Knabenhaftes Betrachten.
Für einen geringen Menschen kein Makel.
Für einen Edlen beschämend.

Ein verständnisloses Betrachten aus der Ferne ist hier gezeichnet. Es ist jemand da, der wirkt, aber dessen Wirkungen von den geringen Menschen nicht verstanden werden. Das tut bei der Masse nicht viel.

Ob sie die Handlungen des herrschenden Weisen verstehen oder nicht: sie kommen ihnen doch zugute. Aber für den höheren Menschen ist das eine Schande.

Er darf sich nicht mit törichtem, gedankenlosem Betrachten der herrschenden Einflüsse begnügen. Er muß sie im Zusammenhang betrachten und zu verstehen suchen.
I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Betrachtung durch die Türspalte.
Fördernd ist die Beharrlichkeit einer Frau.

Durch die Türspalte hat man einen beschränkten Ausblick. Man sieht von innen nach außen. Die Betrachtungsweise ist subjektiv beschränkt. Man bezieht alles auf sich. Man kann sich nicht in den andern und seine Beweggründe hineinversetzen.

Das ist für eine gute Hausfrau am Platz. Sie braucht nichts zu verstehen von den Welthändeln. Für einen Mann, der im öffentlichen Leben zu wirken hat, ist solche beschränkt egoistische Betrachtungsweise natürlich vom Übel.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Betrachtung meines Lebens entscheidet
über Fortschritt oder Rückzug.

Es ist hier der Platz des Übergangs. Man blickt nicht mehr nach außen, um mehr oder weniger beschränkte oder verwirrte Bilder zu erhalten, sondern man richtet die Betrachtung auf sich selbst um die Richtung für seine Entschließungen zu bekommen.

Diese Einkehr der Betrachtung ist gerade die Überwindung der naiven Selbstischkeit dessen, der alles nur von seinem Standpunkt aus betrachtet. Man kommt zur Reflexion und damit zur Objektivität. Die Selbsterkenntnis ist aber nicht eine Beschäftigung mit den eigenen Gedanken, sondern mit den Wirkungen, die von einem ausgehen.

Nur die Lebenswirkungen geben ein Bild, das uns berechtigt, über Fortschritt oder Rückgang zu entscheiden.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Betrachtung des Lichtes des Reiches.
Fördernd ist es, als Gast eines Königs zu wirken.

Hier ist ein Mann gezeichnet, der die Geheimnisse versteht, durch die man ein Reich zur Blüte bringt. Ein solcher Mann muß an einen maßgebenden Platz gebracht werden, wo er wirken kann. Er soll gleichsam Gast sein, d. h. er soll selbständig wirken können und geehrt werden, nicht als Werkzeug benützt werden.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Betrachtung meines Lebens.
Der Edle ist ohne Makel.

Ein Mann an maßgebender Stelle, zu dem die andern aufblicken, muß dauernd zur Selbstprüfung bereit sein. Die rechte Art der Selbstprüfung besteht jedoch nicht darin, daß man sich untätig über sich selbst besinnt, sondern darin, daß man die Wirkungen prüft, die von einem ausgehen.

Nur wenn diese Wirkungen gut sind, daß man einen guten Einfluß auf andere ausübt, wird die Betrachtung des eigenen Lebens die Befriedigung gewähren, ohne Fehler zu sein.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Betrachtung seines Lebens.
Der Edle ist ohne Makel.

Während die vorige Linie einen Mann darstellt, der sich selbst betrachtet, ist hier an höchster Stelle alles Persönliche, aufs eigene Ich Bezogene, ausgeschaltet. Es ist hier ein Weiser gezeigt, der außerhalb des Weltgetriebes frei vom Ich die Gesetze des Lebens betrachtet und so als Höchstes erkennt, weil man frei von Makel wird.

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I Ching | Hexagram 21

21. Schï Ho
Das Durchbeißen

oben Li, das Haftende, das Feuer
unten Dschen, das Erregende, der Donner

Das Zeichen stellt einen geöffneten Mund dar (vgl. Nr. 27, I), zwischen dessen Zähnen ein Hindernis ist (an vierter Stelle). Infolge davon lassen sich die Lippen nicht vereinigen. Um eine Vereinigung herbeizuführen, bedarf es des energischen Durchbeißens des Hindernisses.

Das Zeichen besteht ferner aus den Zeichen für Donner und Blitz, um anzudeuten, wie Hindernisse in der Natur gewaltsam beseitigt werden.

Das energische Durchbeißen überwindet das Hindernis der Vereinigung im Mund. Das Gewitter mit Donner und Blitz überwindet die störende Spannung in der Natur. Prozeß und Strafe überwinden die Störungen des harmonischen Zusammenlebens durch Verbrecher und Verleumder. Im Unterschied zu dem Zeichen Nr. 6, der Streit, wo es sich um Zivilprozesse handelt, ist hier der Strafprozeß behandelt.

DAS URTEIL

Das Durchbeißen hat Gelingen.
Fördernd ist es, Gericht walten zu lassen.

Wenn ein Hindernis der Vereinigung entgegensteht, so schafft energisches Durchbeißen Erfolg. Das gilt in allen Verhältnissen. Immer wird die Einheit, wo sie nicht zustande kommt, durch einen Zwischenträger und Verräter, durch einen Hindernden und Hemmenden aufgehalten. Da muß man energisch durchgreifen, damit kein dauernder Schade entsteht.

Solche bewußten Hinderungen verschwinden nicht von selbst. Gericht und Strafe sind nötig zur Abschreckung bzw. Beseitigung.

Aber es gilt dabei in der rechten Weise vorzugehen. Das Zeichen ist aus Li, Klarheit, und Dschen, Erregung, zusammengesetzt. Li ist weich, Dschen ist hart. Bloße Härte und Erregung wäre zu heftig im Strafen. Bloße Klarheit und Weichheit wäre zu schwach.

Beides vereint schafft das rechte Maß. Wichtig ist, daß der entscheidende Mann, der durch den fünften Strich repräsentiert ist, seiner Natur nach milde ist, während er durch seine Stellung ehrfurchtgebietend wirkt.

DAS BILD

Donner und Blitz: das Bild des Durchbeißens.
So festigten die früheren Könige
die Gesetze durch klar bestimmte Strafen.

Die Strafen sind die einzelnen Anwendungen der Gesetze. Die Gesetze enthalten die Aufzeichnung der Strafen. Klarheit herrscht, wenn bei der Festsetzung der Strafen leichtere und schwerere je nach den entsprechenden Vergehen klar unterschieden werden. Das wird symbolisiert durch die Klarheit des Blitzes.

Die Festigung der Gesetze erfolgt durch die gerechte Anwendung der Strafen. Das wird symbolisiert durch den Schrecken des Donners. Diese Klarheit und Strenge bezweckt, daß die Menschen in Respekt gehalten werden; nicht sind die Strafen um ihrer selbst willen wichtig.

Die Hindernisse im Zusammenleben der Menschen werden alle groß durch Unklarheit der Strafbestimmungen und Lässigkeit in ihrer Ausführung. Nur durch Klarheit und bestimmte Raschheit der Strafen werden die Gesetze gefestigt.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Steckt mit den Füßen im Block,
daß die Zehen verschwinden.
Kein Makel.

Wenn jemand sofort beim ersten Versuch, etwas Böses zu tun, der Strafe verfällt, so ist die Strafe nur leicht. Es werden nur die Zehen vom Block bedeckt. Er wird dadurch am Weitersündigen verhindert und wird so frei von Makel. Es ist das eine Mahnung, auf der Bahn des Bösen rechtzeitig einzuhalten.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Beißt durch weiches Fleisch,
daß die Nase verschwindet.
Kein Makel.

Recht und Unrecht lassen sich im vorliegenden Fall leicht unterscheiden. Es ist, wie wenn man durch weiches Fleisch beißt. Aber man trifft auf einen harten Sünder. Darum geht man aus Zorn in der Erregung etwas zu weit.

Das Verschwinden der Nase beim Zubeißen bedeutet, daß man den feinen Spürsinn infolge der Empörung verliert. Doch schadet das nicht viel, weil die Strafe als solche gerecht ist.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Beißt auf altes Dörrfleisch und trifft auf Giftiges.
Kleine Beschämung. Kein Makel.

Es soll jemand eine Strafe vollziehen, zu der er nicht genügend Macht und Ansehen besitzt. Darum fügen sich die Bestraften nicht. Es handelt sich um eine alte Sache – symbolisiert durch gesalzenes Wildbret – und dabei stößt man auf Schwierigkeiten Das alte Fleisch ist verdorben.

Man zieht sich durch Beschäftigung mit der Sache giftigen Haß zu. Dadurch kommt man etwas in eine beschämende Lage. Aber da es ein Erfordernis der Zeit war, zu strafen, so bleibt man doch frei von Makel.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Beißt auf getrocknetes Knorpelfleisch.
Erhält Metallpfeile.
Fördernd ist es, der Schwierigkeiten
eingedenk und beharrlich zu sein.
Heil!

Es sind sehr große Schwierigkeiten zu überwinden. Mächtige Gegner sollen bestraft werden. Das ist sehr mühsam. Doch es gelingt. Aber man muß die Härte von Metall und die Geradheit eines Pfeils besitzen, um die Schwierigkeiten zu überwinden.

Wenn man diese Schwierigkeiten kennt und beharrlich bleibt so erlangt man Heil. Die schwierige Aufgabe gelingt zuletzt.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Beißt auf getrocknetes Muskelfleisch.
Erhält gelbes Gold.
Beharrlich der Gefahr bewußt sein.
Kein Makel.

Man hat einen Fall zu entscheiden, der zwar nicht leicht, aber doch klar ist. Aber die eigene Natur ist zur Gutmütigkeit geneigt. Darum muß man sich zusammennehmen daß man ist wie gelbes Gold, d. h.d. h. unparteiisch – Gelb ist die Farbe der Mitte – und treu wie Gold.

Nur wenn man sich dauernd der Gefahren bewußt ist, die aus der Verantwortung entspringen, die man übernommen hat, bleibt man frei von Fehlern.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Steckt mit dem Hals im hölzernen Kragen,
daß die Ohren verschwinden.
Unheil!

Es handelt sich hier im Unterschied zu der Anfangslinie um einen Menschen, der unverbesserlich ist. Er trägt zur Strafe den hölzernen Halskragen. Aber seine Ohren verschwinden darin. Er hört nicht mehr auf Warnungen, sondern ist taub für sie. Diese Verstockung führt ins Unheil.

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I Ching | Hexagram 22

22. Bi
Die Anmut

oben Gen, das Stillehalten, der Berg
unten Li, das Haftende, das Feuer

Das Zeichen zeigt ein Feuer, das aus den geheimen Tiefen der Erde hervorbricht und emporflackernd den Berg, die himmlische Höhe, erleuchtet und verschönt. Die Anmut, die schöne Form ist nötig bei jeder Vereinigung, damit sie geordnet und lieblich wird und nicht chaotisch und ungeordnet.

DAS URTEIL

Anmut hat Gelingen.
Im Kleinen ist es fördernd,
etwas zu unternehmen.

Die Anmut bringt Gelingen. Aber sie ist nicht das Wesentliche, die Grundlage, sondern nur die Verzierung. Daher darf sie nur sparsam, im Kleinen angewandt werden. In dem unteren Zeichen, Feuer, tritt eine weiche Linie zwischen zwei starke und macht sie schön; die starken aber sind das Wesen, die schwache Linie ist die verschönernde Form.

Im oberen Zeichen, Berg, tritt die starke Linie bestimmend an die Spitze, so daß sie auch hier als ausschlaggebend in Betracht kommt. In der Natur sieht man am Himmel das starke Licht der Sonne. Auf ihr beruht das Leben der Welt.

Aber dieses Starke, Wesentliche wird umgewandelt und findet anmutige Abwechslung durch Mond und Sterne. Im Menschenleben besteht die schöne Form darin, daß wie Berge feststehende, starke Ordnungen da sind, die durch die klare Schönheit gefällig gemacht werden.

Die Betrachtung der Formen am Himmel verleiht die Fähigkeit, die Zeit und ihre wechselnden Anforderungen zu verstehen. Die Betrachtung der Formen im Menschenleben verleiht die Möglichkeit, die Welt zu gestalten.

Bemerkung: Das Zeichen zeigt die ruhende Schönheit: innen Klarheit und außen Stille. Das ist die Ruhe der reinen Betrachtung. Wenn das Begehren schweigt, der Wille zur Ruhe kommt, dann tritt die Welt als Vorstellung in die Erscheinung. Und als solche ist sie schön und dem Kampf des Daseins entnommen.

Das ist die Welt der Kunst. Aber durch bloße Betrachtung wird der Wille nicht endgültig zur Ruhe gebracht. Er wird wieder erwachen, und alles Schöne war dann nur ein vorübergehender Moment der Erhebung.

Darum ist dies noch nicht der eigentliche Weg zur Erlösung. Kungtse fühlte sich daher auch sehr unbehaglich, als er bei Gelegenheit einer Befragung des Orakels das Zeichen Anmut bekam.

DAS BILD

Unten am Berg ist das Feuer:
das Bild der Anmut.
So verfährt der Edle bei der Klarstellung
der laufenden Angelegenheiten,
aber er wagt es nicht,
danach große Streitfragen zu entscheiden.

Das Feuer, dessen Schein den Berg erleuchtet und anmutig macht, leuchtet nicht auf große Entfernung. So genügt anmutige Form zwar, um kleinere Angelegenheiten zu erheitern und zu erhellen, aber wichtige Fragen können in dieser Weise nicht entschieden werden. Sie bedürfen größeren Ernstes.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Macht seine Zehen anmutig,
verläßt den Wagen und geht.

Die Stellung zu Beginn und an untergeordnetem Platze bringt es mit sich, daß man die Mühe des Vorankommens selbst auf sich nehmen muß. Man hätte Gelegenheit, sich unter der Hand eine Erleichterung dargestellt unter dem Bild des Wagens – zu verschaffen.

Aber ein in sich geschlossener Mensch verschmäht solche auf zweifelhafte Weise erlangte Erleichterungen. Er findet es anmutiger, zu Fuß zu gehen, als unrechtmäßigerweise im Wagen zu fahren.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Macht seinen Kinnbart anmutig.

Der Bart ist nichts Selbständiges. Er kann nur mit dem Kinn zusammen bewegt werden. Das Bild bedeutet daher, daß die Form nur im Gefolge und als Begleiterscheinung des Gehalts in Betracht kommt.

Der Bart ist eine überflüssige Zierde. Seine selbständige Pflege ohne Rücksicht auf den zu schmückenden inneren Gehalt – wäre daher ein Zeichen einer gewissen Eitelkeit.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Anmutig und feucht.
Dauernde Beharrlichkeit bringt Heil.

Es ist eine höchst anmutige Lebenslage, in der man sich befindet. Anmut und feuchtverklärter Glanz umgeben einen. Diese Anmut kann wohl schmücken, sie kann aber auch versinken lassen. Daher die Warnung, nicht in der feuchten Bequemlichkeit zu versinken, sondern dauernd beharrlich zu bleiben. Darauf beruht das Heil.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Anmut oder Einfachheit?
Ein weißes Pferd kommt wie geflogen:
Nicht Räuber er ist, will freien zur Frist.

Man ist in einer Lage, in der sich Zweifel ergeben, ob man weiterhin die Anmut äußeren Glanzes suchen soll oder ob es nicht besser ist, zur Einfachheit zurückzukehren. In diesem Zweifel liegt schon die Antwort. Von außen naht sich eine Bestärkung. Es kommt heran wie ein weißes Flügelpferd.

Die weiße Farbe deutet auf Einfachheit. Und wenn es auch im ersten Augenblick enttäuschend wirken könnte, daß man die Bequemlichkeiten, die man auf anderm Wege sich verschaffen könnte, entbehren muß: in der treuen Verbindung mit dem Freund und Freier findet man Beruhigung.

Das fliegende Pferd ist das Bild der Gedanken, die alle Schranken des Raums und der Zeit überfliegen.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Anmut in Hügeln und Gärten.
Das Seidenbündel ist ärmlich und klein.
Beschämung, doch schließlich Heil.

Man zieht sich aus dem Verkehr mit den Menschen der Tiefe, die nur Pracht und Luxus suchen, zurück in die Einsamkeit der Höhen. Da findet man einen Menschen, zu dem man aufblickt und den man sich zum Freunde machen möchte.

Aber die Gastgeschenke, die man zu bieten hat, sind nur gering und dürftig, so daß man beschämt ist. Doch kommt es nicht auf die äußere Gabe an, sondern auf die wahre Gesinnung; darum geht schließlich alles gut.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Schlichte Anmut.
Kein Makel.

Hier auf der obersten Stufe wird aller Schmuck abgelegt. Die Form verdeckt nicht mehr den Gehalt, sondern läßt ihn zur vollen Geltung kommen. Die höchste Anmut besteht nicht in äußerer Verzierung des Materials, sondern in seiner schlichten, sachgemäßen Gestaltung.

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I Ching | Hexagram 2323. Bo
Die Zersplitterung

oben Gen, das Stillehalten, der Berg
unten Kun, das Empfangende, die Erde

Die dunklen Linien sind im Begriff, nach oben zu steigen und auch den letzten festen und lichten Strich zu Fall zu bringen, indem sie ihn durch ihren Einfluß zersetzen.

Das Gemeine, Dunkle bekämpft das Edle, Starke nicht direkt, sondern höhlt es durch unmerkliche Wirkung allmählich aus, so daß es schließlich zusammenbricht.

Das Zeichen stellt das Bild eines Hauses dar. Der oberste Strich ist das Dach. Indem nun das Dach zerbrochen wird, zerfällt das Haus.

Das Zeichen ist dem neunten Monat (Oktober-November) zugeordnet. Die Yinkraft dringt immer mächtiger heran und ist im Begriff, die Yangkraft völlig zu verdrängen.

DAS URTEIL

Die Zersplitterung.
Nicht fördernd ist es, wohin zu gehen.

Es ist eine Zeit, da die Gemeinen im Vordringen sind und eben im Begriff stehen, die letzten Starken und Edlen zu verdrängen. Darum, weil das im Lauf der Zeit begründet ist, ist es für den Edlen unter solchen Umständen nicht förderlich, etwas zu unternehmen. Aus den Bildern und ihren Eigenschaften ist das rechte Verhalten in solchen widrigen Zeiten zu entnehmen.

Das untere Zeichen bedeutet die Erde, deren Eigenschaft die Fügsamkeit und Hingebung ist, das obere Zeichen bedeutet den Berg, dessen Eigenschaft die Stille ist. Das legt den Rat nahe, sich in die böse Zeit zu fügen und stille zu sein.

Es handelt sich hier nicht um menschliches Machen, sondern um Zeitverhältnisse, die nach himmlischen Gesetzen auch einen Wechsel von Zunahme und Abnahme, Fülle und Leere zeigen. Diesen Zeitverhältnissen läßt sich nicht entgegenwirken. Daher ist es nicht Feigheit, sondern Weisheit, wenn man sich fügt und vermeidet zu handeln.

DAS BILD

Der Berg ruht auf der Erde:
das Bild der Zersplitterung.
So können die Oberen nur durch reiches
Spenden an die Unteren ihre Stellung sichern.

Der Berg ruht auf der Erde. Wenn er steil und schmal ist und keine breite Grundlage hat, so muß er einstürzen. Nur dadurch, daß er breit und groß sich aus der Erde erhebt, nicht stolz und steil, ist seine Stellung gesichert.

So ruhen auch die Herrschenden auf der breiten Grundlage des Volks. Auch für sie gilt es, freigebig und großzügig zu sein, wie die Erde, die alles trägt; dann werden sie ihre Stellung in Sicherheit bringen wie die Ruhe eines Berges.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Das Bett wird zersplittert am Bein.
Die Beharrlichen werden vernichtet. Unheil.

Die Gemeinen kommen heran und fangen heimlich von unten an mit ihrer zerstörenden Wühlarbeit, um auf diese Weise den Platz, auf dem der Edle ruht, zu untergraben.

Die Anhänger des Herrschers, die ihm treu bleiben, werden durch Verleumdung und alle möglichen Machenschaften vernichtet. Die Lage ist unheilvoll. Doch läßt sich nichts tun als warten.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Das Bett wird zersplittert am Rand.
Die Beharrlichen werden vernichtet.
Unheil.

Die Macht der Gemeinen wächst. Schon naht sich die Gefahr der eigenen Person. Es kommen schon deutliche Anzeichen. Die Ruhe wird gestört. Während man sich in dieser gefährlichen Lage befindet, ist man zudem noch ohne Hilfe und Entgegenkommen von oben und unten.

In dieser Isolierung ist äußerste Vorsicht nötig. Man muß sich nach der Zeit richten und rechtzeitig ausweichen. Wollte man unbeugsam und beharrlich seinen Standpunkt weiter vertreten, so würde das zum Untergang führen.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Er zersplittert sich mit Ihnen.
Kein Makel.

Man steht mitten drin in einer schlechten Umgebung, mit der man auch durch äußere Verbindungen zusammenhängt. Doch besteht eine innere Beziehung zu einem höheren Menschen. Dadurch gewinnt man den inneren Halt, daß man sich frei machen kann von dem Wesen der Menschen der Umgebung. Man kommt dadurch wohl in Gegensatz zu ihnen, aber das ist kein Fehler.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Das Bett wird zersplittert bis zur Haut.
Unheil.

Das Unglück erreicht hier den eigenen Leib, nicht mehr nur den Ruheplatz. Eine Warnung oder sonstiger Zusatz ist nicht beigefügt. Das Unheil ist auf der Höhe: es läßt sich nicht mehr abwenden.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Ein Zug Fische.
Durch die Palastdamen kommt Gunst.
Alles ist förderlich.

Hier in unmittelbarer Nähe des oberen starken und lichten Prinzips wandelt sich die Natur des Dunklen. Es widerstrebt nicht mehr ränkevoll dem starken Prinzip sondern unterwirft sich seiner Leitung.

Ja als Haupt der übrigen Schwachen führt es diese alle dem Starken zu, gleichwie eine Fürstin ihre Dienerinnen ihrem Gatten wie einen Zug Fische zuführt und dadurch seine Gunst erlangt.

Indem das Niedere sich so freiwillig dem Höheren unterstellt, findet es sein Glück, und auch das Höhere kommt zu seinem Recht. Darum geht alles gut.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Eine große Frucht ist noch ungegessen da.
Der Edle erhält einen Wagen.
Dem Gemeinen zersplittert sein Haus.

Hier ist das Ende der Zersplitterung erreicht. Wenn sich das Unheil ausgetobt hat, kommen wieder bessere Zeiten. Der Same des Guten ist noch übrig. Gerade wenn die Frucht zur Erde fällt, wächst aus ihrem Samen aufs neue das Gute hervor. Der Edle kommt wieder zu Einfluß und Wirksamkeit.

Er wird getragen von der öffentlichen Meinung wie auf einem Wagen. Am Gemeinen aber rächt sich seine Bosheit. Sein Haus zersplittert. Darin liegt ein Naturgesetz.

Das Böse ist nicht nur dem Guten verderblich, sondern es vernichtet in seinen letzten Konsequenzen sich selbst; denn das Böse, das nur von der Verneinung lebt, kann aus sich selbst nicht bestehen. Auch der Gemeine fährt am besten, wenn er von einem Edlen in Zucht gehalten wird.

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I Ching | Hexagram 2424. Fu
Die Wiederkehr, (die Wendezeit)

oben Kun, das Empfangende, die Erde
unten Dschen, das Erregende, der Donner

Die Wendezeit wird dadurch angedeutet, daß, nachdem die dunklen Linien die lichten alle nach oben hinausgedrängt haben, nun wieder ein lichter Strich von unten her in das Zeichen eintritt.

Die Zeit des Dunkels ist vorüber. Die Sonnenwende bringt den Sieg des Lichts. Das Zeichen ist dem elften Monat, dem Monat der Sonnenwende (Dezember-Januar) zugeordnet.

DAS URTEIL

Die Wiederkehr. Gelingen.
Ausgang und Eingang ohne Fehl.
Freunde kommen ohne Makel.
Hin und her geht der Weg.
Am siebten Tage kommt die Wiederkehr.
Fördernd ist es, zu haben, wohin man geht.

Nach einer Zeit des Zerfalls kommt die Wendezeit. Das starke Licht, das zuvor vertrieben war, tritt wieder ein. Es gibt Bewegung. Diese Bewegung ist aber nicht erzwungen. Das obere Zeichen Kun hat als Charakter die Hingebung.

Es ist also eine natürliche Bewegung, die sich von selbst ergibt. Darum ist die Umgestaltung des Alten auch ganz leicht. Altes wird abgeschafft, Neues wird eingeführt, beides entspricht der Zeit und bringt daher keinen Schaden.

Vereinigungen von Gleichgesinnten bilden sich. Aber dieser Zusammenschluß vollzieht sich in voller Öffentlichkeit, er entspricht der Zeit, und darum ist jedes egoistische Sonderbestreben ausgeschlossen, und aus diesen Vereinigungen ergibt sich kein Fehler.

Die Wiederkehr ist im Naturlauf begründet. Die Bewegung ist kreisförmig. Der Weg ist in sich geschlossen. Darum braucht man nichts künstlich zu überstürzen. Es kommt alles von selber, wie es an der Zeit ist. Das ist der Sinn von Himmel und Erde.

Alle Bewegungen vollziehen sich in sechs Stufen. Die siebente Stufe bringt dann die Wiederkehr. So kommt im siebenten Monat nach der Sommersonnenwende, von der an das Jahr abwärts geht, die Wintersonnenwende, ebenso kommt in der siebenten Doppelstunde nach Sonnenuntergang der Sonnenaufgang.

Darum ist die Sieben die Zahl des jungen Lichts, die dadurch entsteht, daß die Sechs, die Zahl des großen Dunkels, sich um eins steigert. Damit kommt Bewegung in den Stillstand.

DAS BILD

Der Donner inmitten der Erde:
das Bild der Wendezeit.
So schlossen die alten Könige
zur Sonnwendzeit die Pässe.
Händler und Fremdlinge wanderten nicht,
und der Herrscher bereiste nicht die Gegenden.

Die Wintersonnenwende wurde in China von jeher als die Ruhezeit des Jahres gefeiert – ein Brauch, der sich in der Neujahrsruhezeit noch immer erhalten hat. Im Winter ist die Lebenskraft – symbolisiert durch das Erregende, den Donner – noch unter der Erde. Die Bewegung ist in ihren ersten Anfängen.

Darum muß man sie durch Ruhe kräftigen, damit sie nicht durch vorzeitigen Verbrauch sich verläuft. Dieser Grundsatz, die wieder einsetzende Kraft durch Ruhe erstarken zu lassen, gilt von allen entsprechenden Verhältnissen.

Die wiederkehrende Gesundheit nach einer Krankheit, die wiederkehrende Verständigung nach einer Entzweiung: alles muß im ersten Anfang zart und schonend behandelt werden, damit die Wiederkehr zur Blüte führt.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Wiederkehr aus geringer Entfernung.
Es bedarf keiner Reue.
Großes Heil!

Kleine Abweichungen vom Guten sind nicht zu vermeiden. Man muß nur rechtzeitig umkehren, ehe man zu weit gegangen. Das ist besonders bei der Bildung des Charakters von Wichtigkeit.

Jeder leise böse Gedanke muß sofort beseitigt werden, ehe man darin zu weit geht und sich verfestigt. So hat man keine Reue nötig, und alles geht sehr gut.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Ruhige Wiederkehr. Heil!

Die Umkehr bedarf immer eines Entschlusses und ist ein Akt der Selbstbezwingung. Sie wird erleichtert, wenn man in guter Gesellschaft ist. Wenn man es über sich gewinnt, sich herunterzugeben und sich nach guten Menschen zu richten, so bringt das Heil.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Mehrfache Wiederkehr.
Gefahr. Kein Makel.

Es gibt Menschen von einer gewissen inneren Unbeständigkeit. Für sie ist fortwährend Umkehr der Willensrichtung nötig. In diesem fortwährenden Abwenden vom Guten aus unbeherrschter Neigung und wieder Zuwenden aus besserem Entschluß liegt eine Gefahr.

Aber da auf diese Weise eine Verfestigung im Bösen doch auch nicht eintritt, ist die allgemeine Richtung auf Ablegung des Fehlers nicht ausgeschlossen.
I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
In der Mitte der andern wandelnd,
kehrt man allein wieder.

Man ist mitten in einer Gesellschaft von geringen Menschen, aber man hat innere Beziehungen zu einem starken und guten Freund. Infolge davon kehrt man allein um. Obwohl von Lohn und Strafe nicht die Rede ist, so ist es doch sicher günstig; denn ein solcher Entschluß zum Guten trägt seinen Lohn in sich.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Großzügige Wiederkehr. Keine Reue.

Wenn die Zeit zur Umkehr da ist, dann soll man sich nicht hinter kleinliche Ausreden verstecken, sondern in sich gehen und sich prüfen. Und wenn man etwas falsch gemacht hat, dann soll man in großzügigem Entschluß seinen Fehler eingestehen. Das ist ein Weg, der niemand gereuen wird.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Verfehlung der Wiederkehr. Unheil.
Unglück von außen und innen.
Wenn man so Heere marschieren läßt,
wird man schließlich
eine große Niederlage erleiden,
so daß es für den Landesherrn unheilvoll ist.
Zehn Jahre lang ist man nicht
mehr imstande anzugreifen.

Wenn man die rechte Zeit zur Umkehr versäumt, so kommt man ins Unheil. Das Unglück ist innerlich begründet durch die falsche Stellung zum Weltzusammenhang. Äußeres Unglück ist die Folge dieser falschen Stellung. Es ist die Verstockung und ihr Gericht, das gezeichnet wird.

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I Ching | Hexagram 25

25. Wu Wang
Die Unschuld, (das Unerwartete)

oben Kiën, das Schöpferische, der Himmel
unten Dschen, das Erregende, der Donner

Oben ist Kiën, der Himmel, unten ist Dschen, die Bewegung. Das untere Zeichen, Dschen, wird bestimmt durch den starken Strich, den es von oben her, vom Himmel, bekommen hat.

Wenn demgemäß die Bewegung dem Gesetz des Himmels folgt, dann ist der Mensch unschuldig und ohne Falsch. Das ist das Echte, Natürliche, das durch keine Überlegungen und Hintergedanken getrübt ist.

Wo man die Absicht merkt, da ist die Wahrheit und Unschuld der Natur verloren. Natur ohne die Direktive des Geistes ist nicht wahre Natur, sondern degenerierte Natur.

Von dem Gedanken des Natürlichen aus geht die Gedankenbildung teilweise noch weiter, und so umfaßt das Zeichen auch noch den Gedanken des Unbeabsichtigten, Unerwarteten.

DAS URTEIL

Die Unschuld.
Erhabenes Gelingen.
Fördernd ist Beharrlichkeit.
Wenn jemand nicht recht ist,
so hat er Unglück,
und nicht fördernd ist es,
irgend etwas zu unternehmen.

Der Mensch hat vom Himmel die ursprünglich gute Natur erhalten, daß sie ihn bei allen Bewegungen leite. Durch Hingabe an dieses Göttliche in ihm erlangt der Mensch eine lautere Unschuld, die ohne Hintergedanken an Lohn und Vorteil einfach das Rechte tut mit instinktiver Sicherheit.

Diese instinktive Sicherheit bewirkt erhabenes Gelingen und ist fördernd durch Beharrlichkeit. Es ist aber nicht alles Instinktive Natur in diesem höheren Sinn des Wortes, sondern nur das Rechte, das mit dem Willen des Himmels übereinstimmt. Ohne dieses Rechte wirkt eine unüberlegte instinktive Handlungsweise nur Unglück.

Meister Kung sagt darüber:

Wer von der Unschuld abweicht, wo kommt der hin? Des Himmels Wille und Segen ist nicht mit seinen Taten.

DAS BILD

Unter dem Himmel geht der Donner:
alle Dinge erlangen
den Naturzustand der Unschuld.
So pflegten und nährten die alten Könige,
reich an Tugend und entsprechend der Zeit,
alle Wesen.

Wenn der Donner – die Lebenskraft – im Frühling sich unter dem Himmel wieder regt, dann sproßt und wächst alles, und alle Geschöpfe erhalten von der schaffenden Natur die Kindesunschuld des ursprünglichen Wesens.

So machen es auch die guten Herrscher der Menschen: Mit dem inneren Reichtum ihres Wesens sorgen sie für alles Leben und alle Kultur und tun alles, was zu deren Pflege nötig ist, zur rechten Zeit.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Unschuldiger Wandel bringt Heil!

Die ersten ursprünglichen Regungen des Herzens sind immer gut, so daß man ihnen getrost folgen kann und gewiß sein darf, daß man Glück hat und seine Absicht erreicht.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Wenn man beim Pflügen nicht ans Ernten denkt
und beim Roden nicht an das Benützen des Feldes:
dann ist es fördernd, etwas zu unternehmen.

Man soll jede Arbeit um ihrer selbst willen tun, wie Zeit und Ort sie verlangen, und nicht nach dem Erfolg schielen, dann gerät sie, und was man unternimmt, hat Erfolg.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Unverschuldetes Unglück:
Die Kuh, die von jemand angebunden war,
ist des Wanderers Gewinn, des Bürgers Verlust.

Manchmal kommt unverschuldetes Unglück über einen, das von einem andern veranlaßt wird, wie etwa, wenn ein Mann des Weges kommt und eine angebundene Kuh mitlaufen läßt.

Sein Gewinn ist des Besitzers Verlust. Bei allen, auch bei unschuldigen Handlungen, muß man sich nach der rechten Zeit richten, sonst kommt unerwartetes Unglück über einen.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Wer vermag beharrlich zu sein,
bleibt ohne Makel.

Was einem wirklich gehört, das kann man nicht verlieren, und wenn man es wegwürfe. Man braucht darum gar nicht besorgt zu sein. Man muß nur darum besorgt sein, daß man seinem eigenen Wesen treu bleibt und nicht auf andere hört.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Bei unverschuldeter Krankheit
gebrauche keine Arznei.
Es wird schon von selber gut werden.

Kommt von außen her, durch Zufall, ein unerwartetes Übel, das nicht in der eigenen Natur begründet ist und in ihr seinen Anhaltspunkt hat, so soll man nicht nach äußeren Mitteln greifen zu seiner Beseitigung, sondern der Natur ruhig ihren Lauf lassen, dann wird es von selbst besser.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Unschuldiges Handeln bringt Unglück.
Nichts ist fördernd.

Wenn man in einer Lage ist, da kein Fortschritt mehr an der Zeit ist, da gilt es ruhig und ohne Hintergedanken zu warten. Wenn man unüberlegt handelt, um wider das Schicksal voranzukommen, so wird ein Erfolg nicht erreicht.

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I Ching | Hexagram 2626. Da Tschu
Des Großen Zähmungskraft

oben Gen, das Stillehalten, der Berg
unten Kiën, das Schöpferische, der Himmel

Das Schöpferische wird durch das Stillehalten bezähmt. Das gibt eine große Kraft, ganz anders als bei Nr. 9 Des Kleinen Zähmungskraft, wo nur das Sanfte das Schöpferische bezähmt. Während dort ein schwacher Strich die fünf Starken bezähmen soll, sind es hier zwei, außer dem Minister auch noch der Fürst.

Darum ist ihre Zähmungskraft weit stärker. Eine dreifache Bedeutung liegt in dem Zeichen: der Himmel inmitten des Bergs gibt den Gedanken des Festhaltens = Beisammenhaltens; das Zeichen Gen, welches das Zeichen Kiën stillhält, gibt den Gedanken des Festhaltens = Zurückhaltens.

Indem schließlich ein starker Strich oben der Herr des Zeichens ist, der als Weiser geehrt und gepflegt wird, so ergibt sich hieraus der Gedanke des Festhaltens = Pflege, Ernährung. Der letzte Gedanke kommt namentlich bei dem Herrn des Zeichens, dem starken oberen Strich, der den Weisen repräsentiert, zur Geltung.

DAS URTEIL

Des Großen Zähmungskraft.
Fördernd ist Beharrlichkeit.
Nicht zu Hause essen bringt Heil.
Fördernd ist es,
das große Wasser zu durchqueren.

Zum Festhalten und Ansammeln von großen, schöpferischen Kräften, wie es in dem Zeichen dargestellt ist, bedarf es eines starken, klaren Mannes, der vom Herrscher geehrt wird.

Das Zeichen Kiën deutet auf starke Schöpferkraft, das Zeichen Gen auf Festigkeit und Wahrheit, beide deuten auf Licht und Klarheit und auf tägliche Erneuerung des Charakters.

Nur durch eine solche tägliche Selbsterneuerung bleibt man auf der Höhe der Kraft. Während in ruhiger Zeit die Macht der Gewohnheit behilflich ist zur Ordnung, kommt es in solch großen Zeiten der Kraftansammlung ganz auf die Macht der Persönlichkeit an.

Aber weil die Würdigen geehrt werden, wie die starke Persönlichkeit, die vom Herrscher mit der Leitung betraut ist, beweist, darum ist es günstig, nicht zu Hause zu essen, sondern in der Öffentlichkeit durch Übernahme eines Amtes sein Brot zu verdienen.

Man ist im Einklang mit dem Himmel; darum gelingen auch schwere, gefahrvolle Unternehmungen, wie das Durchqueren des großen Wassers.

DAS BILD

Der Himmel inmitten des Berges:
das Bild von des Großen Zähmungskraft.
So lernt der Edle viele Worte der Vorzeit
und Taten der Vergangenheit kennen,
um dadurch seinen Charakter zu festigen.

Der Himmel inmitten des Berges deutet auf verborgene Schätze. So liegt in den Worten und Taten der Vergangenheit ein Schatz verborgen, der zur Festigung und Steigerung des eigenen Charakters verwendet werden kann.

Das ist die rechte Art des Studiums, sich nicht auf historisches Wissen zu beschränken, sondern das Historische durch Anwendung immer wieder gegenwärtig zu machen.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Es ist Gefahr da.
Fördernd ist es, abzustehen.

Man wünschte wohl ein kräftiges Fortschreiten. Allein in den Verhältnissen liegt eine Behinderung. Man sieht sich festgehalten. Wollte man den Fortschritt erzwingen, so würde das ins Unglück bringen. Darum ist es besser, sich zu fassen und zu warten, bis den angesammelten Kräften ein Ausweg sich öffnet.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Dem Wagen werden die Achsenlager abgenommen.

Hier ist das Fortschreiten gehemmt, ähnlich wie bei des Kleinen Zähmungskraft (Nr. 9) auf drittem Platz. Aber während dort die hemmende Kraft gering ist und daher ein Konflikt entsteht zwischen dem Vorwärtsdrängenden und dem Hemmenden, infolgedessen dem Wagen die Speichen abspringen, ist hier die hemmende Kraft unbedingt überlegen.

Daher findet kein Kampf statt. Man fügt sich und nimmt zunächst dem Wagen die Achsenlager ab, d. h. beschränkt sich zunächst aufs Warten. Dadurch sammelt sich die Spannkraft zu späterem energischem Fortschritt.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Ein gutes Pferd, das andern folgt.
Fördernd ist Bewußtsein
der Gefahr und Beharrlichkeit.
Täglich übe dich im
Wagenfahren und Waffenschutz.
Fördernd ist es, zu haben, wohin man geht.

Der Weg öffnet sich. Die Hemmung hat aufgehört. Man steht in Beziehung zu einem starken Willen, der in gleicher Richtung wirkt. Man kommt voran wie ein gutes Pferd, das einem andern folgt. Aber es droht noch Gefahr, deren man bewußt bleiben muß, um sich nicht die Festigkeit rauben zu lassen.

So muß man einerseits sich üben in dem, was voran führt, andererseits in dem, was gegen unvermuteten Angriff schützt. Dann ist es gut, ein Ziel zu haben, dem man zustrebt.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Das Schutzbrett eines jungen Stieres.
Großes Heil!

Diese Linie und die nächstfolgende sind es, die die vorwärtsstrebenden unteren zähmen. Ehe einem Stier die Hörner gewachsen sind, bringt man an seiner Stirn ein Schutzbrett an, das vorsorgt, daß, wenn erst die Hörner da sind, sie nicht mehr verletzen können.

Eine gute Art der Zähmung ist es, der ausbrechenden Wildheit zu begegnen, ehe sie sich äußert; dadurch schafft man sich einen leichten und großen Erfolg.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Eines verschnittenen Ebers Zahn.
Heil!

Hier ist die Zähmung des ungestüm Vorwärtsdrängenden auf indirekte Weise erreicht. Der Zahn des Ebers ist an sich gefährlich, aber wenn die Natur des Ebers verändert ist, so verliert er seine Gefährlichkeit. So muß man auch bei Menschen die Wildheit nicht direkt bekämpfen, sondern die Wurzeln der Wildheit beseitigen.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Man erlangt den Himmelsweg.
Gelingen.

Die Zeit der Hemmung ist vorüber. Die lange durch Hemmung angesammelte Kraft bricht sich Bahn und hat großen Erfolg. Es ist ein Weiser, der vom Herrscher geehrt wird und dessen Grundsätze nun durchdringen und die Welt gestalten.

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I Ching | Hexagram 2727. I
Die Mundwinkel, (die Ernährung)

oben Gen, das Stillehalten, der Berg
unten Dschen, das Erregende, der Donner

Das Zeichen ist das Bild eines geöffneten Mundes: oben und unten die festen Lippen und dazwischen die Öffnung des Mundes. Vom Bild des Mundes, durch den man die Speisen aufnimmt, um sich zu ernähren, geht der Gedanke auf die Ernährung selbst über.

In den drei unteren Linien ist die eigene Ernährung, und zwar die leibliche, in den drei oberen Linien ist die Ernährung und Pflege der andern, und zwar die geistige, höhere, zur Darstellung gebracht.

DAS URTEIL

Die Mundwinkel.
Beharrlichkeit bringt Heil.
Sieh auf die Ernährung und womit einer
selbst sucht seinen Mund zu füllen.

Bei der Zuwendung von Pflege und Ernährung ist es wichtig, daß für die rechten Leute gesorgt wird und man für seine eigene Ernährung in der rechten Weise sorgt. Wenn man jemand kennenlernen will, so braucht man nur darauf zu sehen, wem jemand seine Pflege angedeihen läßt und welche Seiten seines eigenen Wesens er pflegt und nährt.

Die Natur nährt alle Wesen. Der große Mann nährt und pflegt die Tüchtigen, um durch sie für alle Menschen zu sorgen.

Mong Dsï VI A 14 sagt hierzu: Wenn man erkennen will, ob einer tüchtig ist oder untüchtig, so braucht man auf nichts anderes zu sehen als darauf, welchen Teil seines Wesens er besonders wichtig nimmt.

Der Leib hat edle Teile und unedle, hat wichtige Teile und geringe. Man darf um des Geringen willen nicht das Wichtige schädigen und um des Unedlen willen nicht das Edle schädigen.

Wer die geringen Teile seines Wesens pflegt, der ist ein geringer Mensch. Wer die edlen Teile seines Wesens pflegt, der ist ein edler Mensch.

DAS BILD

Unten am Berg ist der Donner:
das Bild der Ernährung.
So hat der Edle acht auf seine Worte
und ist mäßig im Essen und Trinken.

Gott tritt hervor im Zeichen der Erregung. Wenn im Frühling die Lebenskräfte sich wieder regen, dann entstehen alle Dinge aufs neue. Er vollendet im Zeichen des Stillehaltens. So werden im Vorfrühling, wenn die Samen zur Erde fallen, alle Dinge fertig. Das gibt das Bild der Ernährung durch Bewegung und Stille.

Der Edle nimmt das zum Vorbild für die Ernährung und Pflege seines Charakters. Die Worte sind von innen nach außen gehende Bewegung. Essen und Trinken ist die von außen nach innen gehende Bewegung. Beide Arten von Bewegung sind durch Stille zu mäßigen.

So bewirkt die Stille, daß die vom Mund ausgehenden Worte das Maß nicht überschreiten und die zum Mund eingehende Nahrung das Maß nicht überschreitet. Dadurch wird der Charakter gepflegt.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Du läßt deine Zauberschildkröte fahren
und blickst nach mir mit
herabhängenden Mundwinkeln.
Unheil!

Die Zauberschildkröte ist ein Wesen, das keiner irdischen Nahrung bedarf, sondern solche Zauberkraft besitzt, daß es von der Luft leben kann. Das Bild besagt, daß man seiner Art und Stellung nach ganz gut frei und unabhängig aus sich selbst heraus leben könnte.

Statt dessen verzichtet man auf diese innere Selbständigkeit und blickt mit Neid und Unmut zu andern empor, die es äußerlich besser haben. Dieser niedrige Neid ruft aber bei dem andern nur Hohn und Verachtung hervor. Das ist vom Übel.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Nach dem Gipfel sich wenden um Ernährung.
Vom Wege abweichen, um von dem Hügel
Ernährung zu suchen:
wenn man so fortmacht, bringt es Unheil.

Das Normale ist, daß man für seine Nahrung selbst sorgt oder sich von denen, die Pflicht und Recht dazu haben, auf rechtmäßige Weise ernähren läßt.

Wenn man durch innere Schwäche nicht imstande ist, für seine Ernährung zu sorgen, so zeigt sich leicht eine Unruhe, indem man unter Umgehung des rechtmäßigen Erwerbs durch Gunst sich seinen Lebensunterhalt von höher Gestellten schenken läßt. Das ist unwürdig, denn man weicht von seiner Art ab. Das führt, dauernd betrieben, zu Unheil.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Abweichen von der Ernährung.
Beharrlichkeit bringt Unheil.
Zehn Jahre handle nicht danach.
Nichts ist fördernd.

Wer Nahrung sucht, die nicht nährt, der taumelt von Begierde zu Genuß, und im Genuß verschmachtet er nach Begierde. Leidenschaftlicher Taumel, um die Sinne zu befriedigen, führt nie zum Ziel. Nie (zehn Jahre ist eine vollendete Periode) darf man so handeln. Es kommt nichts Gutes dabei heraus.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Nach dem Gipfel sich wenden
um Ernährung bringt Heil.
Mit scharfen Augen wie ein Tiger umherspähen
in unersättlichem Begehren. Kein Makel.

Anders als bei der Sechs auf zweitem Platz, die einen Menschen bedeutet, der geschäftig nur auf seinen eigenen Vorteil bedacht; ist, bedeutet diese Linie einen Menschen, der von hoher Stelle aus bestrebt ist, sein Licht leuchten zu lassen.

Dazu braucht er Hilfskräfte, weil er allein sein hohes Ziel nicht erreichen kann. Begierig wie ein hungriger Tiger ist er darauf aus, die rechten Leute zu finden. Aber weil er nicht für sich, sondern für die Allgemeinheit sorgt, ist solcher Eifer kein Fehler.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Abweichen vom Weg.
Bleiben in Beharrlichkeit bringt Heil.
Man soll nicht das große Wasser durchqueren.

Man ist sich eines Mangels bewußt. Man sollte für die Ernährung der Menschen sorgen, aber man hat nicht die Kraft dazu. So muß man vom gewohnten Weg abweichen und sich von einem geistig überlegenen, aber äußerlich unscheinbaren Menschen Rat und Hilfe erbitten.

Wenn man diese Gesinnung beharrlich hegt, so hat man Erfolg und Heil. Nur muß man sich seiner Abhängigkeit bewußt bleiben. Man darf nicht mit seiner eigenen Person hervortreten und große Werke, wie das Durchqueren des großen Wassers, unternehmen wollen.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Die Quelle der Ernährung.
Bewußtsein der Gefahr bringt Heil.
Fördernd ist es,
das große Wasser zu durchqueren.

Es ist hier ein Weiser höchster Art, von dem alle Einflüsse ausgehen, die für die Ernährung der andern sorgen. Eine solche Stellung bringt schwere Verantwortung. Bleibt er sich deren bewußt, so hat er Heil und mag auch große und schwere Werke, wie das Durchqueren des großen Wassers, getrost unternehmen. Sie bringen allgemeines Glück für ihn und alle.

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I Ching | Hexagram 2828. Da Go
Des Großen Übergewicht

oben Dui, das Heitere, der See
unten Sun, das Sanfte, der Wind

Das Zeichen besteht aus vier starken Strichen im Innern und zwei schwachen Linien außen. Wenn die Starken außen und die Schwachen innen sind, so ist das gut und kein Übergewicht, nichts Außerordentliches liegt vor.

Hier ist das Umgekehrte der Fall. Das Zeichen stellt einen Balken dar, der innen dick und schwer, aber an den Enden zu schwach ist. Das ist kein Dauerzustand. Er muß verändert werden, vorübergehen, sonst droht Unheil.

DAS URTEIL

Des Großen Übergewicht.
Der Firstbalken biegt sich durch.
Fördernd ist es, zu haben, wohin man gehe.
Gelingen.

Das Große ist im Übergewicht. Die Belastung ist zu groß für die tragenden Kräfte. Der Firstbalken, auf dem das ganze Dach ruht, biegt sich durch, weil seine tragenden Enden zu schwach für die Last sind.

Es ist eine Zeit und Lage, die außerordentlicher Maßregeln bedarf, um überwunden zu werden, weil sie selbst eine Ausnahmezeit ist. Darum muß man darauf bedacht sein, möglichst rasch einen Übergang zu finden, zu handeln: das verspricht Erfolg; denn obwohl das Starke im Übergewicht ist, ist es doch in der Mitte, d. h. im inneren Schwerpunkt, so daß keine Revolution zu befürchten ist.

Mit Gewaltmaßregeln freilich wird nichts erreicht. Man muß den Knoten lösen durch sanftes Eindringen in den Sinn der Lage (wie das durch die Eigenschaft des inneren Zeichens Sun nahegelegt ist), dann wird der Übergang in andere Verhältnisse gelingen. Es bedarf großer Überlegenheit; darum ist die Zeit des Übergewichts des Großen eine große Zeit.

DAS BILD

Der See geht über die Bäume weg:
das Bild des Übergewichts im Großen.
So ist der Edle, wenn er allein steht, unbesorgt,
und wenn er auf die Welt verzichten muß, unverzagt.

Außerordentliche Zeiten des Übergewichts des Großen sind wie eine Überschwemmung, da der See über die Bäume weggeht. Aber solche Zustände gehen vorüber.

In den einzelnen Zeichen ist die rechte Haltung in solchen Ausnahmezeiten gegeben: Das Bild von Sun ist der Baum, der fest steht, auch wenn er einsam ist, und die Eigenschaft von Dui ist die Heiterkeit, die unverzagt bleibt, auch wenn sie auf die Welt verzichten muß.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Unterlegen mit weißem Schilfgras.
Kein Makel.

Wenn man in außerordentlichen Zeiten etwas beginnen will, so muß man außerordentliche Vorsicht walten lassen, wie man etwas Schweres, das auf den Boden gestellt werden soll, mit Schilfgras vorsichtig unterlegt, damit nichts zerbricht. Diese Vorsicht mag übertrieben scheinen, aber sie ist kein Fehler. Alle außerordentlichen Unternehmungen können nur gelingen bei äußerster Vorsicht in den Anfängen und Grundlagen.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Ein trockener Pappelbaum
treibt einen Wurzelsproß.
Ein älterer Mann bekommt eine junge Frau.
Alles ist fördernd.

Das Holz steht am Wasser, daher das Bild einer alten Pappel die einen Wurzelsproß treibt. Das ist eine außerordentliche Wiederbelebung des Wachstumsprozesses. Dieselbe außerordentliche Lage ergibt sich, wenn ein älterer Mann ein junges Mädchen zur Frau bekommt, die zu ihm paßt.

Trotz des Außergewöhnlichen der Lage geht alles gut. Politisch betrachtet ist der Sinn der, daß es in außerordentlichen Zeiten günstig ist, sich zu den Niedrigen zu halten, denn hier ist die Möglichkeit einer Erneuerung gegeben.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Der Firstbalken biegt sich durch. Unheil.

Es ist eine Persönlichkeit gezeichnet, die in Zeiten des Übergewichts des Großen heftig durchfahren will. Sie nimmt von den andern keinen Rat, darum sind die andern auch nicht zu ihrer Unterstützung bereit.

Dadurch wächst die Last, und es kommt zum Biegen oder Brechen. In gefahrvollen Zeiten beschleunigt eigenwilliges Zufahren nur den Zusammenbruch.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Der Firstbalken wird gestützt. Heil.
Sind Hintergedanken da, ist es beschämend.

Durch freundliche Beziehungen zu den Unteren gelingt es einem verantwortlichen Mann, der Lage Herr zu werden. Wenn er aber seine Beziehungen dazu mißbrauchen wollte, um für sich persönlich Macht und Erfolg zu erlangen, statt nur für die Rettung des Ganzen zu sorgen, so wäre das beschämend.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Eine dürre Pappel treibt Blüten.
Ein älteres Weib bekommt einen Mann.
Kein Makel. Kein Lob.

Eine dürre Pappel, die Blüten treibt, erschöpft dadurch ihre Kräfte und kommt dem Ende dadurch nur näher. Eine ältere Frau nimmt sich noch einmal einen Mann. Aber es findet keine Erneuerung statt. Es bleibt alles steril.

So bleibt doch nur die Sonderlichkeit bestehen, wenn auch alles in Ehren zugeht. Politisch ist angedeutet, daß, wenn man in unsicheren Zeiten den Zusammenhang nach unten hin aufgibt und sich nur an seine Beziehungen zu höheren Ständen hält, damit ein Zustand geschaffen wird, der nicht dauerhaft ist.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Man muß durchs Wasser.
Es geht über den Scheitel.
Unheil. Kein Makel.

Hier ist die Lage gezeichnet, daß das Außerordentliche aufs höchste gestiegen ist. Man ist mutig und will unter allen Umständen seine Aufgabe bewältigen. Dadurch kommt man in Gefahr. Das Wasser geht über einen weg. Das ist das Unheil. Aber das Leben zu lassen um der Durchsetzung des Guten und Rechten willen, das gibt keinen Makel. Es gibt Wichtigeres als das Leben.

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I Ching | Hexagram 2929. Kan
Das Abgründige, das Wasser

oben Kan, das Abgründige, das Wasser
unten Kan, das Abgründige, das Wasser

Das Zeichen besteht aus der Wiederholung des Zeichens Kan. Es ist eines der acht Doppelzeichen. Das Zeichen Kan bedeutet das Hineinstürzen. Ein Yangstrich ist zwischen zwei Yinstriche hineingestürzt und wird von ihnen eingeschlossen wie das Wasser in einer Talschlucht.

Es ist der mittlere Sohn. Das Empfangende hat den mittleren Strich des Schöpferischen erlangt, und so entsteht Kan.

Als Bild ist es das Wasser, und zwar das Wasser, das von oben kommt und auf der Erde in Bewegung ist in Flüssen und Strömen und das alles Leben auf Erden veranlaßt. Auf den Menschen übertragen stellt es das Herz, die Seele dar, die im Leib eingeschlossen ist, das Lichte, das im Dunkeln enthalten ist, die Vernunft.

Der Name des Zeichens hat, weil es wiederholt ist, den Zusatz: Wiederholung der Gefahr. Damit soll das Zeichen eine objektive Lage, an die man sich zu gewöhnen hat, nicht eine subjektive Gesinnung bezeichnen. Denn Gefahr als subjektive Gesinnung bedeutet entweder Tollkühnheit oder Hinterlist.

Darum wird die Gefahr auch als Schlucht bezeichnet, d. h. ein Zustand, in dem man sich befindet wie das Wasser in einer Schlucht, und aus der man herauskommt wie das Wasser, wenn man sich richtig verhält.

DAS URTEIL

Das wiederholte Abgründige.
Wenn du wahrhaftig bist,
so hast du im Herzen Gelingen,
und was du tust, hat Erfolg.

Durch die Wiederholung der Gefahr gewöhnt man sich daran. Das Wasser gibt das Beispiel für das rechte Verhalten in solchen Zuständen. Es fließt immer weiter und füllt alle Stellen, durch die es fließt, eben nur aus, es scheut vor keiner gefährlichen Stelle, vor keinem Sturz zurück und verliert durch nichts seine wesentliche eigne Art. Es bleibt sich in allen Verhältnissen selber treu.

So bewirkt die Wahrhaftigkeit in schwierigen Verhältnissen, daß man innerlich im Herzen die Lage durchdringt. Und wenn man einer Situation erst innerlich Herr geworden ist, so wird es ganz von selbst gelingen, daß die äußeren Handlungen von Erfolg begleitet sind.

Es handelt sich in der Gefahr um Gründlichkeit, die alles, was zu tun ist, auch wirklich erledigt, und um Vorwärtsschreiten, damit man nicht in der Gefahr verweilend darin umkommt.

Aktiv verwendet kann die Gefahr eine wichtige Bedeutung haben als Schutzmaßregel. So hat der Himmel seine gefahrvolle Höhe, die ihn gegen jeden Versuch eines Eingriffs schützt.

So hat die Erde ihre Berge und Gewässer, die durch ihre Gefahren die Länder trennen. Ebenso wenden die Herrscher die Gefahr als Schutzmaßregel an, um sich nach außen gegen Angriffe, nach innen gegen Unruhen zu schützen.

DAS BILD

Das Wasser fließt ununterbrochen und kommt ans Ziel:
das Bild des wiederholten Abgründigen.
So wandelt der Edle in dauernder Tugend
und übt das Geschäft des Lehrens.

Das Wasser erreicht sein Ziel durch ununterbrochenes Fließen. Es füllt jede Vertiefung aus, ehe es weiterfließt. So macht es der Edle. Er legt Wert darauf, daß das Gute zur festen Charaktereigenschaft wird, nicht zufällig und vereinzelt bleibt.

Auch bei der Belehrung anderer kommt alles auf die Konsequenz an. Denn nur durch Wiederholung wird der Stoff zum Eigentum des Lernenden.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Wiederholung des Abgründigen.
Man gerät im Abgrund in ein Loch. Unheil.

Gewohnheit des Gefährlichen bewirkt leicht, daß die Gefahr ins eigne Wesen eingeht. Man weiß Bescheid und gewöhnt sich ans Böse. Damit hat man den rechten Weg verloren, und Unheil ist die natürliche Folge.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Der Abgrund hat Gefahr.
Man soll nur Kleines zu erreichen streben.

Innerhalb der Gefahr darf man nicht ohne weiteres danach trachten, unter allen Umständen herauszukommen, sondern muß sich zunächst zufrieden geben, wenn man von der Gefahr nicht überwunden wird.

Man muß ruhig die Zeitumstände in Erwägung ziehen und sich mit Kleinem begnügen, da zunächst ein großer Erfolg nicht zu erreichen ist. Eine Quelle fließt auch erst spärlich, und es dauert eine Zeit, ehe sie sich einen Weg ins Freie bahnt.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Vorwärts und rückwärts, Abgrund über Abgrund.
In solcher Gefahr halte zunächst inne,
sonst kommst du im Abgrund in ein Loch.
Handle nicht so.

Jeder Schritt vorwärts und rückwärts bringt in Gefahr. An ein Entkommen ist nicht zu denken. Darum darf man sich nicht zum Handeln verleiten lassen, durch das man nur noch tiefer in die Gefahr geriete. Sondern man muß, so unangenehm das Verweilen in solcher Lage ist, zunächst innehalten, bis ein Ausweg sich zeigt.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Ein Krug Wein,
eine Reisschale als Zugabe, Tongeschirr,
einfach zum Fenster hineingereicht.
Das ist durchaus kein Makel.

In Zeiten der Gefahr hören die umständlichen Formen auf. Die Hauptsache ist die wahrhaftige Gesinnung. Ein Beamter braucht für gewöhnlich, ehe er eingestellt wird, bestimmte Einführungsgeschenke und Empfehlungen.

Hier ist alles aufs äußerste vereinfacht. Die Geschenke sind dürftig, ein Empfehlender ist nicht da, man stellt sich selber vor, und dennoch braucht man sich alles dessen nicht zu schämen, wenn man nur die ehrliche Absicht hat, einander zu helfen in der Gefahr.

Ein anderer Gedanke wird noch nahegelegt: Das Fenster ist der Ort, durch den Helle ins Zimmer kommt. Wenn man in schwierigen Zeiten jemand aufklären will, so muß man mit dem anfangen, was ohne weiteres klar und hell ist, und von da aus ganz einfach weitergehen.

Bemerkung: Es wurde die gewöhnliche Übersetzung zwei Reisschalen auf Grund von chinesischen Kommentaren verbessert.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Der Abgrund wird nicht überfüllt,
wird nur bis an den Rand gefüllt.
Kein Makel.

Die Gefahr entsteht daraus, daß man zu hoch hinaus will. Das Wasser in der Schlucht häuft sich nicht auf, sondern geht nur bis an den niedersten Rand, um herauszukommen. So braucht man in der Gefahr auch nur in der Linie des geringsten Widerstandes vorzugehen, dann erreicht man das Ziel.

Große Werke können in solchen Zeiten nicht vollbracht werden; es ist genug, wenn man aus der Gefahr kommt.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Mit Stricken und Tauen gebunden,
eingeschlossen zwischen
dornumhegten Kerkermauern;
drei Jahre lang findet man sich nicht zurecht.
Unheil!

Ein Mensch, der in der äußersten Gefahr den rechten Weg verloren hat und unverbesserlich in seine Sünden verstrickt ist, hat keine Aussicht, aus der Gefahr herauszukommen. Er gleicht einem Verbrecher, der gefesselt hinter dornumhegten Kerkermauern sitzt.

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I Ching | Hexagram 3030. Li
Das Haftende, das Feuer

oben Li, das Haftende, das Feuer
unten Li, das Haftende, das Feuer

Auch dieses Zeichen ist ein Doppelzeichen. Das einfache Zeichen Li bedeutet haften an etwas, bedingt sein, beruhen auf etwas, Helligkeit. Eine dunkle Linie haftet an einem hellen Strich oben und unten, das Bild eines leeren Raumes zwischen zwei starken Strichen, wodurch diese hell werden.

Es ist die mittlere Tochter. Das Schöpferische hat die zentrale Linie des Empfangenden in sich aufgenommen, und so entsteht Li. Als Bild ist es das Feuer. Das Feuer hat keine bestimmte Gestalt, sondern haftet an den brennenden Dingen und ist dadurch hell.

Wie das Wasser vom Himmel herabkommt, so lodert das Feuer von der Erde empor. Während Kan die Seele bedeutet, die in dem Körper eingeschlossen ist, bedeutet Li die Natur in ihrer Verklärung.

DAS URTEIL

Das Haftende. Fördernd ist Beharrlichkeit.
Sie bringt Gelingen. Pflege der Kuh bringt Heil.

Das Dunkle haftet am Lichten und vollendet so dessen Helligkeit. Indem das Helle Licht ausstrahlt, bedarf es des Beharrlichen im Innern, damit es sich nicht restlos verbrennt, sondern dauernd leuchten kann. Alles Leuchtende in der Welt ist abhängig von etwas, an dem es haftet, damit es dauernd leuchten kann.

So haften Sonne und Mond am Himmel; Getreide, Gras und Bäume haften an der Erde. So haftet die doppelte Klarheit des berufenen Mannes am Rechten und vermag dadurch die Welt zu gestalten.

Indem der Mensch, der bedingt und nicht unabhängig dasteht in der Welt, diese Bedingtheit anerkennt, sich abhängig macht von den harmonischen und guten Kräften des Weltzusammenhangs, hat er Gelingen.

Die Kuh ist das Symbol der äußersten Fügsamkeit. Indem der Mensch diese Fügsamkeit und freiwillige Abhängigkeit in sich pflegt, erlangt er Klarheit ohne Schärfe und findet seinen Platz in der Welt.

Bemerkung: Es ist ein merkwürdiges Zusammentreffen, das der Beachtung wert ist, daß hier ebenso wie in der parsischen Religion das Feuer und die Pflege der Kuh miteinander verbunden sind.

DAS BILD

Das Helle erhebt sich zweimal:
das Bild des Feuers.
So erleuchtet der große Mann durch Fortsetzung
dieser Helle die vier Weltgegenden.

Jedes der beiden Einzelzeichen stellt die Sonne in einem Tageslauf dar. Es ist also eine wiederholte Tätigkeit der Sonne dargestellt. Damit ist die zeitliche Wirkung des Lichts angedeutet.

Der große Mann setzt das Werk der Natur in der Menschenwelt fort. Durch die Klarheit seines Wesens bewirkt er, daß das Licht immer weiter sich verbreitet und immer mehr das Menschenwesen innerlich durchdringt.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Die Fußspuren laufen kreuz und quer.
Wenn man ernst dabei ist: kein Makel.

Es ist früher Morgen. Die Arbeit beginnt. Nachdem im Schlaf die Seele von der Außenwelt abgeschlossen war, fangen nun die Beziehungen zur Welt wieder an.

Kreuz und quer laufen die Spuren der Eindrücke. Es herrscht eilige Geschäftigkeit. Wichtig ist dabei, die innere Sammlung zu bewahren, sich nicht mitreißen zu lassen von dem Getriebe des Lebens.

Wenn man ernst und gesammelt ist, so erlangt man die nötige Klarheit zur Auseinandersetzung mit den zahlreichen Eindrücken, die auf einen einstürmen. Gerade zu Anfang ist solch gesammelter Ernst besonders wichtig; denn der Anfang enthält die Keime zu allem Weiteren.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Gelber Schein. Erhabenes Heil.

Der Mittag des Tages ist erreicht. Die Sonne strahlt in gelbem Schein. Gelb ist die Farbe der Mitte und des Maßes. Gelber Schein ist daher das Bild vollkommener Kultur und Kunst, deren höchste Harmonie im Maß besteht.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Beim Schein der untergehenden Sonne schlagen
die Menschen entweder auf den Topf und singen,
oder sie seufzen laut über das nahende Greisenalter.
Unheil.

Hier ist das Ende des Tages. Der Schein der niedergehenden Sonne erinnert an die Bedingtheit und Vergänglichkeit des Lebens. In dieser äußeren Unfreiheit werden die Menschen meist auch innerlich unfrei.

Entweder ist ihnen die Vergänglichkeit ein Antrieb zu um so ausgelassenerer Lustigkeit, um das Leben zu genießen, solange es noch da ist, oder sie lassen sich von der Trauer hinreißen und verderben sich durch die Klage um das nahende Alter die kostbare Zeit.

Beides ist vom Übel. Dem Edlen ist ein früher oder später Tod nicht zweierlei. Er pflegt seine Person und wartet sein Los ab und festigt dadurch sein Schicksal.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Plötzlich ist sein Kommen;
es brennt auf, erstirbt, wird weggeworfen.

Die Klarheit des Verstandes verhält sich zum Leben wie das Feuer zum Holz. Das Feuer haftet am Holz, aber es verzehrt auch das Holz. Die Verstandesklarheit wurzelt im Leben, aber sie kann das Leben auch verzehren.

Es handelt sich darum, wie sie sich betätigt. Hier ist das Bild eines Meteors oder Strohfeuers gezeichnet. Ein aufgeregter, unruhiger Charakter kommt zu raschem Aufstieg. Aber es fehlen die nachhaltigen Wirkungen. Unter diesen Umständen ist es vom Übel, zu rasch sich auszugeben und als Meteor sich zu verzehren.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Weinend in Strömen, seufzend und klagend.
Heil!

Hier ist der Höhepunkt des Lebens. Ohne Warnung würde man in dieser Position sich verzehren wie eine Flamme. Wenn man statt dessen Furcht und Hoffnung aufgibt, die Nichtigkeit von allem einsieht und weint und seufzt, besorgt, seine Klarheit zu wahren, so kommt aus dieser Trauer Heil. Es handelt sich hier um wirkliche Umkehr, nicht wie bei I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz
nur um eine vorübergehende Stimmung.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Der König gebraucht ihn,
auszuziehen und zu züchtigen.
Am besten ist es dann, die Häupter zu töten
und die Nachläufer gefangen zu nehmen.
Kein Makel.

Der Zweck der Züchtigung ist, Zucht zu schaffen, nicht blindlings Strafe walten zu lassen. Es gilt, das Übel an der Wurzel zu heilen. Im Staatsleben gilt es, die Rädelsführer zu beseitigen, aber die Mitläufer zu schonen.

Bei der Selbstbildung gilt es, schlechte Gewohnheiten auszurotten, aber harmlose Gewohnheiten zu dulden. Denn allzu strenge Askese führt wie allzu strenge Strafgerichte zu keinem Erfolg.

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I Ching | Hexagram 3131. Hiën
Die Einwirkung, (die Werbung)

oben Dui, das Heitere, der See
unten Gen, das Stillehalten, der Berg

Der Name des Zeichens bedeutet allgemein, durchgängig und in übertragenem Sinn beeinflussen, anregen. Das obere Zeichen ist Dui, das Heitere, das untere Gen, das Stillehalten.

Das untere starre Zeichen regt durch beharrliche, stillehaltende Wirkung das obere schwache Zeichen an, das heiter und in Freudigkeit dieser Anregung entspricht. Gen, das untere Zeichen, ist der jüngste Sohn, das obere, Dui, die jüngste Tochter.

So ist die allgemeine gegenseitige Anziehung der Geschlechter dargestellt. Dabei muß das Männliche die Initiative ergreifen und sich unter das Weibliche herunterbegeben bei der Werbung.

Wie die erste Abteilung des Buches mit den Zeichen für Himmel und Erde beginnt, als den Grundlagen alles Bestehenden, so die zweite Abteilung mit den Zeichen für Werbung und Ehe, als den Grundlagen aller sozialen Beziehungen.

DAS URTEIL

Die Einwirkung. Gelingen.
Fördernd ist Beharrlichkeit.
Ein Mädchen nehmen bringt Heil.

Das Schwache ist oben, das Starke unten, dadurch ziehen sich ihre Kräfte an, so daß sie sich vereinigen. Das schafft das Gelingen. Denn alles Gelingen beruht auf der Wirkung gegenseitiger Anziehung. Innerliches Stillhalten bei äußerer Freude bewirkt, daß die Freude nicht das Maß überschreitet, sondern in den Grenzen des Rechten bleibt.

Das ist der Sinn der beigefügten Mahnung: Fördernd ist Beharrlichkeit; denn dadurch unterscheidet sich die Werbung, bei der der starke Mann sich unter das schwache Mädchen herunterbegibt und Rücksicht auf sie nimmt, von der Verführung.

Diese Anziehung des Wahlverwandten ist ein allgemeines Naturgesetz. Der Himmel und die Erde ziehen sich gegenseitig an, und so entstehen alle Wesen.

Der Weise wirkt durch solche Anziehung auf die Herzen der Menschen, so kommt die Welt in Frieden. Aus den Anziehungen, die etwas ausübt, kann man die Natur aller Wesen im Himmel und auf Erden erkennen.

DAS BILD

Auf dem Berge ist ein See:
das Bild der Einwirkung.
So läßt der Edle durch Aufnahmebereitschaft die
Menschen an sich herankommen.
(Wörtlich: So nimmt der Edle
durch Leere die Menschen auf.)

Ein Berg, auf dem oben ein See ist, erlangt Anregung durch dessen Feuchtigkeit. Dieser Vorteil wird ihm zuteil, weil sein Gipfel nicht hervorragt, sondern vertieft ist.

Das Bild ergibt den Rat daß man sich innerlich niedrig und frei zu halten hat, so daß man für gute Ratschläge empfänglich bleibt. Wer alles besser wissen will, dem raten die Menschen bald nicht mehr.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Die Einwirkung äußert
sich in der großen Zehe.

Eine Bewegung, ehe sie wirklich ausgeführt wird, äußert sich zunächst in den Zehen. Der Gedanke der Einwirkung ist schon da. Aber er tritt zunächst für andere noch nicht in die Erscheinung. Solange die Absicht noch keine sichtbaren Wirkungen hat, ist sie für die Außenwelt gleichgültig, führt weder zum Guten noch zum Bösen.
I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Die Einwirkung äußert
sich in den Waden. Unheil!
Verweilen bringt Heil!

Die Wade folgt dem Fuß in der Bewegung. Sie kann nicht von selbst vorwärts und nicht allein stehenbleiben. Es ist eine Bewegung, die unselbständig und darum, weil sie nicht Herr ihrer selbst ist, unheilvoll ist.

Man soll ruhig warten, bis man durch wirkliche Einwirkung zum Handeln veranlaßt wird. Dann bleibt man frei von Schaden.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Die Einwirkung äußert sich in den Schenkeln.
Hält sich an das, was ihm folgt.
Weitermachen ist beschämend.

Jede Stimmung des Herzens regt zu einer Bewegung an. Wonach das Herz strebt, dahin laufen die Schenkel, ohne sich zu besinnen; sie halten sich an das Herz, dem sie folgen.

Aber aufs menschliche Leben übertragen ist diese Art, auf jede Einwirkung einer Laune hin sofort sich in Bewegung zu setzen, nicht das Richtige und führt, dauernd fortgesetzt, zu Beschämung.

Ein dreifacher Gedanke ergibt sich: Man darf nicht ohne weiteres allen Leuten nachlaufen, auf die man einwirken möchte, sondern muß sich unter Umständen zurückhalten können.

Ebensowenig darf man sofort allen Launen derer nachkommen, in deren Dienst man steht. Und schließlich soll man den Stimmungen des eigenen Herzens gegenüber nie die Hemmungsmöglichkeit vernachlässigen, auf der die menschliche Freiheit beruht.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Beharrlichkeit bringt Heil!
Die Reue schwindet.
Wenn man aufgeregt hin und her denkt,
so folgen nur die Freunde,
auf die man bewußte Gedanken richtet.

Hier ist der Platz des Herzens erreicht. Die Anregung, die von hier ausgeht, ist am wichtigsten. Besonders ist darauf zu achten, daß der Einfluß beständig und gut sei, dann ist trotz der Gefahr, die sich aus der großen Beweglichkeit des menschlichen Herzens ergibt, keine Reue mehr nötig.

Wenn die eigene ruhige Kraft des persönlichen Wesens wirkt, dann sind die Wirkungen normal. Alle Menschen, die für die Schwingungen eines solchen Geistes empfänglich sind, werden dann beeinflußt. Der Einfluß auf andere soll sich nicht als bewußte und gewollte Bearbeitung der andern äußern.

Denn durch solche bewußte Agitation kommt man in Aufregung und wird aufgerieben von dem ewigen Hin und Her. Außerdem beschränken sich dann die Wirkungen auf die Menschen, auf die man bewußt seine Gedanken richtet.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Die Einwirkung äußert sich im Nacken.
Keine Reue.

Der Nacken ist der unbeweglichste Teil des Körpers. Wenn die Einwirkung hier sich äußert, so bleibt der Wille doch fest, und die Einwirkung führt nicht zur Verwirrung. Darum kommt hier Reue gar nicht in Betracht.

Was in diesen Tiefen des Wesens, dem Unterbewußten, vor sich geht, das kann vom Bewußtsein aus weder hervorgerufen noch gehindert werden. Allerdings ist bei eigener Unbeeinflußbarkeit ein Einfluß auf die Außenwelt auch nicht möglich.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Die Einwirkung äußert sich in Kinnladen,
Wangen und Zunge.

Die äußerlichste Art, auf andre Einfluß bekommen zu wollen, ist durch bloßes Geschwätz, ohne daß den Worten etwas Wirkliches entspricht. Solche Anregung durch bloße Bewegung der Sprechwerkzeuge bleibt notwendig unbedeutend. Darum ist von Glück oder Unglück nichts hinzugefügt.

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I Ching | Hexagram 3232. Hong
Die Dauer

oben Dschen, das Erregende, der Donner
unten Sun, das Sanfte, der Wind

Das starke Zeichen Dschen ist oben, das schwache Sun unten. Das Zeichen ist das Gegenstück zum vorigen: dort die Einwirkung, hier die Vereinigung als Dauerzustand.

Die Bilder sind Donner und Wind, die ebenfalls dauernd verbundene Erscheinungen sind. Das untere Zeichen deutet auf Sanftheit im Innern, das obere auf Bewegung im Äußeren.

Auf gesellschaftliche Verhältnisse übertragen, haben wir hier die Einrichtung der Ehe als dauernder Verbindung der Geschlechter.

Während bei der Werbung der junge Mann sich unter das Mädchen stellt, ist bei der Ehe, die durch das Zusammensein des ältesten Sohnes und der ältesten Tochter repräsentiert wird, der Mann nach außen hin leitend und bewegend, die Frau im Innern sanft und gehorchend.

DAS URTEIL

Gelingen. Kein Makel.
Fördernd ist Beharrlichkeit.
Fördernd ist, zu haben, wohin man gehe.

Die Dauer ist ein Zustand, dessen Bewegung sich nicht durch Hemmungen aufreibt. Sie ist nicht ein Ruhezustand; denn bloßer Stillstand ist Rückgang.

Dauer ist vielmehr eine in sich geschlossene und darum stets sich erneuernde, nach festen Gesetzen sich vollziehende Bewegung eines organisierten, in sich fest geschlossenen

Ganzen, bei der auf jedes Ende ein neuer Anfang folgt. Das Ende wird erreicht durch die Bewegung nach innen, das Einatmen, die Systole, die Konzentration.

Diese Bewegung geht über in einen neuen Anfang, bei dem die Bewegung nach außen gerichtet ist, das Ausatmen, die Diastole, die Expansion.

So haben die Himmelskörper ihre Bahnen am Himmel und können daher dauernd leuchten. Die Jahreszeiten haben ein festes Gesetz des Wechsels und der Umbildung und können daher dauernd wirken.

Und so hat auch der Berufene einen dauernden Sinn in seinem Weg, und die Welt kommt dadurch zur fertigen Bildung. Aus dem, worin die Dinge ihre Dauer haben, kann man die Natur aller Wesen im Himmel und auf Erden erkennen.

DAS BILD

Donner und Wind:
das Bild der Dauer.
So steht der Edle fest
und wandelt seine Richtung nicht.

Der Donner rollt, und der Wind weht. Beides ist etwas äußerst Bewegliches, so daß es dem Anschein nach das Gegenteil von Dauer ist. Aber ihr Hervortreten und Zurücktreten, ihr Kommen und Gehen folgt dauernden Gesetzen.

So beruht die Selbständigkeit des Edlen auch nicht darin, daß er starr und unbeweglich ist.

Er geht immer mit der Zeit und wandelt sich mit ihr. Das Dauernde ist die feste Richtung, das innere Gesetz seines Wesens, das alle seine Handlungen bestimmt.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Zu rasch Dauer wollen,
bringt beharrlich Unheil.
Nichts, was fördernd wäre.

Etwas Dauerndes läßt sich nur allmählich durch lange Arbeit und sorgfältiges Nachdenken schaffen. Wenn man etwas zusammendrücken will, muß man es erst sich ordentlich ausdehnen lassen, sagt Laotse in diesem Sinn.

Wer gleich auf einmal zu viel verlangt, der überstürzt sich. Und weil er zu viel will, gelingt ihm schließlich gar nichts.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Reue schwindet.

Die Situation ist abnorm. Die Kraft des Charakters ist stärker als die zu Gebote stehende materielle Macht. Da könnte man vielleicht fürchten, daß man sich zu etwas hinreißen ließe, das über die Kraft geht.

Allein da es die Zeit der Dauer ist, gelingt es, die innere Kraft zu beherrschen, so daß jedes Zuviel vermieden wird und so der Anlaß zur Reue schwindet.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Wer seinem Charakter nicht Dauer gibt,
dem bietet man Schande.
Beharrliche Beschämung.

Wenn man in seinem Wesen umgetrieben wird von Stimmungen, die von der Außenwelt durch Furcht und Hoffnung erregt werden, so verliert man die innere Konsequenz des Charakters. Solche innere Inkonsequenz führt dauernd zu peinlichen Erlebnissen.

Diese Beschämungen kommen häufig von einer Seite, an die man nicht gedacht hatte. Sie sind auch nicht sowohl Wirkungen der Außenwelt, als gesetzmäßige Zusammenhänge, die von dem eigenen Wesen ausgelöst werden.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Im Feld ist kein Wild.

Wenn man auf der Jagd zu Schuß kommen will, so muß man es auf die rechte Weise anfangen. Wenn man dauernd dem Wild an einem Orte nachstellt, wo es keines gibt, so kann man noch so lange warten und findet keines. Dauer im Suchen genügt nicht. Was man nicht auf die rechte Weise sucht, findet man nicht.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Seinem Charakter Dauer geben
durch Beharrlichkeit,
das ist für eine Frau von Heil,
für einen Mann von Unheil.

Eine Frau soll ihr ganzes Leben einem Manne folgen, der Mann aber soll sich an das halten, was jeweils seine Pflicht ist; wenn er sich dauernd nach der Frau richten wollte, so wäre das für ihn ein Fehler.

Dementsprechend ist für eine Frau konservatives Halten am Hergebrachten ganz gut. Dagegen der Mann muß beweglich und anpassungsfähig bleiben und darf sich nur durch das bestimmen lassen, was jeweils seine Pflicht verlangt.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Rastlosigkeit als dauernder
Zustand bringt Unheil.

Es gibt Menschen, die dauernd in hastiger Bewegung sind, ohne innerlich zur Ruhe zu kommen. Die Rastlosigkeit hindert nicht nur alle Gründlichkeit, sondern wird direkt zur Gefahr, wenn sie an maßgebender Stelle herrscht.

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I Ching | Hexagram 33

33. Dun – Der Rückzug
oben Kiën, das Schöpferische, der Himmel
unten Gen, das Stillehalten, der Berg

Die Kraft des Schattigen ist im Aufsteigen begriffen. Das Lichte zieht sich vor ihr in Sicherheit zurück, so daß jene ihm nichts anhaben kann.

Es handelt sich bei diesem Rückzug nicht um menschliche Willkür, sondern um Gesetze des Naturgeschehens. Darum ist in diesem Fall der Rückzug die richtige Art des Handelns, die die Kräfte nicht aufreibt.

Als Monatszeichen ist das Hexagramm dem sechsten Monat (Juli-August) beigeordnet, in dem die Winterkräfte schon wieder anfangen, ihre Wirkung zu zeigen.

DAS URTEIL

Der Rückzug. Gelingen.
Im Kleinen ist fördernd Beharrlichkeit.

Die Verhältnisse sind so, daß die feindlichen Kräfte, durch die Zeit begünstigt, im Vorrücken sind. In diesem Fall ist der Rückzug das richtige, und eben durch den Rückzug erlangt man Gelingen.

Der Erfolg besteht darin, daß man den Rückzug richtig auszuführen vermag. Rückzug ist nicht zu verwechseln mit Flucht, die auf weiter nichts bedacht ist als Rettung unter allen Umständen.

Rückzug ist ein Zeichen von Stärke. Man darf den rechten Moment nicht versäumen, solange man in vollem Besitz von Kraft und Stellung ist. Da versteht man rechtzeitig die Zeichen der Zeit zu deuten und bereitet einen zeitweiligen Rückzug vor, statt sich in einen verzweifelten Kampf auf Leben und Tod einzulassen.

So räumt man auch dem Gegner nicht ohne weiteres das Feld, sondern erschwert ihm das Vorrücken, indem man im einzelnen noch immer Beharrlichkeit zeigt.

Auf diese Weise bereitet man im Rückzug schon den Umschwung vor. Die Gesetze eines solchen aktiven Rückzugs zu verstehen, ist nicht leicht. Der Sinn, der in solcher Zeit verborgen liegt, ist bedeutend.

DAS BILD

Unter dem Himmel ist der Berg:
das Bild des Rückzugs.
So hält der Edle den Gemeinen fern,
nicht zornig, sondern gemessen.

Der Berg erhebt sich unter dem Himmel, aber in seiner Natur liegt es, daß er schließlich stehenbleibt. Der Himmel dagegen zieht sich nach oben vor ihm in die Ferne zurück, so daß er unerreichbar bleibt. Das ist das Bild für die Art, wie der Edle sich dem aufsteigenden Gemeinen gegenüber verhält.

Er zieht sich in seiner Gesinnung vor ihm zurück. Er haßt ihn nicht; denn der Haß ist eine Art von innerer Beteiligung, durch die man sich mit dem gehaßten Gegenstand verbindet.

Der Edle zeigt die Stärke (Himmel) darin, daß er den Gemeinen durch seine Gemessenheit zum Stillstand bringt (Berg).

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Beim Rückzug am Schwanz:
das ist gefährlich.
Man darf nicht etwas
unternehmen wollen.

Da das Zeichen das Abbild von etwas sich Zurückziehendem ist, so ist der erste Strich der Schwanz und der oberste der Kopf. Beim Rückzug ist es vorteilhaft, vorne zu sein.

Hier ist man hinten in unmittelbarer Berührung mit den nachdrängenden Feinden. Das ist gefährlich. Unter solchen gefahrvollen Umständen ist es nicht ratsam, etwas zu unternehmen. Durch Stillehalten entgeht man am leichtesten der drohenden Gefahr.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Er hält ihn fest mit gelbem Ochsenleder.
Niemand vermag ihn loszureißen.

Gelb ist die Farbe der Mitte. Sie deutet auf das Korrekte, Pflichtgemäße. Das Leder eines Ochsen ist fest und unzerreißbar.

Während die Edlen sich zurückziehen und die Geringen nachdrängen, ist hier ein Geringer gezeichnet, der sich so fest und zäh an die Edlen hält, daß sie sich von ihm nicht losmachen können.

Und weil er das Rechte will und so stark ist in seinem Willen, erreicht er auch sein Ziel. Auf diese Weise bestätigt die Linie das Wort des Urteils: Im Kleinen (hier soviel wie: für den geringen Mann) ist günstig Beharrlichkeit.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Aufgehaltener Rückzug
ist peinlich und gefahrvoll.
Die Menschen als Knechte und Mägde
zu halten, bringt Heil.

Wenn es Zeit ist, sich zurückzuziehen, und man wird zurückgehalten, so ist das unangenehm und gefährlich zugleich, da einem die Freiheit des Handelns genommen ist.

In solchem Falle ist der einzige Ausweg der, daß man die Menschen, die einen nicht gehen lassen, sozusagen in seinen Dienst nimmt, um sich so wenigstens die Initiative zu wahren und nicht wehrlos unter ihre Herrschaft zu kommen.

Aber wenn dies auch ein Ausweg ist, erfreulich wird die Lage doch nicht. Denn was will man mit solchen Dienern ausrichten?

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Freiwilliger Rückzug bringt dem Edlen Heil,
dem Gemeinen Niedergang.

Beim Rückzug handelt es sich für den höheren Menschen darum, daß er in aller Freundlichkeit und gerne Abschied nimmt. Der Rückzug fallt ihm auch innerlich leicht, weil er auf diese Weise seiner Überzeugung keine Gewalt anzutun braucht.

Wer darunter zu leiden hat, das ist nur der Gemeine, von dem er sich zurückzieht und der ohne die Leitung des Edlen verkommen muß.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Freundlicher Rückzug.
Beharrlichkeit bringt Heil.

Es ist die Sache des Edlen, rechtzeitig zu erkennen, wann es Zeit ist, sich zurückzuziehen. Wenn man den rechten Zeitpunkt wählt zum Rückzug, so kann sich dieser Rückzug in vollkommen freundschaftlichen Formen vollziehen, ohne daß unangenehme Auseinandersetzungen nötig würden.

Aber trotz aller Verbindlichkeit der äußeren Form ist unbedingte Festigkeit des Entschlusses nötig, damit man sich nicht durch anderweitige Erwägungen irremachen läßt.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Heiterer Rückzug. Alles ist fördernd.

Die Lage ist unzweideutig. Die innere Loslösung ist eine feststehende Tatsache. Dadurch hat man die Freiheit, zu gehen. Wo man seinen Weg so klar und zweifellos vor sich sieht, stellt sich eine heitere Fassung ein, die das Rechte ohne jedes Bedenken wählt. Ein solch klarer Weg führt stets zum Guten.

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I Ching | Hexagram 34

34. Da Dschuang
Des Großen Macht

oben Dschen, das Erregende, der Donner
unten Kiën, das Schöpferische, der Himmel

Die großen, d. h. lichten, starken Linien sind mächtig. Vier lichte Linien sind von unten her in das Zeichen eingetreten und sind im Begriff, weiter aufzusteigen. Das obere Halbzeichen ist Dschen, das Erregende, das untere Kiën, das Schöpferische.

Das Schöpferische ist stark, das Erregende bewegend. Die Vereinigung von Bewegung und Stärke gibt den Sinn der Macht des Großen. Das Zeichen ist dem zweiten Monat (März-April) zugeordnet.

DAS URTEIL

Des Großen Macht.
Fördernd ist Beharrlichkeit.

Das Zeichen deutet auf eine Zeit, da innerer Wert gewaltig aufsteigt und zur Macht kommt. Aber die Stärke hat die Mitte schon überschritte. Darum liegt die Gefahr nahe, daß man sich auf seine Macht verläßt, ohne jederzeit nach dem Rechten zu fragen, daß man auf Bewegung aus ist, ohne auf die rechte Zeit zu warten.

Deshalb ist der Satz beigefügt, daß Beharrlichkeit förderlich ist. Denn das ist eben wirklich große Macht, die nicht in bloße Gewalt ausartet, sondern innerlich verbunden bleibt mit den Grundsätzen des Rechts und der Gerechtigkeit.

Wenn man diesen Punkt versteht, daß Größe und Gerechtigkeit untrennbar verbunden sein müssen, so versteh man den wahren Sinn alles Weltgeschehens in Himmel und Erde.

DAS BILD

Der Donner ist am Himmel oben:
das Bild der Macht des Großen.
So tritt der Edle nicht auf Wege,
die nicht der Ordnung entsprechen.

Der Donner, die elektrische Kraft, steigt im Frühjahr nach oben. Diese Bewegung ist im Einklang mit der Richtung der Bewegen des Himmels. Es ist also eine Bewegung in Übereinstimmung mit dem Himmel, die große Macht bewirkt.

Wahre Größe beruht aber darauf, daß sie in Einklang ist mit dem, was recht ist. Darum hütet sich der Edle in Zeiten großer Macht, etwas zu tun, das nicht im Einklang ist mit dem, was der Ordnung entspricht.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Macht in den Zehen.
Fortmachen bringt Unheil.
Das ist gewißlich wahr.

Die Zehen sind ganz unten und sind bereit voranzuschreiten. So ist große Macht an niederer Stelle geneigt, gewaltsam den Fortschritt zu erzwingen. Das würde aber, wenn man so weiter macht sicher ins Unheil führe. Daher ist als Rat ein Warnung beigefügt.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Beharrlichkeit bringt Heil.

Die vorausgesetzte Lage ist, daß die Pforten des Erfolges sich zu öffnen beginnen. Der Widerstand beginnt zu weichen. Man kommt machtvoll voran. Dies ist der Punkt, wo allzu leicht der Übermut einsetzt, der sich nicht zügeln kann.

Darum das Orakel, daß Beharrlichkeit – nämlich im inneren Gleichgewicht, ohne übertriebene Machtwirkung – Heil bringt.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Der Gemeine wirkt durch Macht,
der Edle wirkt nicht so.
Fortmachen ist gefährlich.
Ein Ziegenbock stößt gegen eine Hecke
und verwickelt seine Hörner.

Das Pochen auf Macht führt zu Verwicklungen, wie ein Bock, der gegen eine Hecke stößt, seine Hörner verwickelt. Während der Gemeine, wenn er im Besitz der Macht ist, darin schwelgt, mach es der Edle nicht so.

Er ist sich der Gefahr des Weitermachens unter allen Umständen bewußt und verzichtet daher rechtzeitig auf bloße Machtenfaltung.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Beharrlichkeit bringt Heil.
Die Reue schwindet.
Die Hecke öffnet sich,
es gibt keine Verwicklung.
Die Macht beruht auf der Achse
eines großen Wagens.

Wenn man beharrlich und still fortarbeitet an der Beseitigung der Widerstände, dann gelingt es schließlich. Die Hemmnisse weichen, und der Anlaß zur Reue, der auf einer Übertreibung der Anwendung von Macht beruht, verschwindet.

Die Macht zeigt sich nicht äußerlich, aber sie hat die Wirkung, daß sie schwer Lasten voranbringt wie ein großer Wagen, dessen Stärke auf seiner Achse beruht. Je weniger man die Macht nach außen hin anwendet, desto stärker wirkt sie.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Verliert den Bock in Leichtigkeit.
Keine Reue.

Der Bock zeichnet sich durch äußere Härte bei innerer Schwäche aus. Nun ist die Lage so, daß alles ganz leicht ist; kein Widerstand ist mehr vorhanden. Da mag man das kampfbereite, bockige Wesen Ablegen und wird es nicht zu bereuen haben.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Ein Bock stößt gegen eine Hecke:
Er kann nicht zurück, er kann nicht voran.
Nichts ist fördernd.
Merkt man die Schwierigkeit,
so bringt das Heil.

Wenn man sich zu weit vorwagt, so kommt man an einen toten Punkt, wo man weder vorwärts noch rückwärts kann und alles nur dazu dient, die Sache noch verwickelter zu machen.

Bei solchem Eigensinn kommt man in unüberwindliche Schwierigkeiten. Wenn man die Lage einsieht und nicht fortmachen will, sondern sich beruhigt, so wird mit der Zeit alles wieder gut werden.

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I Ching | Hexagram 35

35. Dsin
Der Fortschritt

oben Li, das Haftende, das Feuer
unten Kun, das Empfangende, die Erde

Das Zeichen stellt die Sonne dar, die über die Erde emporsteigt; es ist daher das Bild des raschen, leichten Fortschritts, der gleichzeitig immer weitere Ausdehnung und Klarheit bedeutet.

DAS URTEIL

Der Fortschritt:
Der starke Fürst wird geehrt
durch Pferde in großer Menge.
An einem Tag wird er dreimal empfangen.

Als Beispiel wird eine Zeit geschildert, da ein starker Lehnsfürst die übrigen Fürsten um den Großkönig in Gehorsam und Frieden versammelt und vom Großkönig reich beschenkt und in nächste Nähe gezogen wird.

Es liegt darin ein doppelter Gedanke. Die eigentliche Wirkung des Fortschrittes geht von einem Mann in abhängiger Stellung aus, den die andern als ihresgleichen ansehen, weshalb sie ihm willig folgen. Dieser Führer besitzt innere Klarheit genug, um den großen Einfluß, den er hat, nicht zu mißbrauchen, sonder zugunsten des Herrn zu verwenden.

Der Herr seinerseits ist frei von jeder Eifersucht, beschenkt den großen Mann reichlich und zieht ihn dauernd in seine Nähe. Ein erleuchteter Herr und ein gehorchender Diener, das sind die Bedingungen großen Fortschritts.

DAS BILD

Die Sonne steigt über die Erde empor:
das Bild des Fortschritts.
So macht der Edle
selbst seine klaren Anlagen hell.

Das Licht der Sonne, das über die Erde aufsteigt, ist von Natur klar, aber je höher die Sonne steigt, desto mehr kommt sie aus den trüben Dünsten heraus und strahlt in um so weiterem Umfang in ihrer ursprünglichen Reinheit.

So ist auch das wahre Wesen des Menschen ursprünglich gut, aber es wird getrübt durch den Zusammenhang mit dem Irdischen und bedarf daher der Läuterung, damit es in seiner ihm ursprünglich zukommenden Klarheit leuchten kann.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Fortschreitend, aber zurückgewiesen.
Beharrlichkeit bringt Heil.
Wenn man kein Vertrauen findet,
so bleibe man gelassen.
Kein Fehler.

Zu einer Zeit, da alles nach Fortschritt drängt, befindet man sich noch in Ungewißheit darüber, ob man nicht beim Fortschritt auf Zurückweisung stoßen könnte. Da gilt es, einfach im Rechten fortzumachen: das bringt schließlich Heil.

Es kann sein, daß einem kein Vertrauen entgegengebracht wird. In diesem Fall erstrebe man nicht Vertrauen unter allen Umstände; man muß gelassen und heiter bleiben und sich nicht zum Zorn reizen lassen. So bleibt man ohne Fehler.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Fortschreitend, aber in Trauer:
Beharrlichkeit bringt Heil.
Man bekommt dann großes
Glück von seiner Ahnfrau.

Der Fortschritt wird aufgehalten, man sieht sich gehindert, mit dem Menschen an leitender Stelle, zu dem man in Beziehung steht, in Verbindung zu kommen. Das bringt Trauer.

Aber in solchem Fall gilt es, beharrlich zu bleiben, dann wird man von jener Persönlichkeit in mütterlicher Milde großes Glück erfahren. Diese Glück kommt und ist wohlverdient, weil die gegenseitige Zuneigung nicht auf egoistisch-parteiischen Motiven beruht, sonder auf festen und korrekten Grundsätzen.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Alle sind einverstanden.
Die Reue schwindet.

Man strebt voran, und zwar in Gemeinschaft mit anderen, durch deren Einverständnis man gehoben wird. Dadurch verschwindet der Anlaß zum Bedauern, der darin zu finden wäre, daß man nicht die Selbständigkeit besitzt, sich gegen jedes feindliche Geschick allein durchzusetzen.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Fortschritt wie ein Hamster.
Beharrlichkeit bringt Gefahr.

In Zeiten des Fortschritts ist es für starke Menschen leicht, wenn sie an unrichtiger Stelle sind, sich vieles zusammzuscharren. Aber ein solches Gebaren ist lichtscheu.

Und da Fortschrittszeiten immer auch Zeiten sind, da die Sonne alles lichtscheue Treiben an den Tag bringt, so bringt ein Beharren in solchem Tun notwendig Gefahr mit sich.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Die Reue schwindet.
Gewinn und Verlust nimm nicht zu Herzen.
Unternehmungen bringen Heil.
Alles ist fördernd.

Es ist hier eine Lage gezeichnet, da man in Fortschrittszeiten sich an maßgebender Stelle befindet und mild und zurückhaltend ist. Man könnte sich darüber Vorwürfe machen, daß man nicht energisch genug die Gunst der Zeit benutzt und alle möglichen Vorteile sich verschafft hat.

Allein diese Reue schwindet. Man darf sich Verlust und Gewinn nicht zu Herzen nehmen. Das sind untergeordnete Dinge. Wichtiger ist, daß man Möglichkeiten zu erfolg- und segensreichem Wirken sich auf diese Weise gesichert hat.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Fortschreiten mit den Hörnern darf man nur,
um sein eigenes Gebiet zu strafen.
Bewußtsein der Gefahr bringt Heil.
Kein Makel.
Beharrlichkeit bringt Beschämung.

Fortschreiten mit den Hörnern, d. h. angriffsweise vorgehen, soll man in solchen Zeiten, um die es sich hier handelt, nur den Fehlern der eigenen Leute gegenüber. Dabei muß man sich bewußt bleiben, daß solch angriffsweises Vorgehen immer mit Gefahr verbunden ist.

Dadurch vermeidet man die Fehler, die sonst drohen, und was man beabsichtigt hat, gelingt. Dagegen wird eine Beharrliche Fortsetzung dieser allzu energischen Haltung, namentlich Fernerstehenden gegenüber. Beschämung bringen.

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I Ching | Hexagram 36

36. Ming I
Die Verfinsterung des Lichts

oben Kun, das Empfangende, die Erde
unten Li, das Haftende, das Feuer

Die Sonne ist hier unter die Erde gesunken, daher verdunkelt. Der Name des Zeichens bedeutet eigentlich Verwundung des Hellen, daher die Linien auch vielfach von Verwundungen reden. Die Situation ist genau die entgegengesetzte wie beim vorigen Zeichen.

Dort ein weiser Mann an der Spitze, der tüchtige Gehilfen hat, mit denen er gemeinsam voranschreitet; hier ein finsterer Mann an maßgebender Stelle, durch den der Tüchtige und Weise geschädigt wird.

DAS URTEIL

Die Verfinsterung des Lichts.
Fördernd ist es, in der Not beharrlich zu sein.

Man darf sich auch von ungünstigen Verhältnissen nicht wehrlos mitreißen, nicht in seiner inneren Willenshaltung beugen lassen. Dies ist möglich, wenn man innerlich licht ist und nach außen hin nachgiebig und fügsam. Durch diese Haltung läßt sich auch die größte Not überwinden.

Man muß freilich unter Umständen sein Licht verbergen, um trotz Schwierigkeiten in der unmittelbaren Umgebung seinen Willen durchhalten zu können. Die Beharrlichkeit muß im innersten Bewußtsein leben und darf nach außen nicht hervortreten. Nur so kann man unter Schwierigkeiten seinen Willen wahren.

DAS BILD

Das Licht ist in die Erde hineingesunken:
das Bild der Verfinsterung des Lichts.
So lebt der Edle mit der großen Menge:
er verhüllt seinen Schein und bleibt doch hell.

In Zeiten der Finsternis gilt es vorsichtig und zurückhaltend zu sein. Nicht durch rücksichtsloses Auftreten soll man sich nutzlos übermächtige Feindschaft zuziehen. Man soll in solchen Zeiten die Gewohnheiten der Menschen zwar nicht mitmachen, aber sie auch nicht kritisch ans Licht ziehen.

Im Verkehr muß man in solchen Zeiten nicht alles wissen wollen. Man muß manches auf sich beruhen lassen, ohne sich darum betören zu lassen.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Verfinsterung des Lichts im Fluge.
Er senkt seine Flügel.
Der Edle auf seiner Wanderschaft
ißt drei Tage nichts.
Aber er hat, wohin er geht.
Der Wirt hat über ihn zu reden.

In großartigem Entschluß will man sich über alle Hindernisse emporschwingen. Aber da trifft man auf das feindliche Geschick. Man zieht sich zurück und weicht aus. Die Zeit ist schwer. Rastlos muß man ohne bleibende Stätte weitereilen.

Wenn man nicht innerliche Kompromisse machen will, sondern seinen Grundsätzen treu bleiben, so kommt man in Mangel. Aber man hat sein festes Ziel, dem man zustrebt, auch wenn die Leute, bei denen man wohnt, einen nicht verstehen und über einen lästern.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Die Verfinsterung des Lichts verletzt
ihn am linken Schenkel.
Er wirkt Hilfe mit der Macht eines Pferdes.
Heil.

Hier ist der Herr des Lichts an untergeordnetem Platz. Er wird verletzt vom Herrn der Finsternis. Aber die Verwundung ist nicht lebensgefährlich, sondern nur hinderlich.

Rettung ist noch möglich. Der Betroffene denkt nicht an sich selbst, sondern nur an die Rettung der anderen, die auch bedroht sind. Darum sucht er mit äußerster Kraft zu retten, was zu retten ist. In diesem pflichtmäßigen Handeln liegt das Heil.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Die Verfinsterung des Lichts auf der Jagd im Süden.
Man bekommt ihr großes Haupt.
Man darf nicht zu eilig Beharrlichkeit erwarten.

Scheinbar ist ein Spiel des Zufalls am Werk. Während der Starke und Getreue bestrebt ist, in eifriger Tätigkeit Ordnung zu schaffen, ohne alle Hintergedanken, trifft er wie zufällig den Rädelsführer der Unordnung und wird seiner habhaft.

Damit ist der Sieg erlangt. Aber man darf nicht die Abstellung der Mißbräuche allzu hastig betreiben. Das wäre vom Übel, weil die Mißbräuche schon zu lange im Schwange waren.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Er dringt in die linke Bauchhöhle ein.
Man erhält das Herz der Verfinsterung des Lichts
und verläßt Tor und Hof.

Man befindet sich in der Nähe des Hauptes der Finsternis und erfahrt so seine geheimsten Gedanken. Auf diese Weise erkennt man, daß Besserung nicht mehr zu erhoffen ist, und wird rechtzeitig instand gesetzt, den Ort des Unheils zu verlassen, ehe es hereinbricht.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Verfinsterung des Lichts wie beim Prinzen Gi.
Fördernd ist Beharrlichkeit.

Der Prinz Gi lebte am Hof des finsteren Tyrannen Dschou Sin der als historisches Beispiel ungenannt der ganzen Situation zugrunde liegt. Der Prinz Gi war ein Verwandter dieses Tyrannen darum konnte er sich nicht vom Hofe zurückziehen.

Er verbarg deshalb seine gute Gesinnung und stellte sich wahnsinnig. So wurde er denn als Sklave gehalten, ohne daß er durch äußere Unbilden in seiner Gesinnung sich hätte irremachen lassen.

Hieraus ergibt sich die Lehre für diejenigen, die in Zeiten der Finsternis ihren Platz nicht verlassen können. Sie bedürfen bei unbesiegbarer Beharrlichkeit im Innern nach außen hin doppelter Vorsicht, um der Gefahr zu entgehen.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Nicht Licht, sondern Dunkel.
Erst stieg er zum Himmel empor,
dann stürzte er in die Tiefen der Erde hinunter.

Hier ist der Höhepunkt der Finsternis erreicht. Die finstere Macht war erst so hoch gestellt, daß sie alle Guten und Lichten verletzen konnte. Zum Schluß jedoch geht sie an ihrer eigenen Finsternis zugrunde, denn das Böse muß in dem Augenblick stürzen, da es das Gute vollkommen überwunden und damit die Kraft aufgezehrt hat, der es bisher seinen Bestand verdankte.

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I Ching | Hexagram 37

37. Gia Jen
Die Sippe

oben Sun, das Sanfte, der Wind
unten Li, das Haftende, das Feuer

Das Zeichen stellt die Gesetze dar, die innerhalb der Sippe walten. Der oberste starke Strich stellt den Vater dar, der unterste den Sohn, der fünfte starke Strich stellt den Gatten dar, die zweite weiche Linie die Gattin.

Andererseits stellen die beiden starken Linien auf fünftem und drittem Platz zwei Brüder dar, die zugehörigen schwachen Linien auf viertem und zweitem Platz ihre Frauen, so daß alle Beziehungen und Verhältnisse innerhalb der Sippe zu ihrem wesensgemäßen Ausdruck kommen.

Jede einzelne Linie hat die ihrem Platz entsprechende Natur. Daß auf dem sechsten Platz, wo man eine schwache Linie erwarten könnte dennoch ein starker Strich steht, bezeichnet aufs deutlichste die starke Herrschaft, die vom Haupt der Sippe ausgehen muß. Der Strich kommt hier nicht in seiner Eigenschaft als sechster, sondern als oberster in Betracht.

Die Sippe zeigt die Gesetze im Innern des Hauses wirksam, die nach außen übertragen Staat und Welt in Ordnung halten. Der Einfluß, der vom Innern der Sippe nach außen wirkt, ist dargestellt unter dem Bild des Windes, der vom Feuer erzeugt wird.

DAS URTEIL

Die Sippe.
Fördernd ist die Beharrlichkeit der Frau.

Die Grundlage der Sippe sind die Beziehungen von Gatte und Gattin. Das Band, das die Sippe zusammenhält, liegt in der Treue und Beharrlichkeit der Frau. Ihr Platz ist im Innern (zweite Linie), der Platz des Mannes im Äußern (fünfte Linie).

Daß Mann und Frau ihren rechten Platz einnehmen, entspricht den großen Gesetzen der Natur. In der Sippe bedarf es der festen Autorität: das sind die Eltern. Wenn der Vater wirklich Vater ist und der Sohn Sohn, wenn der ältere Bruder seinen Platz als älterer Bruder ausfüllt und der jüngere seinen Platz als jüngerer Bruder, wenn der Gatte wirklich Gatte ist und die Gattin Gattin, dann ist die Sippe in Ordnung.

Ist die Sippe in Ordnung, so kommen die ganzen Gesellschaftsbeziehungen der Menschheit in Ordnung. Von den fünf gesellschaftlichen Beziehungen liegen drei innerhalb der Sippe: die zwischen Vater und Sohn – die Liebe –, zwischen Mann und Frau – die Zucht –, zwischen älterem und jüngerem Bruder- die Ordnung.

Die liebevolle Ehrfurcht des Sohnes wird dann weiterhin auf den Fürsten übertragen als Pflichttreue und die Ordnung und Zuneigung der Brüder auf den Freund als Treue und das Verhältnis zu den Vorgesetzten als Unterordnung.

Die Sippe ist die Keimzelle der Gesellschaft, der Naturboden, auf dem die Ausübung der moralischen Pflichten durch natürliche Zuneigung erleichtert wird, so daß im engen Kreis die Grundlage geschaffen wird, von der sie dann auf die menschlichen Beziehungen im allgemeinen übertragen werden.

DAS BILD

Der Wind kommt aus dem Feuer hervor:
das Bild der Sippe.
So hat der Edle in seinen Worten die Sache
und in seinem Wandel die Dauer.

Die Hitze erzeugt Kraft; das bedeutet der Wind, der durch das Feuer entfacht wird und aus ihm hervorgeht. Das ist die Wirkung von innen nach außen. Ganz dasselbe ist bei der Regelung der Sippe notwendig. Auch hier muß die Wirkung von der eigenen Person auf andere ausgehen.

Um eine solche Wirkung ausüben zu können, müssen die Worte eine Kraft haben, das können sie nur, wenn sie auf etwas Wirklichem beruhen, wie die Flamme auf dem Brennstoff. Nur wenn die Worte sachlich sind, sich auf bestimmte Verhältnisse klar beziehen, haben sie Einfluß. Allgemeine Reden und Ermahnungen sind gänzlich wirkungslos.

Ferner müssen die Worte unterstützt werden von dem ganzen Benehmen, wie der Wind durch seine Dauer wirkt. Nur ein festes, konsequentes Handeln wird auf andere den Eindruck machen, daß sie sich ihm anpassen und nach ihm richten können. Sind Wort und Benehmen nicht im Einklang und konsequent, so bleibt die Wirkung aus.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Fester Abschluß innerhalb der Sippe.
Reue schwindet.

Die Familie muß eine festbegrenzte Einheit bilden, innerhalb deren jedes Glied seinen Platz kennt. Von Anfang an müssen die Kinder an feste Ordnungen gewöhnt werden, noch ehe ihr Wille auf anderes gerichtet ist.

Wenn man zu spät mit der Durchsetzung der Ordnung beginnt, wenn der Wille der Kinder schon verwöhnt ist, so leisten die großgewordenen Launen und Leidenschaften Widerstand, und es gibt Anlaß zur Reue.

Wenn man mit der Ordnung rechtzeitig beginnt so kommen wohl auch Anlässe zur Reue vor. Sie sind beim Zusammenleben in größerem Kreis unvermeidbar. Aber die Reue schwindet immer wieder. Es zieht sich alles zurecht. Denn es gibt nichts, das leichter vermeidbar und schwerer durchführbar wäre, als den Kindern den Willen zu brechen.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Sie soll nicht ihrer Laune folgen.
Sie soll im Innern für Speise sorgen.
Beharrlichkeit bringt Heil.

Die Frau soll sich immer nach dem Willen des Hausherrn richten, sei es des Vaters, des Gatten oder des erwachsenen Sohnes. Ihre Stellung ist inmitten des Hauses. Hier hat sie große und wichtige Pflichten, die sie nicht erst zu suchen braucht. Sie muß für die Nahrung der Angehörigen und die Opferspeisen sorgen.

Dadurch wird sie zum Mittelpunkt für das gesellschaftliche und religiöse Leben der Familie. Beharrlichkeit in dieser Stellung bringt dem ganzen Hause Heil.

Auf allgemeine Verhältnisse übertragen, wird der Rat erteilt, nichts gewaltsam zu suchen, sondern auf die vorhandenen Pflichten ruhig sich zu beschränken.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Wenn es in der Sippe hitzig zugeht,
so entsteht Reue über zu große Strenge.
Doch Heil!
Wenn Weib und Kind tändeln und lachen,
so führt das schließlich zu Beschämung.

In der Familie soll die rechte Mitte zwischen Härte und Läßlichkeit herrschen. Zu große Strenge gegen das eigene Fleisch und Blut führt zu Reue. Das beste ist, feste Dämme zu errichten, innerhalb derer den einzelnen volle Bewegungsfreiheit gelassen wird.

Doch ist im Zweifelsfalle zu große Strenge trotz einzelner Mißgriffe besser, weil die Zucht der Familie erhalten bleibt, als zu große Schwäche, die zu Schande führt.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Sie ist der Reichtum des Hauses.
Großes Heil!

Die Hausfrau ist es, von der der Wohlstand der Familie abhängt. Wohlstand herrscht immer dann, wenn Ausgaben und Einnahmen zueinander in gesundem Verhältnis stehen.

Das führt zu großem Heil. Aufs öffentliche Leben übertragen, ist hier der treue Haushalter gemeint, der das allgemeine Wohl durch seine Maßregeln fördert.
I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Ein König naht er seiner Sippe,
fürchtet euch nicht.
Heil!

Ein König ist das Bild eines väterlichen, innerlich reichen Mannes. Er handelt nicht so, daß man sich vor ihm fürchten muß, sondern die ganze Familie kann Vertrauen haben, weil die Liebe herrscht im Verkehr. Sein Wesen übt ganz von selbst den rechten Einfluß aus.
I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Seine Arbeit ist ehrfurchtgebietend.
Schließlich kommt Heil.

Die Ordnung der Familie beruht letzten Endes auf der Person des Hausherrn. Wenn er seine Person so ausbildet, daß sie in der Kraft innerer Wahrheit imponierend wirkt, dann geht in der Familie alles gut. Man muß die Verantwortung in leitender Stellung selbst auf sich nehmen.

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I Ching | Hexagram 38

38. Kui – Der Gegensatz
oben Li, das Haftende, das Feuer
unten Dui, das Heitere, der See

Das Zeichen besteht aus dem oberen Urzeichen Li, die Flamme, die nach oben flammt, und dem Urzeichen Dui, der See, unten, der nach unten sickert. Diese Bewegungen stehen zueinander im Gegensatz. Ferner ist Li die zweite und Dui die jüngste Tochter.

Obwohl sie im selben Hause wohnen, gehören sie doch verschiedenen Männern an und ihr Wille ist daher nicht gemeinsam, sondern auf Gegensätzliches gerichtet.

DAS URTEIL

Der Gegensatz.
In kleinen Sachen Heil.

Wenn die Menschen in Gegensatz und Entfremdung leben, so läßt sich ein großes gemeinsames Werk nicht ausführen. Die Gesinnungen gehen zu weit auseinander.

Vor allem darf man nicht schroff vorgehen, wodurch der Gegensatz nur noch verschärft würde, sondern muß sich auf allmähliche Wirkungen im Kleinen beschränken. Hier ist noch Heil zu erwarten, da die Lage so ist, daß der Gegensatz nicht jede Verständigung ausschließt.

Der Gegensatz, der im allgemeinen als Hemmung erscheint, hat als polarer Gegensatz innerhalb eines umfassenden Ganzen auch seine guten und wichtigen Funktionen.

Die Gegensätze zwischen Himmel und Erde, Geist und Natur, Mann und Weib bewirken durch ihren Ausgleich die Schöpfung und Fortpflanzung des Lebens. In der sichtbaren Welt der Dinge ermöglicht der Gegensatz eine Sonderung in Arten, durch die Ordnung in die Welt kommt.

DAS BILD

Oben das Feuer, unten der See:
das Bild des Gegensatzes.
So behält der Edle bei aller
Gemeinschaft seine Besonderheit.

Wie die beiden Elemente Feuer und Wasser, auch wenn sie beisammen sind, sich nie vermischen, sondern ihre eigene Natur behalten, so wird der gebildete Mensch auch durch Verkehr und gemeinsame Interessen mit anders gearteten Menschen sich nie dahin bringen lassen, daß er sich gemein macht, sondern er wird bei aller Gemeinsamkeit doch immer seine Eigenart wahren.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Die Reue schwindet.
Wenn du dein Pferd verlierst,
so lauf ihm nicht nach.
Es kommt von selber wieder.

Wenn du böse Menschen siehst, so hüte dich vor Fehlern. Auch in Zeiten des Gegensatzes kann man so handeln, daß man frei von Fehlern bleibt, so daß die Reue schwindet.

Man darf bei beginnendem Gegensatz die Einheit nicht erzwingen wollen; dadurch würde man nur das Gegenteil erreichen, wie ein Pferd sich immer weiter entfernt, wenn man ihm nachläuft.

Ist es unser Pferd, so kann man es ruhig laufen lassen: es kommt von selber wieder. So kommt auch ein Mensch, der zu uns gehört und infolge eines Mißverständnisses sich augenblicklich von uns entfernt, von selber wieder, wenn man ihn machen läßt.

Auf der anderen Seite gilt es vorsichtig sein, wenn böse Menschen, die nicht zu uns gehören, sich herbeidrängen – auch infolge eines Mißverständnisses.

Hier gilt es, Fehler zu vermeiden: sie nicht gewaltsam entfernen wollen, wodurch erst recht Feindschaft entstünde, sondern sie einfach dulden. Sie ziehen sich schon von selbst zurück.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Man begegnet seinem Herrn in enger Gasse.
Kein Makel.

Infolge der Mißverständnisse ist es nicht möglich, daß Menschen, die ihrer Art nach zusammengehören, auf ganz korrekte Weise zusammenkommen. Da mag denn ein zufälliges Zusammentreffen unter unformellen Umständen auch hingehen, wenn nur die innere Zusammengehörigkeit vorhanden ist.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Man sieht den Wagen nach hinten gezerrt,
die Rinder festgehalten,
dem Menschen Haare und Nase abgeschnitten.
Kein guter Anfang, aber ein gutes Ende.

Manchmal sieht es so aus, als ob sich alles gegen einen verschworen habe; man sieht sich im Fortschritt gehemmt und zurückgehalten, man sieht sich beschimpft und verletzt (Abschneiden von Haaren und Nase war eine schwere, entehrende Strafe).

Aber man darf sich dann nicht irremachen lassen, sondern muß trotz dieser Gegensätze festhalten an dem Menschen, mit dem man sich zusammengehörig weiß. So wird trotz des schlechten Anfangs das Ende schließlich gut werden.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Durch Gegensatz vereinsamt,
trifft man einen Gleichgesinnten,
mit dem man in Treue verkehren kann.
Trotz der Gefahr kein Makel.

Wenn man in einer Gesellschaft ist, von der man durch einen inneren Gegensatz getrennt ist, so kommt man in Vereinsamung.

Aber wenn man in solcher Lage einen Menschen trifft, der ursprünglich seinem ganzen Wesen nach zu einem gehört, dem man sein volles Vertrauen schenken kann, dann überwindet man alle Gefahren der Vereinsamung. Unser Wille hat Erfolg, und man wird frei von Fehlern.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Die Reue schwindet.
Der Gefährte beißt sich durch die Hülle.
Wenn man hingeht zu ihm, wie wäre das ein Fehler?

Man findet einen treuen Menschen, den man in der allgemeinen Entfremdung zuerst verkennt. Aber er beißt sich durch die trennenden Hüllen durch. Da ist es nun für den, dem dieser Gefährte sich in seinem wahren Wesen zeigt, Pflicht, ihm entgegenzugehen und mit ihm zusammenzuarbeiten.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Durch Gegensatz vereinsamt,
sieht man seinen Gefährten
wie ein schmutzbeladenes Schwein,
wie einen Wagen voll Teufel.
Erst spannt man den Bogen nach ihm,
dann legt man den Bogen weg.
Nicht Räuber er ist, will freien zur Frist.
Beim Hingehen fällt Regen, dann kommt Heil.

Hier ist die Vereinsamung durch Mißverständnisse, nicht durch die äußeren Verhältnisse, sondern durch innere Zustande bedingt. Man verkennt seine besten Freunde, halt sie für unrein wie ein schmutziges Schwein und für gefährlich wie einen Wagen voll Teufel. Man setzt sich in Verteidigungsstellung.

Aber schließlich erkennt man seinen Irrtum, legt den Bogen weg und merkt, daß der andere in bester Absicht zu enger Verbindung kommt. So löst sich die Spannung. Die Vereinigung löst den Gegensatz, wie der fallende Regen die Schwüle vor dem Gewitter ablöst. Alles geht gut, denn der Gegensatz schlägt gerade auf seiner Höhe in sein Gegenteil um.

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I Ching | Hexagram 39

39. Giën – Das Hemmnis
oben Kan, das Abgründige, das Wasser
unten Gen, das Stillehalten, der Berg

Das Zeichen stellt einen gefährlichen Abgrund dar, der vor einem liegt; hinter sich hat man den steilen, unzugänglichen Berg. So ist man von Hemmnissen umgeben. Aber in der Eigenschaft des Berges, stillezuhalten, liegt auch gleichzeitig ein Fingerzeig, wie man aus den Hemmnissen herauskommen kann.

Das Zeichen stellt Hemmnisse dar, die im Lauf der Zeit sich einstellen, die aber überwunden werden können und sollen. Daher ist die ganze Auskunft darauf gerichtet, die Hemmnisse zu überwinden.

DAS URTEIL

Das Hemmnis. Fördernd ist der Südwesten.
Nicht fördernd ist der Nordosten.
Fördernd ist es, den großen Mann zu sehen.
Beharrlichkeit ist von Heil.

Südwesten ist die Gegend des Rückzugs, Nordosten die Gegend des Vordringens. Es handelt sich um eine Lage, da sich Hemmnisse einem gegenüberstellen, die nicht direkt Überwunden werden können. In diesem Fall ist es Weisheit, angesichts der Gefahr stehenzubleiben und sich zurückzuziehen. Dieser Rückzug ist jedoch nur die Vorbereitung zur Überwindung der Hemmnisse.

Es gilt, sich mit gleichgesinnten Freunden zusammenzutun und sich der Leitung eines Mannes zu unterstellen, der der Lage gewachsen ist; dann wird es gelingen, die Hemmnisse zu beseitigen. Dazu bedarf es der Gesinnung der Beharrlichkeit gerade dann, wenn man scheinbar etwas tun muß, das vom Ziel abführt.

Diese unbeirrbare Richtung des Innern bringt schließlich Heil. Das Hemmnis, das nur eine Zeitlang dauert, ist von Wert für die Bildung der eigenen Persönlichkeit. Das ist der Wert der Not.

DAS BILD

Auf dem Berg ist das Wasser:
das Bild des Hemmnisses.
So wendet sich der Edle seiner eigenen
Person zu und bildet seinen Charakter.

Schwierigkeiten und Hemmnisse werfen den Menschen auf sich selbst zurück. Während aber der Gemeine die Schuld draußen bei andern Menschen sucht und das Schicksal anklagt, sucht der Edle den Fehler in sich selbst, und durch dieses Insichgehen wird die äußere Hemmung für ihn ein Anlaß innerer Bereicherung und Bildung.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Gehen führt in Hemmnisse,
Kommen findet Lob.

Wenn man sich einem Hemmnis gegenüber sieht, so handelt es sich darum, zu überlegen, wie man damit am besten fertig wird. Wenn eine Gefahr uns droht, dürfen wir nicht blindlings nach vorwärts streben, das führte nur in Verwicklungen.

Sondern es ist richtig, sich zunächst zurückzuziehen, nicht um den Kampf aufzugeben, sondern um den richtigen Augenblick für das Handeln abzuwarten.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Des Königs Diener ist in
Hemmnis über Hemmnis.
Aber es ist nicht seine eigene Schuld.

Während man normalerweise das Hemmnis am besten umgeht und auf der Linie des geringsten Widerstands zu überwinden sucht, gibt es doch einen Fall, da man der Schwierigkeit entgegengehen muß, auch wenn sich Schwierigkeit auf Schwierigkeit türmt:

wenn nämlich der Weg der Pflicht dahin führt, daß man nicht aus freier Entschließung handeln kann, sondern die Pflicht hat, im Dienste einer höheren Sache die Gefahr aufzusuchen.

Dann mag man es tun und dabei innerlich vollkommen beruhigt sein, weil man nicht durch eigene Schuld sich in diese schwierige Situation begeben hat.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Gehen führt in Hemmnisse;
da kommt er zurück.

Während die vorige Linie den Beamten zeigt, der um der Pflicht willen den Weg der Gefahr gehen muß, ist hier der Mann gezeigt, der als Familienvater oder Haupt der Seinen zu handeln hat.

Wollte er sich leichtsinnig in Gefahr stürzen, so würde es doch nutzlos sein, weil die seiner Hut Anvertrauten allein nicht weiterkommen. Zieht er sich dagegen zurück und wendet sich den Seinen wieder zu, so begrüßen ihn diese mit großer Freude.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Gehen führt in Hemmnisse,
Kommen führt zur Vereinigung.

Auch hier ist eine Lage gezeichnet, der man allein nicht gewachsen ist. In solchem Fall ist der gerade Weg nicht der kürzeste. Wollte man aus eigner Kraft vorwärtsstreben, ohne die nötigen Vorbereitungen, so fände man nicht den nötigen Beistand und würde zu spät erkennen, daß die Berechnungen täuschen indem die Umstände, mit denen man rechnen zu können hoffte, sich als zu schwach erweisen.

Darum ist es in diesem Fall richtig, zunächst sich zurückzuhalten und zuverlässige Gefährten um sich zu sammeln, auf die man sich stützen kann, um die Hemmnisse zu überwinden.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Inmitten der größten
Hemmnisse kommen Freunde.

Hier sehen wir den Mann, der berufen ist, die Not zu steuern. Er darf den Hemmnissen nicht ausweichen wollen, auch wenn sie sich noch so gefährlich vor ihm auftürmen.

Aber da er wirklich einen höheren Beruf hat, so ist die Macht seines Geistes stark genug, die Menschen an sich zu ziehen, daß sie kommen und ihm helfen, und er ist imstande, sie wirklich zu organisieren, damit durch die planvoll verteilte Zusammenarbeit aller Beteiligten das Hemmnis überwunden wird.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Gehen führt in Hemmnisse,
Kommen führt zu großem Heil.
Fördernd ist es, den großen Mann zu sehen.

Es ist hier jemand gezeichnet, der die Welt und ihr Getriebe schon hinter sich hat. Wenn nun die Zeit der Hemmnisse für die Welt kommt, so könnte es scheinen, als wäre es das einfachste für ihn, einfach die Welt hinter sich zu lassen und sich hinaus ins Jenseits zu flüchten.

Aber dieser Weg ist ihm versperrt. Er darf nicht allein selig werden und die Welt ihrer Not überlassen. Sondern seine Pflicht ruft ihn noch einmal zurück ins Weltgetriebe.

Gerade seine Erfahrung und innere Freiheit ermöglichen ihm dann, etwas Großes und Reifes zu schaffen, das Heil bringt. Und es ist fördernd, den großen Mann zu sehen, mit dem zusammen man das Werk der Rettung vollbringen kann.

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I Ching | Hexagram 4040. Hië
Die Befreiung

oben Dschen, das Erregende, der Donner
unten Kan, das Abgründige, das Wasser

Die Bewegung geht hier aus der Gefahr heraus. Das Hemmnis ist beseitigt, die Schwierigkeiten sind in der Lösung begriffen.

Die Befreiung ist noch nicht vorüber, sondern setzt eben erst ein, und ihre verschiedenen Stadien kommen in dem Zeichen zur Darstellung.

DAS URTEIL

Die Befreiung. Fördernd ist der Südwesten.
Wenn nichts mehr da ist, wohin man zu gehen hätte,
ist das Wiederkommen von Heil.
Wenn es noch etwas gibt, wohin man gehen muß,
dann ist Raschheit von Heil.

Es handelt sich um eine Zeit, da Spannungen und Verwicklungen sich zu lösen beginnen. In solchen Zeiten gilt es, sobald wie möglich zu den gewöhnlichen Verhältnissen sich zurückzuziehen – dies die Bedeutung des Südwestens.

Solche Zeiten des Umschlags sind sehr wichtig. Ähnlich wie ein befreiender Regen die Spannung der Atmosphäre löst und alle Knospen zum Springen bringt, wirkt eine Zeit der Befreiung von drückender Last erlösend und anregend auf das Leben.

Aber eins ist wichtig: Man darf in solchen Zeiten den Triumph nicht übertreiben wollen. Es gilt, nicht weiter vorzudringen, als nötig ist. Sowie die Befreiung erreicht ist, zurückzukehren zur Ordnung des Lebens, das ist von Heil.

Wenn noch Reste aufzuarbeiten bleiben, so gilt es, das so schnell wie möglich zu tun, damit reiner Tisch gemacht wird und keine Verzögerungen eintreten.

DAS BILD

Donner und Regen erheben sich:
das Bild der Befreiung.
So verzeiht der Edle Fehler
und vergibt die Schuld.

Das Gewitter hat luftreinigende Wirkung. So macht es der Edle auch mit den Fehlern und Sünden der Menschen, die Spannungszustände hervorrufen. Durch Klarheit schafft er Befreiung.

Aber wenn die Verfehlungen am Tage sind, dann bleibt er nicht dabei, sondern geht über die Fehler, die unabsichtlichen Übertretungen, einfach weg, wie der Donner verklingt, und vergibt die Schuld, die absichtlichen Übertretungen, wie das Wasser alles vom Schmutz reinigt.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Ohne Makel.

Es werden nicht viele Worte gemacht, entsprechend der Situation. Die Hemmung ist vorüber, die Befreiung ist da. Man erholt sich in Ruhe und hält sich still. Das ist in Zeiten nach überstandenen Schwierigkeiten ganz das richtige.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Auf dem Feld erlegt man drei Füchse
und bekommt einen gelben Pfeil.
Beharrlichkeit ist von Heil.

Das Bild ist von der Jagd genommen. Der Jäger fängt drei listige Füchse und erhält zur Belohnung einen gelben Pfeil. Die Hemmnisse des öffentlichen Lebens sind die falschen Füchse, die als Schmeichler den Herrscher zu beeinflussen suchen. Sie müssen beseitigt werden, ehe Befreiung eintreten kann.

Aber der Kampf darf nicht mit falschen Waffen geführt werden. Die gelbe Farbe deutet auf Maß und Mitte beim Vorgehen gegen die Feinde, der Pfeil auf die gerade Richtung.

Wenn man sich der Aufgabe der Befreiung mit ganzem Herzen widmet, bekommt man eine solche Kraft der inneren Geradheit, daß sie als Waffe wirkt gegen alles Falsche und Gemeine.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Wenn einer eine Last auf dem Rücken trägt
und trotzdem auf dem Wagen fährt,
veranlaßt er dadurch die Räuber, herbeizukommen.
Beharrlichkeit führt zu Beschämung.

Ein Mensch ist aus ärmlichen Verhältnissen heraus in eine bequeme Lage gekommen, da er von Not befreit ist. Wenn er nun nach Art eines Emporkömmlings es sich bequem machen will ohne doch in seinem Wesen zu den bequemen Verhältnissen zu passen, so zieht er dadurch Räuber an, und wenn er so fort macht, gerät er bestimmt in Schande.

Kungtse sagt darüber:

Eine Last auf dem Rücken zu tragen, ist das Geschäft eines gemeinen Menschen. Ein Wagen ist das Gerät eines vornehmen Mannes. Wenn nun ein Gemeiner das Gerät eines vornehmen Mannes benutzt, so denken die Räuber darauf, es ihm wegzunehmen.

Wenn einer frech nach oben und hart nach unten ist, so denken die Räuber daran, ihn anzugreifen. Lässige Aufbewahrung verführt die Räuber zum Stehlen. Üppiger Schmuck eines Mädchens verlockt zum Raub ihrer Tugend.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Befreie dich von deiner großen Zehe.
Dann kommt der Gefährte herbei,
und dem kannst du trauen.

Zu Zeiten des Stillstandes kommt es vor, daß gemeine Menschen sich einem höheren Menschen anschließen und durch tägliche Gewohnheit mit ihm zusammenwachsen und unentbehrlich werden, wie die große Zehe dem Fuß, dem sie das Gehen erleichtert.

Aber wenn die Zeit der Befreiung naht mit ihrer Berufung zur Tat, dann muß man sich frei machen von solchen Zufallsbekanntschaften, mit denen man doch nicht innerlich zusammengehört.

Denn sonst bleiben die gleichgesinnten Freunde, denen man wirklich trauen kann und mit denen gemeinsam sich etwas leisten läßt, voll Mißtrauen weg.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Wenn der Edle sich nur befreien kann,
das bringt Heil.
Er zeigt so den Gemeinen, daß es ihm ernst ist.

Befreiungszeiten bedürfen des inneren Entschlusses. Die Gemeinen sind nicht zu entfernen durch Verbote und äußere Mittel. Will man sie loswerden, so muß man sich innerlich erst vollkommen von ihnen losmachen, dann merken sie von selber, daß es einem ernst ist, und ziehen sich zurück.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Der Fürst schießt nach einem
Habicht auf hoher Mauer.
Er erlegt ihn. Alles ist fördernd.

Der Habicht auf hoher Mauer ist das Bild eines machtvollen Gemeinen an hoher Stelle, der die Befreiung hindert. Er widersteht der Einwirkung durch innere Einflüsse, da er in seiner Bosheit verhärtet ist. Er muß gewaltsam beseitigt werden; dazu bedarf es der entsprechenden Mittel.

Kungtse sagt darüber:

Der Habicht ist der Zweck der Jagd. Pfeil und Bogen sind die Werkzeuge und Mittel. Der Schütze ist der Mensch, der die Mittel zum Zweck richtig gebrauchen muß. Der Edle birgt die Mittel in seiner Person.

Er wartet die Zeit ab, und dann handelt er. Wie sollte da nicht alles gut gehen? Er handelt und ist frei. Darum braucht er nur auszugehen und erlegt die Beute. So steht es mit einem Menschen, der handelt, nachdem er die Mittel fertiggestellt hat.

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I Ching | Hexagram 4141. Sun
Die Minderung

oben Gen, das Stillehalten, der Berg
unten Dui, das Heitere, der See

Das Zeichen stellt eine Minderung des unteren Zeichens zugunsten des oberen dar, indem der dritte, ursprünglich starke Strich nach oben gegangen ist und der ursprünglich schwache obere Strich an seine Stelle getreten ist. Das Untere wird also auf Kosten des Oberen vermindert.

Das aber ist Verminderung schlechthin. Wenn man das Fundament eines Bauwerks vermindert und seine oberen Mauern verstärkt, so verliert das Ganze an Festigkeit.

Ebenso ist eine Minderung des Volkswohlstands zugunsten der Regierung eine Verminderung schlechthin.

Und die ganze Tendenz des Zeichens geht dahin, darauf hinzuweisen wie diese Wohlstandsverschiebung vor sich gehen kann, ohne daß die Quellen des Wohlstands im Volk und seinen unteren Ständen dadurch versiegen.

DAS URTEIL

Minderung verbunden mit Wahrhaftigkeit
wirkt erhabenes Heil ohne Makel.
Man kann darin beharrlich sein.
Fördernd ist es, etwas zu unternehmen.
Wie übt man das aus?
Zwei kleine Schüsselchen
mag man benützen zum Opfer.

Minderung bedeutet nicht unter allen Umständen etwas Schlechtes. Mehrung und Minderung kommen zu ihrer Zeit. Da gilt es, sich in die Zeit zu finden und die Armut nicht durch leeren Schein verdecken zu wollen. Wenn durch eine Zeit der geringen Dinge eine innere Wahrheit zum Ausdruck kommt, so darf man sich der Einfachheit nicht schämen.

Sie ist dann gerade das richtige, das innere Kraft verleiht, durch die man dann wieder etwas unternehmen kann. Man darf selbst kein Bedenken tragen, wenn die äußere Schönheit der Kultur, ja selbst die Ausgestaltung religiöser Beziehungen unter der Einfachheit zu leiden hätte.

Man muß von der Stärke der inneren Gesinnung etwas nehmen und es der Dürftigkeit der äußeren Erscheinung als Ersatz zulegen. Dann hilft die Kraft des Gehalts über die Schlichtheit der Form hinweg. Vor Gott bedarf es nicht des falschen Scheins. Auch mit geringen Mitteln läßt sich die Gesinnung des Herzens zum Ausdruck bringen.

DAS BILD

Unten am Berg ist der See:
das Bild der Minderung.
So bändigt der Edle seinen Zorn
und hemmt seine Triebe.

Der See unten am Berg verdunstet. Dadurch wird er gemindert zu Gunsten des Bergs, der durch seine Feuchtigkeit bereichert wird. Der Berg ist das Bild eigensinniger Stärke, die sich zum Zorn verdichten kann, der See ist das Bild der unkontrollierten Lustigkeit, die sich zu leidenschaftlichen Trieben entwickeln kann, wenn sie auf Kosten der Lebenskräfte sich entwickelt.

Da gilt es zu mindern: Der Zorn muß durch Stillehalten gemindert werden, die Triebe müssen durch Einschränkung gehemmt werden. Durch diese Minderung der niederen Seelenkräfte werden die höheren Seiten der Seele bereichert.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Wenn die Geschäfte fertig sind, rasch hingehen
ist kein Makel. Doch muß man überlegen,
wie weit man andre mindern darf.

Es ist selbstlos und gut, wenn man nach Erledigung der unmittelbar wichtigen eigenen Aufgaben seine Kraft in den Dienst der anderen stellt und, ohne viel daraus zu machen oder zu prahlen, rasch hilft, wo zu helfen ist.

Aber der Mann an höherer Stelle, dem so geholfen wird, muß wohl überlegen, wieviel er annehmen darf, ohne den hilfreichen Diener oder Freund im wesentlichen zu schädigen. Nur wo solches Zartgefühl vorhanden ist, kann man sich ohne Bedenken unbedingt geben.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Fördernd ist Beharrlichkeit.
Etwas zu unternehmen, ist von Unheil.
Ohne sich selbst zu mindern,
vermag man die andern zu mehren.

Ein edles Selbstbewußtsein und konsequenter Ernst, der sich nichts vergibt, ist die Gesinnung, die notwendig ist, wenn man andern dienen will.

Wer sich wegwirft, um einem Höheren zu Willen zu sein, der mindert zwar seine eigene Stellung, ohne aber dem andern dauernd zu nützen. Das aber ist vom Übel. Ohne sich selbst aufzugeben, dem andern zu dienen, das erst ist der wahre Dienst von dauerndem Wert.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Wenn drei Menschen miteinander wandern,
so vermindern sie sich um einen Menschen.
Wenn ein Mensch wandert,
so findet er seinen Gefährten.

Wo drei zusammen sind, da gibt es Eifersucht. Da muß einer weichen. Engste Verbindung ist nur zu Zweien möglich. Wo aber einer einsam ist, da findet er sicher seinen Gefährten, der ihn ergänzt.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Wenn man seine Mängel mindert macht man,
daß der andre eilig kommt und Freude hat.
Kein Makel.

Oft hindern unsere Fehler selbst wohlgesinnte Menschen, uns näherzutreten. Diese Fehler werden oft verstärkt und schlimmer gemacht durch die Umgebung, in der wir uns befinden.

Wenn man es über sich bringen kann, sich herabzubegeben und sie abzulegen, so befreit man die wohlgesinnten Freunde von einem inneren Druck und bewirkt, daß sie sich nur um so schneller nahen zu beiderseitiger Freude.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Es mehrt ihn wohl jemand.
Zehn Paar Schildkröten können
dem nicht widerstreben.
Erhabenes Heil!

Wenn jemand vom Schicksal zum Glück bestimmt ist, so kommt es unweigerlich. Alle Orakel, wie sie z. B. durch Schildkrötenschalen gewonnen werden, müssen in günstigen Zeichen zu seinen Gunsten übereinstimmen. Er braucht sich vor nichts zu fürchten, denn sein Glück ist höhere Fügung.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Wenn man ohne Minderung
der anderen gemehrt wird,
so ist das kein Makel. Beharrlichkeit bringt Heil.
Fördernd ist es,
etwas zu unternehmen.
Man bekommt Diener,
aber hat kein besonderes Heim mehr.

Es gibt Menschen, die Segen spenden für die ganze Welt. Jeder Kraftzuwachs, jede Mehrung, die ihnen zuteil wird, kommt allen Menschen zugute und bedeutet daher keine Minderung für die andern. Durch beharrliche und eifrige Arbeit hat man Erfolg und findet Gehilfen wie man sie braucht.

Aber was man wirkt, ist nicht ein irgendwie begrenzter Privatvorteil, sondern es ist offen und für jedermann zugänglich.

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I Ching | Hexagram 42

42. I
Die Mehrung

oben Sun, das Sanfte, der Wind
unten Dschen, das Erregende, der Donner

Der Gedanke der Mehrung drückt sich dadurch aus, daß der unterste starke Strich des oberen Halbzeichens sich heruntergesenkt und unter das untere Halbzeichen gestellt hat. Der Grundgedanke des Buchs der Wandlungen kommt auch in dieser Auffassung zum Ausdruck.

Wahres Herrschen muß Dienen sein. Ein Opfer des Höheren, das eine Mehrung des Niederen bewirkt, wird Mehrung schlechthin genannt, um dadurch den Geist anzudeuten, der allein imstande ist, der Welt zu helfen.

DAS URTEIL

Die Mehrung.
Fördernd ist es,
etwas zu unternehmen.
Fördernd ist es,
das große Wasser zu durchqueren.

Durch das Opfer, das von oben her zur Mehrung des Unteren gebracht wird, entsteht im Volk eine Stimmung der Freude und Dankbarkeit, die für die Blüte des Gemeinwesens überaus wertvoll ist.

Wenn die Menschen so ihren Führern zugetan sind, dann läßt sich etwas unternehmen, und auch schwierige, gefahrvolle Dinge werden gelingen. Darum gilt es in solchen aufsteigenden Zeiten, deren Entwicklung von Erfolg begleitet ist, zu arbeiten und die Zeit auszunutzen.

Diese Zeit ist wie die Zeit, wenn Himmel und Erde sich vermählen, wenn die Erde der schöpferischen Kraft des Himmels teilhaftig wird und nun die Lebewesen gestaltet und verwirklicht. Die Zeit der Mehrung dauert nicht, darum muß sie benützt werden, solange sie da ist.

DAS BILD

Wind und Donner: das Bild der Mehrung.
So der Edle: Sieht er Gutes, so ahmt er es nach,
hat er Fehler, so legt er sie ab.

Indem man beobachtet, wie Donner und Wind sich gegenseitig mehren und verstärken, lernt man den Weg zu seiner eignen Selbstmehrung und Besserung. Wenn man an anderen etwas Gutes entdeckt, soll man es nachahmen und so alles Gute auf Erden sich zu eigen machen.

Sieht man an sich selbst etwas Schlechtes, so lege man es ab. Dadurch wird man frei vom Bösen. Diese ethische Veränderung ist die wichtigste Mehrung der Persönlichkeit.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Fördernd ist es, große Taten zu vollbringen.
Erhabenes Heil! Kein Makel.

Wenn man von oben her eine große Förderung erfährt, muß man den Kraftzuwachs, den man so erhält, dazu benützen, etwas Großes zu leisten, zu dem man sonst vielleicht weder Kraft noch Verantwortungsfreudigkeit gefunden hätte.

Dadurch, daß man frei von Selbstsucht ist, wird großes Heil bewirkt, und indem man großes Heil zustande bringt, bleibt man frei von Vorwürfen.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Es mehrt ihn wohl jemand.
Zehn Paar Schildkröten können
dem nicht widerstreben.
Dauernde Beharrlichkeit bringt Heil.
Der König stellt ihn dar vor Gott. Heil!

Die wirkliche Mehrung kommt dadurch, daß man in sich die Bedingungen dafür schafft: Aufnahmebereitschaft und Liebe zum Guten. Dadurch kommt das Erstrebte von selber mit naturgesetzlicher Notwendigkeit.

Wo die Mehrung so in Einklang steht mit den höchsten Weltgesetzen, kann sie durch keine Konstellation von Zufällen verhindert werden.

Nur kommt alles darauf an, daß man sich durch unerwartetes Glück nicht leichtsinnig machen läßt, sondern durch innere Stärke und Beständigkeit es sich zu eigen macht. Dann bekommt man Bedeutung vor Gott und Menschen und kann etwas ausrichten zum besten der Welt.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Man wird gemehrt durch unheilvolle Ereignisse.
Kein Makel, wenn du wahrhaftig bist
und in der Mitte wandelst
und dem Fürsten berichtest mit einem Siegel.

Eine Zeit des Segens und der Bereicherung ist in ihrer Wirkung so stark, daß selbst sonst unheilvolle Ereignisse denen zum besten dienen müssen, die davon betroffen sind.

Sie werden frei von Fehlern und gewinnen dadurch, daß sie der Wahrheit entsprechend handeln, eine solche innere Autorität, daß sie Einfluß ausüben, als seien sie durch Brief und Siegel bestätigt.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Wenn du in der Mitte wandelst
und dem Fürsten berichtest,
so wird er folgen.
Fördernd ist es, benützt zu werden
bei der Verlegung der Hauptstadt.

Es ist von Wichtigkeit, daß es Menschen gibt, die zwischen Führern und Geführten vermitteln. Das müssen selbstlose Persönlichkeiten sein, namentlich in Zeiten der Mehrung, da vom Führer Nutzen ausgehen soll für das Volk.

Von dem Segen darf nichts in selbstsüchtiger Weise zurückgehalten werden, sondern er muß wirklich denen zugute kommen, für die er bestimmt ist.

Eine solche Vermittlerpersönlichkeit, die auch auf den Führer einen guten Einfluß ausübt, ist besonders wichtig in Zeiten, da es sich um große, für die Zukunft entscheidende Unternehmungen handelt, die der inneren Zustimmung aller Beteiligten bedürfen.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Wenn du wahrhaftig ein gütiges Herz hast,
so frage nicht. Erhabenes Heil!
Wahrhaftig wird Güte als deine
Tugend erkannt werden.

Wirkliche Güte rechnet und fragt nicht nach Würdigkeit und Dank, sondern sie wirkt sich aus nach innerer Notwendigkeit. Ein solch wahrhaft gütiges Herz findet sich auch belohnt, indem es anerkannt wird, und so wird der segensvolle Einfluß ungehemmt ausdehnen.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Er gereicht niemand zur Mehrung.
Es schlägt ihn wohl gar jemand.
Er hält sein Herz nicht dauernd fest.
Unheil!

Der Sinn der Lage ist, daß die Oberen durch Verzicht die Unteren mehren sollen. Indem man diese Pflicht versäumt und niemand nützt, entzieht man sich auch dem fördernden Einfluß der andern und sieht sich bald vereinsamt.

Dadurch zieht man sich Angriffe zu. Eine Gesinnung, die nicht dauernd im Einklang ist mit den Forderungen der Zeit, wird notwendig Unheil mit sich bringen.

Konfuzius sagt über diese Linie:

Der Edle bringt seine Person in Ruhe, ehe er sich bewegt; er faßt sich in seinem Sinn, ehe er redet; er festigt seine Beziehungen, ehe er um etwas bittet. Indem der Edle diese drei Stücke in Ordnung bringt, ist er in völliger Sicherheit.

Wenn man aber unvermittelt ist in seinen Bewegungen, so tun die Leute nicht mit. Wenn man aufgeregt ist in seinen Worten, so finden sie keinen Widerhall bei den Leuten. Wenn man ohne vorherige Beziehungen etwas verlangt, so geben es einem die Leute nicht. Wenn niemand mit einem ist, so kommen die Schädiger herbei.

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I Ching | Hexagram 4343. Guai
Der Durchbruch, (die Entschlossenheit)

oben Dui, das Heitere, der See
unten Kiën, das Schöpferische, der Himmel

Das Zeichen bedeutet einerseits einen Durchbruch nach lange angesammelter Spannung, wie den Durchbruch eines geschwellten Flusses durch seine Dämme, wie einen Wolkenbruch.

Auf menschliche Verhältnisse übertragen, ist es andererseits die Zeit, da allmählich die Gemeinen im Schwinden sind. Ihr Einfluß ist im Abnehmen, und durch eine entschlossene Aktion kommt eine Änderung der Verhältnisse zum Durchbruch. Das Zeichen ist dem dritten Monat (April-Mai) zugeordnet.

DAS URTEIL

Der Durchbruch.
Entschlossen muß man am Hof des
Königs die Sache bekanntmachen.
Der Wahrheit gemäß muß sie verkündet werden.
Gefahr!
Man muß seine eigene Stadt benachrichtigen.
Nicht fördernd ist es, zu den Waffen zu greifen.
Fördernd ist es, etwas zu unternehmen.

Wenn in einer Stadt auch nur ein Gemeiner an herrschendem Platz sich hält, so vermag er die Edlen zu bedrücken. Wenn im Herzen auch nur noch eine Leidenschaft nistet, so vermag sie die Vernunft zu umdüstern.

Leidenschaft und Vernunft können nicht zusammen bestehen, darum ist unbedingter Kampf notwendig, wenn man das Gute zur Herrschaft bringen will. Für den entschlossenen Kampf des Guten zur Beseitigung des Bösen gibt es aber bestimmte Regeln, die nicht außer acht gelassen werden dürfen, wenn man Erfolg haben will.

Entschlossenheit muß auf einer Vereinigung von Stärke und Freundlichkeit beruhen.

Ein Kompromiß mit dem Schlechten ist nicht möglich; es muß unter allen Umständen offen diskreditiert werden. Ebenso dürfen auch die eigenen Leidenschaften und Fehler nicht beschönigt werden.

Der Kampf darf nicht direkt durch Gewalt geführt werden. Wo das Böse gebrandmarkt ist, da sinnt es auf Waffen, und wenn man ihm den Gefallen tut, es Schlag gegen Schlag zu bekämpfen, so zieht man den kürzeren, weil man dadurch selbst in Haß und Leidenschaft verwickelt wird.

Darum gilt es, beim eigenen Haus anzufangen: persönlich auf der Hut zu sein vor den gebrandmarkten Fehlern. Dadurch stumpfen sich die Waffen des Bösen von selbst ab, wenn sie keinen Gegner finden.

Ebenso dürfen auch eigene Fehler nicht direkt bekämpft werden. Solange man sich mit ihnen herumschlägt, bleiben sie immer siegreich. Die beste Art, das Böse zu bekämpfen, ist energischer Fortschritt im Guten.

DAS BILD

Der See ist an den Himmel emporgestiegen:
das Bild des Durchbruchs.
So spendet der Edle
Reichtum nach unten hin
und scheut es,
bei seiner Tugend zu verweilen.

Wenn das Wasser des Sees an den Himmel emporgestiegen ist, so läßt das einen Wolkenbruch befürchten. Das läßt sich der Edle zur Warnung dienen, indem er rechtzeitig einem gewaltsamen Zusammenbruch vorbeuge.

Wer nur für sich allein Reichtum anhäufen wollte, ohne an andre zu denken, der würde es bestimmt erleben, daß es einen Zusammenbruch mit ihm gibt. Denn auf alles Sammeln folgt ein Zerstreuen.

Darum zerstreut der Edle schon während des Sammelns. Ebenso ist er bei der Bildung seines Charakters darauf bedacht, sich nicht in Eigensinn zu versteifen, sondern sich in dauernder strenger Selbstprüfung eindrucksfähig zu erhalten.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Mächtig in den
vorwärtsschreitenden Zehen.
Geht man hin
und ist der Sache nicht gewachsen,
so macht man einen Fehler.

In Zeiten entschlossenen Voranschreitens ist besonders der erste Anfang schwierig. Man fühlt sich zu entschlossenem Voranschreiten begeistert. Aber der Widerstand ist noch sehr stark. Da gilt es, die eigene Kraft zu ermessen und nur so weit sich einzulassen, als man des Erfolges sicher ist.

Blinde Draufgängerei ist vom Übel, denn gerade zu Anfang kann ein unerwarteter Rückschlag von den unheilvollsten Folgen sein.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Alarmruf. Abends und nachts Waffen.
Fürchte nichts.

Bereit sein ist alles. Entschlossenheit ist mit Vorsicht untrennbar verbunden. Wenn man sorgfältig und besonnen ist, so braucht man nicht zu erschrecken und aufgeregt zu werden.

Wenn man allezeit wachsam ist, solange noch keine Gefahr da ist, so ist man gewappnet, wenn die Gefahr naht, und braucht sich nicht zu fürchten. Der Edle ist auf der Hut vor dem, was noch nicht zu sehen ist, und besorgt vor dem was noch nicht zu hören ist; darum weilt er inmitten der Schwierigkeiten, als wären es keine Schwierigkeiten.

Wenn man seinen Charakter ausbildet, so fügen sich einem die Menschen von selbst. Siegt die Vernunft, so ziehen sich die Leidenschaften von selbst zurück. Besonnen sein und nicht die Rüstung vergessen, das ist der rechte Weg zur Sicherheit.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Mächtig in den Backenknochen zu sein bringt Unheil.
Der Edle ist fest entschlossen.
Er wandelt einsam und kommt in den Regen.
Er wird bespritzt, und man murrt wider ihn.
Kein Makel.

Die Lage, in der man sich befindet, ist zweideutig. Während alle im entschlossenen Kampf gegen das Gemeine begriffen sind, ist man allein in einer gewissen Beziehung zu einem gemeinen Menschen.

Wollte man sich nun äußerlich stark zeigen und, ehe die Verhältnisse reif sind, sich gegen ihn wenden, so würde man damit nur die Gesamtlage gefährden; denn der Gemeine würde dann vorzeitig zu Gegenmaßregeln greifen.

Die Aufgabe des höheren Menschen ist hier überaus schwierig. Er muß innerlich fest entschlossen sein und, während er mit dem Gemeinen verkehrt, sich doch von aller Beteiligung an seiner Gemeinheit fernhalten. Dabei wird er natürlich verkannt.

Man denkt, er gehöre mit zu der Partei des Gemeinen. Er ist ganz einsam, weil ihn niemand versteht.

Seine Beziehungen zu dem Gemeinen beschmutzen ihn in den Augen der Menge, und man wendet sich murrend gegen ihn. Aber er trägt die Verkennung und macht keinen Fehler, da er sich selber treu bleibt.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
An den Oberschenkeln ist keine Haut,
und das Gehen fällt schwer.
Ließe man sich führen wie ein Schaf,
so würde die Reue schwinden.
Wenn man aber diese Worte hört,
so wird man sie nicht glauben.

Man leidet an innerer Unruhe, so daß man nicht auf seinem Platz beharren kann. Man möchte unter allen Umständen voran und findet dabei unübersteigliche Hindernisse. So ist man mit seiner Lage in innerem Konflikt.

Das kommt von dem Eigensinn, mit dem man seinen Willen durchsetzen möchte. Würde man von diesem Eigensinn lassen, so ginge alles gut. Aber dieser Rat wird wie so viele gute Ratschläge überhört werden. Denn der Eigensinn macht, daß man zwar Ohren hat, aber nicht hört.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Dem Unkraut gegenüber
braucht es feste Entschlossenheit.
In der Mitte wandeln bleibt frei von Makel.

Unkraut wächst immer wieder nach und läßt sich schwer ausrotten. So bedarf der Kampf gegen einen hochstehenden Gemeinen feste Entschlossenheit. Man steht mit ihm in Beziehung, und es ist infolge davon zu fürchten, daß man den Kampf als hoffnungslos aufgibt, aber das darf nicht sein.

Man muß entschlossen weitermachen und darf sich nicht vom Weg abbringen lassen. Nur so bleibt man frei von Makel.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Kein Ruf! Schließlich kommt Unheil.

Der Sieg scheint errungen zu sein. Es ist nur noch ein Rest übrig von dem Bösen, dessen entschlossene Ausrottung an der Zeit ist. Es sieht alles ganz leicht aus. Aber gerade darin besteht die Gefahr.

Wenn man nicht auf der Hut ist, gelingt es dem Bösen, durch Verdeckung zu entkommenen wenn es erst entgangen ist, so entsteht neues Unheil aus den übriggebliebenen Keimen; denn das Böse stirbt nicht leicht.

Auch beim Bösen des eigenen Charakters muß man gründliche Arbeit tun. Wenn man nachlässigerweise etwas übriglassen wollte, so würde daraus neues Übel entstehen.

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I Ching | Hexagram 4444. Gou
Das Entgegenkommen

oben Kiën, das Schöpferische, der Himmel
unten Sun, das Sanfte, der Wind

Das Zeichen deutet auf eine Lage, da das dunkle Prinzip heimlich und unerwartet von innen und unten her sich wieder eindrängt, nachdem es beseitigt war. Das Weibliche kommt von sich aus den Männern entgegen.

Das ist eine gefährliche und nicht günstige Lage, wegen der möglichen Konsequenzen, die es rechtzeitig zu erkennen und dadurch zu verhindern gilt.

Das Zeichen ist dem fünften Monat (Juni-Juli) zugeordnet da mit der Sommersonnenwende das dunkle Prinzip allmählich wieder aufzusteigen beginnt.

DAS URTEIL

Das Entgegenkommen.
Das Mädchen ist mächtig.
Man soll ein solches Mädchen
nicht heiraten.

Das Emporkommen des Gemeinen ist unter dem Bild eines frechen Mädchens gezeichnet, das sich leichthin preisgibt und dadurch die Herrschaft an sich reißt. Das wäre nicht möglich, wenn das Starke und Lichte dem nicht auch seinerseits entgegenkäme.

Das Gemeine sieht so harmlos und schmeichelnd aus, daß man seine Freude daran hat. Es sieht so klein und schwach aus, daß man meint, unbesorgt mit ihm scherzen zu können.

So kommt der Gemeine nur dadurch hoch, daß der Edle ihn für ungefährlich hält und ihm Macht verleiht. Würde man ihm vom ersten Anfang an entgegentreten, so würde er nie zu Einfluß gelangen können.

Aber die Zeit des Entgegenkommens hat doch auch noch eine andere Seite, die der Beachtung wert ist. Wenn das Entgegenkommen des Schwachen dem Starken gegenüber nicht die Regel sein darf, so hat es doch zu Zeiten seine große Bedeutung. Wenn Himmel und Erde einander entgegenkommen, so kommen alle Geschöpfe zum Gedeihen.

Wenn Fürst und Gehilfe einander entgegenkommen, so kommt die Welt in Ordnung. Ein gegenseitiges Entgegenkommen der füreinander bestimmten und aufeinander angewiesenen Prinzipien ist nötig. Nur muß es frei sein von unreinen Nebengedanken, sonst ist es vom Übel.

DAS BILD

Unter dem Himmel ist der Wind:
das Bild des Entgegenkommens.
So macht es der Fürst
beim Verbreiten seiner Befehle
und ihrer Verkündigung
an die vier Himmelsgegenden.

Die Lage ist ähnlich wie bei dem Zeichen Anblick (Nr. 20). Dort weht der Wind über die Erde, hier weht er unter dem Himmel. Beide Male kommt er überall hin. Aber wenn dort der Wind auf der Erde unten war, so ergab das das Bild der Kenntnisnahme der Verhältnisse durch den Herrscher.

Hier weht der Wind von oben; das deutet auf den Einfluß, den der Herrscher durch seine Befehle ausübt. Der Himmel ist den Dingen auf Erden fern, aber er bringt sie in Bewegung durch den Wind. Der Herrscher ist dem Volke fern, aber er bringt es in Bewegung durch seine Befehle und Willensäußerungen.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Man muß es hemmen mit ehernem Radschuh.
Beharrlichkeit ist von Heil.
Wenn man es hingehen läßt,
so erfährt man Unheil.
Auch ein mageres Schwein hat
die Anlage dazu, umherzutoben.

Wenn ein minderwertiges Element sich eingeschlichen hat, so muß man es sofort energisch hemmen. Dadurch, daß es konsequent gehemmt wird, kann man üble Wirkungen vermeiden.

Wenn man ihm seinen Lauf läßt, so entsteht sicher Unheil daraus. Man darf durch die Geringfügigkeit dessen, was sich einschleicht, sich nicht dazu verführen lassen, es zu leicht zu nehmen.

Solange ein Schwein noch jung und mager ist, kann es noch nicht viel umhertollen, aber wenn es sich erst satt und stark gefressen hat, kommt seine wahre Natur zur Geltung, wenn man es nicht vorher schon beschränkt hat.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Im Behälter ist ein Fisch. Kein Makel!
Nicht fördernd für Gäste.

Das niedere Element wird nicht vergewaltigt, aber unter sanfter Kontrolle gehalten. Dann ist nichts Schlimmes zu befürchten. Nur muß man dafür sorgen, daß es nicht mit Fernerstehenden zusammenkommt, weil es losgelassen seine schlechten Seiten ungehemmt entfalten würde.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
An den Oberschenkeln ist keine Haut,
und das Gehen fällt schwer.
Wenn man der Gefahr eingedenk ist,
macht man keinen großen Fehler.

Man ist innerlich in Versuchung, sich mit dem schlechten Element, das sich einem anbietet, einzulassen. Das ist eine sehr gefährliche Lage. Glücklicherweise ist man daran durch die Umstände behindert.

Man möchte gern, aber kann nicht. Das gibt eine schmerzliche Unentschiedenheit des Handelns. Aber wenn man sich über die Gefährlichkeit der Lage klar wird, so wird man wenigstens größere Fehler vermeiden.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Im Behälter ist kein Fisch.
Daraus erhebt sich Unheil.

Die kleinen Leute muß man dulden, damit sie einem wohlgesinnt bleiben. Dann kann man sie auch benutzen, wenn man sie einmal braucht.

Wenn man sich ihnen entfremdet und ihnen nicht entgegenkommt, so wenden sie sich von einem ab, und man hat sie nicht zur Verfügung, wenn man sie einmal braucht. Das hat man sich dann aber selbst zuzuschreiben.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Mit Weidenblättern bedeckte Melone:
verborgene Linien.
Da fällt es einem vom
Himmel herunter zu.

Die Melone ist wie der Fisch ein Symbol des dunklen Prinzips. Sie ist süß, aber fault leicht, weshalb sie mit Weidenblättern schützend zugedeckt wird. Die Lage ist so, daß ein starker, hoher, in sich gefestigter Mensch die Niedrigen, die unter seiner Hand sind duldend schützt. Er hat die festen Linien der Ordnung und Schönheit in sich selbst. Aber er macht sie nicht geltend.

Er fällt jenen nicht durch äußeres Scheinen oder lästige Mahnungen beschwerlich, sondern läßt sie ganz frei, im festen Vertrauen auf die innerlich umbildende Macht, die einer starken und reinen Persönlichkeit innewohnt.

Und siehe da! Das Schicksal ist günstig. Die Niedrigen werden beeinflußt und fallen ihm als reife Früchte zu.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Er kommt mit seinen
Hörnern entgegen.
Beschämung. Kein Makel.

Wenn man sich aus der Welt zurückgezogen hat, so wird einem das Getriebe der Welt oft unerträglich. Oft gibt es Menschen, die sich in edlem Stolz von allem Gemeinen fernhalten und es schroff zurückstoßen, wo es ihnen entgegenkommt.

Solche Menschen werden als stolz und unzugänglich gescholten, aber da sie nicht mehr durch Pflichten des Handelns an die Welt gebunden sind, so ist das weiter nicht schlimm. Sie wissen die Abneigung der Masse in Fassung zu tragen.

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I Ching | Hexagram 4545. Tsui
Die Sammlung

oben Dui, das Heitere, der See
unten Kun, das Empfangende, die Erde

Das Zeichen ist dem Zeichen Bi, Zusammenhalten (Nr. 8), nach Form und Bedeutung verwandt. Dort das Wasser über der Erde, hier ein See über der Erde. Der See ist der Sammlungspunkt des Wassers, daher ist die Idee der Sammlung hier noch stärker ausgedrückt als in jenem Zeichen.

Derselbe Grundgedanke ergibt sich auch daraus, daß es hier zwei starke Striche sind auf viertem und fünftem Platz, welche die Sammlung bewirken, während dort nur ein Strich an fünfter Stelle inmitten der Schwachen steht.

DAS URTEIL

Die Sammlung. Gelingen.
Der König naht sich seinem Tempel.
Fördernd ist es, den großen Mann zu sehen.
Das bringt Gelingen.
Fördernd ist Beharrlichkeit.
Große Opfer zu bringen schafft Heil.
Fördernd ist es, etwas zu unternehmen.

Die Sammlung der Menschen in größeren Gemeinschaften ist entweder eine natürliche, wie innerhalb der Familie, oder eine künstliche, wie im Staat. Die Familie sammelt sich um den Vater als ihr Oberhaupt.

Die Fortsetzung dieser Sammlung vollzieht sich durch die Ahnenopfer, bei denen sich der ganze Klan versammelt. Die Ahnen werden durch die gesammelte Andacht der Hinterbliebenen in ihrem Geiste konzentriert, so daß sie sich nicht zerstreuen und auflösen.

Wo die Menschen gesammelt werden sollen, bedarf es der religiösen Kräfte. Aber es muß auch ein menschliches Haupt als Mittelpunkt der Sammlung da sein. Um andere sammeln zu können, muß dieser Mittelpunkt der Sammlung erst in sich selbst gesammelt sein.

Nur durch gesammelte moralische Kraft läßt sich die Welt einigen. Solche großen Einigungszeiten werden dann auch große Werke hinterlassen. Das ist der Sinn der großen Opfer, die gebracht werden. Und auch auf weltlichem Gebiet bedarf es in Zeiten der Sammlung großer Werke.

DAS BILD

Der See ist oberhalb der Erde:
das Bild der Sammlung.
So erneuert der Edle seine Waffen,
um Unvorhergesehenem zu begegnen.

Wenn das Wasser im See sich sammelt, so daß es über die Erde emporsteigt, so droht ein Durchbruch. Dagegen muß man Vorkehrungen treffen. So entsteht auch leicht Streit, wo Menschen sich in großer Anzahl sammeln, wo Güter sich sammeln, entsteht leicht Raub.

Darum muß man sich in Zeiten der Sammlung rechtzeitig rüsten, um Unerwartetes abzuwehren. Das Leid auf Erden kommt meist durch unerwartete Ereignisse, auf die man nicht gerüstet ist. Ist man gefaßt, so läßt es sich verhüten.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Wenn du wahrhaftig bist,
doch nicht bis zum Ende,
so gibt es bald Verwirrung, bald Sammlung.
Wenn du rufst, so kannst du
nach einem Griff wieder lachen.
Bedauere nicht. Hingehen ist ohne Makel.

Die Lage ist hier, daß man sich sammeln will um einen Führer, zu dem man aufblickt. Doch befindet man sich in zahlreicher Gesellschaft, durch die man sich beeinflussen läßt, so daß man in seinem Entschluß wankend wird. So hat man keinen festen Mittelpunkt für eine Sammlung.

Wenn man aber dieser Not Ausdruck verleiht und um Hilfe ruft, so genügt ein Griff des Führers, um alle Not zu wenden. Darum darf man sich nicht irremachen lassen. Sich an jenen Führer anzuschließen, ist ohne weiteres das rechte.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Sich ziehen lassen bringt
Heil und bleibt ohne Makel.
Wenn man wahrhaftig ist,
so ist es auch fördernd,
ein kleines Opfer zu bringen.

Man soll in Zeiten der Sammlung seinen Weg nicht willkürlich wählen. Es sind geheime Kräfte am Werk, die die Menschen zusammenführen, die zueinander passen. Dieser Anziehung muß man sich überlassen, dann macht man keinen Fehler.

Wo innere Beziehungen vorhanden sind, da sind keine großen Vorbereitungen und Förmlichkeiten nötig. Man versteht sich ohne weiteres, wie die Gottheit auch ein kleines Opfer gnädig annimmt, wenn es von Herzen kommt.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Sammlung unter Seufzen.
Nichts, das fördernd wäre.
Hingehen ist ohne Makel.
Kleine Beschämung.

Man hat oft das Bedürfnis des Anschlusses, aber alle andern in der Umgebung haben sich schon untereinander zusammengeschlossen, so daß man isoliert bleibt. Die ganze Lage ist so, daß sie sich als unhaltbar erweist.

Da gilt es, sich dem Fortschritt zuzuwenden, entschlossen sich an einen Mann anzuschließen, der dem Mittelpunkt der Sammlung nähersteht und einen in den geschlossenen Kreis einzuführen vermag. Das ist kein Fehler, auch wenn man als Außenseiter zunächst eine etwas beschämende Stellung hat.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Großes Heil! Kein Makel.

Es ist hier ein Mann gezeichnet, der im Namen seines Herrn die Menschen um sich sammelt. Da er keine Sondervorteile für sich erstrebt, sondern uneigennützig an der allgemeinen Einheit arbeitet, so ist seine Arbeit von Erfolg gekrönt, und alles wird recht.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Wenn man beim Sammeln
die nötige Stellung hat,
so gibt es keinen Makel.
Wenn manche noch nicht
wahrhaft dabei sind,
so bedarf es erhabener,
dauernder Beharrlichkeit,
dann schwindet die Reue.

Wenn sich die Menschen von selbst um einen sammeln, so ist das, wenn es einem ungesucht zuteil wird, nur gut. Man bekommt dadurch einen gewissen Einfluß, der durchaus nützlich sein kann. Aber damit ist natürlich auch die Möglichkeit gegeben, daß sich manche um einen sammeln, die nicht aus innerem Vertrauen kommen, sondern nur um der einflußreichen Stellung willen.

Das ist gewiß bedauerlich. Solchen Leuten gegenüber gibt es kein anderes Mittel, als ihr Vertrauen zu erwerben durch vermehrte, unentwegte Pflichttreue und Beständigkeit. Dadurch wird das geheime Mißtrauen allmählich überwunden, und der Anlaß zum Bedauern fällt weg.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Klagen und Seufzen,
Tränen in Strömen! Kein Makel.

Es kann vorkommen, daß man sich wohl anschließen möchte, aber in seinen guten Absichten verkannt wird. Da ist man traurig und klagt. Aber das ist der rechte Weg. Denn dadurch kann es kommen, daß der andere zur Besinnung kommt und man den gesuchten und schmerzlich vermißten Anschluß doch noch findet.

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I Ching | Hexagram 4646. Schong
Das Empordringen

oben Kun, das Empfangende, die Erde
unten Sun, das Sanfte, der Wind

Das untere Zeichen, Sun, hat als Bild das Holz, das obere, Kun, bedeutet die Erde. Damit ist der Gedanke verbunden, daß das Holz in der Erde emporwächst. Dieses Empordringen ist im Gegensatz zu dem Fortschritt (Nr. 35) mit Anstrengung verbunden, wie die Pflanze Kraft braucht, um durch die Erde emporzudringen.

Darum steht das Zeichen, obwohl es mit Erfolg verbunden ist, in Beziehung zur Anstrengung des Willens. Der Fortschritt zeigt mehr Expansion, das Empordringen mehr geradliniges Aufsteigen zu Macht und Einfluß aus Unbekanntheit und Niedrigkeit.

DAS URTEIL

Das Empordringen hat erhabenes Gelingen.
Man muß den großen Mann sehen.
Fürchte dich nicht!
Aufbruch nach Süden bringt Heil.

Das Empordringen der tüchtigen Elemente stößt auf kein Hindernis, darum ist es von großem Erfolg begleitet. Die Art, die das Empordringen ermöglicht, ist nicht gewalttätig, sondern bescheiden und fügsam. Aber da man von der Zeiten Gunst getragen wird, kommt man voran.

Man muß hingehen und die maßgebenden Leute aufsuchen. Man braucht sich davor nicht zu fürchten; denn der Erfolg wird nicht ausbleiben. Nur muß man sich an die Arbeit machen; denn Tätigkeit (dies die Bedeutung des Südens) ist von Heil.

DAS BILD

Inmitten der Erde wächst das Holz:
das Bild des Empordringens.
So häuft der Edle hingebenden Wesens Kleines,
um es zu Hohem und Großem zu bringen.

Das Holz in der Erde wächst ohne Hast und ohne Rast der Höhe zu, indem es sich fügsam um die Hindernisse herumbiegt. So ist der Edle hingebend in seinem Charakter und ruht nie in seinem Fortschritt.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Empordringen, das Zutrauen findet,
bringt großes Heil.

Hier ist die Anfangslage des Aufstiegs. Wie das Holz für sein Empordringen die Kraft aus der Wurzel entnimmt, die an sich ganz unten ist, so entstammt die Kraft zum Emporkommen dieser Stellung.

Sie ist niedrig und unbekannt. Aber es besteht eine innere Verwandtschaft des Wesens zu den oberen Herrschenden und diese Gemeinsamkeit verschafft einem das Zutrauen, das man braucht, um etwas leisten zu können.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Wenn man wahrhaftig ist,
so ist es fördernd,
ein kleines Opfer zu bringen.
Kein Makel.

Es ist hier ein starker Mann vorausgesetzt. Er paßt zwar insofern nicht in seine Umgebung, als er zu rau ist und zu wenig auf Formen gibt. Aber er ist innerlich aufrichtig, darum findet er Entgegenkommen, und seine Dürftigkeit in den äußeren Formen bringt keinen Schaden.

Die Aufrichtigkeit ist hier der Ausfluß solider Eigenschaften, während sie bei dem entsprechenden Strich des vorigen Zeichens die Wirkung innerer Demut ist.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Man dringt empor in eine leere Stadt.

Hier fallen alle Hemmungen weg, die dem Vordringen sonst gesteckt sind. Es geht mit merkwürdiger Leichtigkeit voran. Unbedenklich folgt man dieser Straße, um den Erfolg auszunützen. Es sieht, äußerlich betrachtet, so aus, wie wenn alles in bester Ordnung wäre. Dennoch ist kein glückverheißender Ausdruck beigefügt.

Es fragt sich, wie lange ein solcher hemmungsloser Erfolg dauert. Doch gilt es, solchen Bedenken nicht nachzuhängen, weil dadurch die Kraft nur gehemmt würde, sondern rasch die Gunst der Zeit sich zunutze zu machen.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Der König bringt ihn dem Berg Ki dar. Heil.
Kein Makel.

Der Berg Ki ist im Westen Chinas, dem Stammlande des Königs Wen, von dessen Sohne, dem Herzog von Dschou, die Worte zu den Einzellinien beigefügt sind. Es ist eine Erinnerung an die Zeiten der Erhebung der Dynastie Dschou.

Damals wurden die großen Gehilfen vom König Wen dem Gott des heimatlichen Berges vorgestellt, und sie bekamen ihren Platz zur Seite des Herrschers in den Ahnenhallen.

Es ist hier ein Stadium gezeichnet, in dem das Empordringen zum Ziele gelangt. Man wird berühmt vor Menschen und Göttern und aufgenommen in den Kreis der Männer, die das Leben der Nation im Geiste aufbauen, und bekommt dadurch dauernde, überzeitliche Bedeutung.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Beharrlichkeit bringt Heil.
Man dringt empor auf Stufen.

Wenn man immer weiter vorankommt, so ist es wichtig, daß man sich am Erfolg nicht berauscht. Man muß gerade bei großem Erfolg dauernd nüchtern bleiben, keine Stufen überspringen wollen, sondern langsam, wie zögernd, Schritt für Schritt weitergehen. Nur dieser ruhige, stetige Fortschritt, der nichts überstürzt, führt zum Ziel.
I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Empordringen im Dunkeln.
Fördernd ist es, unablässig beharrlich zu sein.

Wer blindlings empordringt, der ist innerlich betört. Er kennt nur den Fortschritt, nicht den Rückzug. Dabei erschöpft man sich aber. Wichtig ist es, in solchem Falle unablässig darauf bedacht zu sein, daß man gewissenhaft und konsequent sein und bleiben muß. Nur dadurch wird man von blindem Drange frei, der stets vom Übel ist.

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I Ching | Hexagram 47

47. Kun
Die Bedrängnis, (die Erschöpfung)

oben Dui, das Heitere, der See
unten Kan, das Abgründige, das Wasser

Oben ist der See, das Wasser darunter. Der See ist leer und erschöpft. Noch auf eine andere Weise kommt der Gedanke der Erschöpfung heraus: oben eine dunkle Linie, die zwei lichte unten hält; unten ist eine lichte Linie zwischen zwei dunkle eingeklemmt.

Das obere Zeichen gehört dem dunklen Prinzip an während das untere dem lichten Prinzip angehört. So sind überall die Edlen von den Gemeinen unterdrückt und in Schranken gehalten.

DAS URTEIL

Die Bedrängnis. Gelingen. Beharrlichkeit.
Der große Mann wirkt Heil.
Kein Makel.
Wenn man etwas zu sagen hat,
wird es nicht geglaubt.

Notzeiten sind das Gegenteil von Erfolg. Aber sie können zu Erfolg führen, wenn sie den rechten Menschen treffen. Wenn ein starker Mensch in Not kommt, so bleibt er trotz aller Gefahr heiter, und diese Heiterkeit ist die Grundlage späterer Erfolge.

Sie ist die Beständigkeit, die stärker ist als das Schicksal. Wer sich durch Erschöpfung innerlich brechen läßt, der hat freilich keinen Erfolg.

Aber wen die Not nur beugt, in dem erzeugt sie eine Kraft der Gegenwirkung, die sicher mit der Zeit ans Licht kommt. Doch dazu ist kein Gemeiner fähig. Nur der große Mann wirkt Heil und bleibt ohne Makel.

Freilich nach außen hin ist ihm zunächst der Einfluß versagt, da seine Worte keine Wirkung haben. Darum gilt es in Zeiten der Not innerlich stark zu sein und wenig Worte zu machen.

DAS BILD

Im See ist kein Wasser:
das Bild der Erschöpfung.
So setzt der Edle sein Leben daran,
um seinem Willen zu folgen.

Wenn das Wasser aus dem See nach unten geflossen ist, muß der See vertrocknen und sich erschöpfen. Das ist Schicksal. Das ist das Bild widriger Schicksale im Menschenleben. In solchen Zeiten läßt sich nichts tun, als daß man sein Schicksal auf sich nimmt und sich selbst treu bleibt.

Es handelt sich dabei aber um die tiefste Schicht des eigentlichen Wesens; denn nur die ist jedem äußeren Schicksal überlegen.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Man sitzt bedrängt unter einem kahlen Baum
und gerät in ein finsteres Tal.
Drei Jahre lang sieht man nichts.

Wenn man in Not kommt, ist es vor allem wichtig, stark zu sein und die Not innerlich zu überwinden. Wenn man aber schwach ist, dann übermannt einen die Not. Statt weiterzuschreiten, bleibt man sitzen unter einem kahlen Baum und gerät immer mehr in Finsternis und Schwermut hinein.

Dadurch wird die Lage nur immer aussichtsloser. Diese Haltung ist die Folge einer inneren Verblendung, die man durchaus überwinden muß.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Man ist bedrängt bei Wein und Speisen.
Der Mann mit den scharlachroten
Kniebinden kommt eben.
Fördernd ist es, Opfer darzubringen.
Aufbrechen ist von Unheil.
Kein Makel.

Hier ist es eine innere Bedrängnis, in der man sich befindet. Äußerlich geht alles gut, man hat zu essen und zu trinken. Aber man ist erschöpft durch die Gewöhnlichkeiten des Lebens, aus denen sich kein Ausweg zeigt.

Doch von oben her kommt Hilfe. Ein Fürst – die Fürsten trugen im alten China scharlachrote Kniebinden – ist auf der Suche nach tüchtigen Gehilfen.

Aber es sind noch Hindernisse zu überwinden. Darum ist es wichtig, diesen Hindernissen im Unsichtbaren zu begegnen durch Opfer und Gebet.

Unvorbereitet aufzubrechen wurde ins Unheil führen, obwohl es sittlich nicht unrecht ist. Man muß hier durch innere Geduld eine widrige Situation überwinden.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Man läßt sich bedrängen durch Stein
und stützt sich auf Dornen und Disteln.
Man geht in sein Haus und sieht nicht seine Frau.
Unheil!

Es zeigt sich hier ein Mann, der unruhig und unentschieden ist in Zeiten der Not. Erst will er voran, da stößt er auf Hindernisse, die allerdings nur dann eine Bedrängnis bedeuten, wenn man dagegen in unüberlegter Weise angeht. Man will mit dem Kopf durch die Wand und fühlt sich infolge davon durch die Wand bedrängt.

Dann stützt man sich auf Dinge, die keinen Halt in sich selbst haben und für den nur bedenklich sind der sich auf sie stützt. Nun kehrt man unentschlossen um und zieht sich in sein Haus zurück, aber nur, um zu neuer Enttäuschung zu entdecken daß seine Frau nicht da ist.

Kungtse sagt darüber:

Wenn jemand sich von etwas, das ihn nicht bedrängen sollte, bedrängen läßt, so wird sein Name sicher in Schande geraten. Wenn er sich auf Dinge stützt, auf die man sich nicht stützen kann, so wird sein Leben sicher in Gefahr geraten. Wer in Schande und Gefahr ist, dem naht die Todesstunde; wie kann er da noch seine Frau sehen.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Er kommt ganz sachte,
bedrängt in einem goldenen Wagen.
Beschämung, aber man kommt zu Ende.

Ein wohlhabender Mann sieht die Not der Unteren und möchte auch ganz gerne helfen. Doch greift er nicht rasch und energisch zu, wo es nötig ist, sondern fängt die Sache zögernd und gemessen an. Da stößt er auf Hindernisse. Mächtige und reiche Leute der Bekanntschaft ziehen ihn in ihre Kreise.

Er muß mittun und kann sich ihnen nicht entziehen. Daher befindet er sich in einer großen Verlegenheit. Aber die Not ist vorübergehend. Die ursprüngliche Stärke der Natur gleicht den begangenen Fehler wieder aus, und das Ziel wird erreicht.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Es werden ihm Nase und Füße abgeschnitten.
Man ist bedrängt von dem in purpurnen Kniebinden.
Sachte kommt die Freude.
Fördernd ist es,
Opfer und Spenden zu bringen.

Es ist jemand, dem das Wohl der Menschen am Herzen liegt, von oben und unten her bedrängt (das ist der Sinn der abgeschnittenen Nase und Füße). Man findet keine Hilfe bei den Menschen, deren Pflicht es wäre, bei dem Rettungswerk mitzuhelfen (die Minister trugen purpurne Kniebinden).

Doch entwickeln sich die Dinge allmählich zum Bessern. Bis dahin gilt es in starker innerer Sammlung vor Gott zu treten und für das Wohl des Ganzen zu beten und zu opfern.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Er ist bedrängt von Ranken.
Er bewegt sich unsicher und spricht:
Bewegung schafft Reue.
Wenn man darüber Reue empfindet
und sich aufmacht, so hat man Heil.

Man ist bedrängt durch Bande, die sich leicht zerreißen lassen. Die Bedrängnis naht sich ihrem Ende. Aber man ist noch unschlüssig. Man ist noch beeinflußt von dem früheren Zustand und denkt, man werde es zu bereuen haben, wenn man sich bewegt.

Aber sobald man zur Einsicht kommt, diese geistige Haltung ablegt und einen starken Entschluß faßt, so gelingt es, der Bedrängnis Herr zu werden.

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I Ching | Hexagram 4848. Dsing
Der Brunnen

oben Kan, das Abgründige, das Wasser
unten Sun, das Sanfte, der Wind

Unten ist das Holz, oben das Wasser. Das Holz steigt in die Erde, um das Wasser heraufzuholen. Es ist das Bild des altchinesischen Wippbrunnens. Mit dem Holz sind nicht etwa die Eimer, die in alter Zeit von Ton waren, gemeint, sondern die Holzstange, durch deren Bewegungen das Wasser aus dem Brunnen gehoben wird.

Das Bild deutet auch auf die Pflanzenwelt, die in ihren Adern das Wasser aus der Erde emporhebt. Der Brunnen, aus dem man Wasser schöpft, enthält außerdem den Gedanken der unerschöpflichen Nahrungsspende.

DAS URTEIL

Der Brunnen. Man mag die Stadt wechseln,
aber kann nicht den Brunnen wechseln.
Er nimmt nicht ab und nimmt nicht zu.
Sie kommen und gehen und schöpfen aus dem Brunnen.
Wenn man beinahe das Brunnenwasser erreicht hat,
aber noch nicht mit dem Seil drunten ist
oder seinen Krug zerbricht, so bringt das Unheil.

Die Hauptstädte wurden im alten China zuweilen verlegt, teils aus Gründen der Gunst der Lage, teils bei dem Wechsel der Dynastien.

Der Baustil wechselte im Lauf der Jahrhunderte, aber die Form des Brunnens ist von uralter Zeit bis auf den heutigen Tag dieselbe geblieben.

So ist der Brunnen ein Bild der gesellschaftlichen Organisation der Menschheit in ihren primitivsten Lebensnotwendigkeiten, die von allen politischen Gestaltungen unabhängig ist.

Die politischen Gestaltungen, die Nationen wechseln, aber das Leben der Menschen mit seinen Erfordernissen bleibt ewig dasselbe. Das läßt sich nicht ändern. Dieses Leben ist auch unerschöpflich. Es wird nicht weniger noch mehr und ist für alle da. Geschlechter kommen und gehen, und sie alle genießen das Leben in seiner unerschöpflichen Fülle.

Für eine gute staatliche oder gesellschaftliche Organisation der Menschen ist aber ein Doppeltes nötig. Man muß bis auf die Grundlagen des Lebens hinuntergehen.

Alle Oberflächlichkeit in der Lebensordnung, die die tiefsten Lebensbedürfnisse unbefriedigt läßt, ist ebenso unvollkommen, als hätte man gar keinen Versuch zur Ordnung gemacht.

Ebenso ist eine Fahrlässigkeit, durch die der Krug zerbricht, vom Übel. Wenn z. B. der militärische Schutz eines Staates so übertrieben wird, daß er Kriege hervorruft, durch die die Macht des Staates vernichtet wird, so ist das ein Zerbrechen des Krugs.

Auch für den einzelnen Menschen kommt das Zeichen in Betracht. So verschieden die Anlagen und Bildungen der Menschen sind, die menschliche Natur in ihren Grundlagen ist bei jedem dieselbe.

Und jeder Mensch kann bei seiner Bildung aus dem unerschöpflichen Born der göttlichen Natur des Menschenwesens schöpfen.

Aber auch hier drohen zwei Gefahren: einmal, daß man in seiner Bildung nicht durchdringt bis zu den eigentlichen Wurzeln des Menschentums, sondern in Konvention steckenbleibt – eine solche Halbbildung ist ebenso schlimm wie Unbildung –, oder daß man plötzlich zusammenbricht und die Bildung seines Wesens vernachlässigt.

DAS BILD

Über dem Holz ist Wasser:
das Bild des Brunnens.
So ermuntert der Edle das Volk bei der Arbeit
und ermahnt es, einander zu helfen.

Unten ist das Zeichen Sun, Holz, darüber das Zeichen Kan, Wasser. Das Holz saugt das Wasser nach oben. Wie das Holz als Organismus die Tätigkeit des Brunnens nachahmt, die allen Teilen der Pflanze zugute kommt, so ordnet der Edle die menschliche Gesellschaft, daß sie wie ein Pflanzenorganismus zum Wohl des Ganzen ineinandergreift.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Der Schlamm des Brunnens wird nicht getrunken:
zu einem alten Brunnen kommen keine Tiere.

Wenn sich jemand in den sumpfigen Niederungen umhertreibt, so versinkt sein Leben im Schlamm. Ein solcher Mensch verliert seine Bedeutung für die Menschheit. Wer sich selbst wegwirft, zu dem kommen auch die andern nicht mehr. Niemand kümmert sich schließlich mehr um ihn.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Am Brunnenloch schießt man Fische.
Der Krug ist zerbrochen und rinnt.

Das Wasser ist an sich klar. Aber man gebraucht es nicht. So halten sich nur Fische im Brunnen auf, und wer kommt, kommt nur, um Fische zu fangen; aber der Krug ist zerbrochen, so daß man die Fische nicht darin aufbewahren kann.

Es wird eine Lage geschildert, da jemand an sich gute Gaben hätte; aber sie werden vernachlässigt. Niemand kümmert sich um ihn. Dadurch kommt er innerlich herunter. Er gibt sich mit gemeinen Menschen ab und kann nichts Tüchtiges mehr leisten.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Der Brunnen ist gereinigt,
aber man trinkt nicht daraus.
Das ist meines Herzens Leid;
denn man könnte daraus schöpfen.
Wäre der König klar,
so genösse man gemeinsam das Glück.

Hier ist ein tüchtiger Mann vorhanden. Er gleicht einem gereinigten Brunnen, dessen Wasser man trinken könnte. Aber er wird nicht gebraucht. Das ist das Leid der Menschen, die ihn kennen. Der Wunsch besteht, daß der Fürst es erfahre; dann wäre es für alle Beteiligten ein Glück.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Der Brunnen wird ausgemauert,
kein Makel.

Wenn der Brunnen ausgemauert wird, so kann man ihn zwar solange nicht benützen, aber die Arbeit ist nicht vergebens; sie bewirkt, daß das Wasser klar bleibt.

So gibt es im Leben auch Zeiten, in denen man sich selbst in Ordnung bringen muß. Während dieser Zeit kann man zwar nichts für andere leisten, aber sie ist dennoch wertvoll, weil man durch innere Ausbildung seine Kraft und Fähigkeiten steigert, so daß man nachher um so mehr leistet.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Im Brunnen ist ein klarer,
kühler Quell, den man trinken kann.

Das ist ein guter Brunnen, der auf seinem Grunde eine Quelle lebendigen Wassers hat. Ein Mann, der solche Tugenden hat, ist zum Retter und Führer der Menschen geboren. Er hat das Wasser des Lebens. Dennoch fehlt das Zeichen: Heil. Beim Brunnen kommt alles darauf an, daß das Wasser geschöpft wird.

Das beste Wasser ist für die Erfrischung der Menschen nur als Möglichkeit da, solange es nicht gehoben ist. So kommt es auch bei Führern der Menschheit darauf an, daß man aus ihrer Quelle trinkt, ihre Worte ins Leben überführt.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Man schöpft aus dem Brunnen ohne Hinderung.
Er ist zuverlässig. Erhabenes Heil!

Der Brunnen ist für alle da. Kein Verbot hemmt die Schöpfenden. Aber so viele auch kommen, sie finden, was sie brauchen; denn der Brunnen ist zuverlässig.

Er hat eine Quelle und versiegt nicht; darum ist er für das ganze Land ein großes Heil: so der wirklich große Mann, der unerschöpflich reich ist an innerem Gut. Je mehr Menschen aus ihm schöpfen, desto größer wird sein Reichtum.

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I Ching | Hexagram 4949. Go
Die Umwälzung, (die Mauserung)

oben Dui, das Heitere, der See
unten Li, das Haftende, das Feuer

Das Zeichen bedeutet ursprünglich ein Tierfell, das sich im Lauf des Jahres durch Mauserung ändert. Von da aus wird das Wort übertragen auf die Mauserungen im Staatsleben, die großen Umwälzungen, die mit einem Regierungswechsel verbunden sind.

Die beiden Figuren, aus denen das Zeichen sich zusammensetzt, sind wie bei Kui, oder Gegensatz (Nr. 38), die beiden jüngeren Töchter Li und Dui.

Aber während dort die ältere der beiden oben steht und sich daraus im wesentlichen nur ein Gegensatz der Tendenzen ergibt, ist hier die jüngere oben, und die Wirkungen gehen gegeneinander, die Kräfte bekämpfen sich wie Feuer und Wasser (See), von denen jedes das andere zu vernichten strebt. Daher der Gedanke der Umwälzung.

DAS URTEIL

Die Umwälzung.
Am eigenen Tag, da findest du Glauben.
Erhabenes Gelingen, fördernd durch Beharrlichkeit.
Die Reue schwindet.

Staatliche Umwälzungen sind etwas überaus Schweres. Man darf sie nur im äußersten Notfall, wenn kein anderer Ausweg übrig ist, vornehmen. Nicht jeder ist dazu berufen, sondern nur der, der das Vertrauen des Volkes hat, und auch der erst dann, wenn die Zeit erfüllt ist.

Man muß dabei in der rechten Weise vorgehen, daß man das Volk erfreut und durch Aufklärung Ausschreitungen verhindert. Man muß dabei ferner ganz frei von selbstsüchtigen Zielen sein und muß wirklich der Not des Volkes abhelfen. Nur dann hat man nichts zu bereuen.

Die Zeiten ändern sich und mit ihnen die Anforderungen. So ändern sich die Jahreszeiten im Lauf des Jahres. So gibt es auch im Weltenjahr Frühling und Herbst der Völker und Nationen, die gesellschaftliche Umgestaltungen erfordern.

DAS BILD

Im See ist Feuer: das Bild der Umwälzung.
So ordnet der Edle die Zeitrechnung
und macht die Zeiten klar.

Das Feuer unten und der See oben bekämpfen und vernichten einander. So findet im Lauf des Jahres auch ein Kampf der lichten und der dunklen Kraft statt, der sich in den Umwälzungen der Jahreszeiten auswirkt.

Der Mensch wird Herr über den Wechsel der Natur, wenn er seine Regelmäßigkeit erkennt und den Zeitverlauf entsprechend einteilt. Dadurch kommt Ordnung und Klarheit in den scheinbar chaotischen Wechsel der Zeiten, und man kann sich schon im voraus auf die Erfordernisse der verschiedenen Zeiten einstellen.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Man wird eingewickelt in das Fell einer gelben Kuh.

Änderungen darf man erst unternehmen, wenn es nicht mehr anders möglich ist. Darum ist zunächst äußerste Zurückhaltung nötig. Man muß innerlich ganz fest werden, sich mäßigen – Gelb ist die Farbe der Mitte, die Kuh ist das Symbol der Fügsamkeit und zunächst noch nichts unternehmen, denn jedes vorzeitige Losschlagen hat üble Folgen.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Am eigenen Tag, da mag man umwälzen.
Aufbruch bringt Heil. Kein Makel.

Wenn man alles versucht hat, um die Verhältnisse zu reformieren, ohne daß es einen Erfolg hatte, dann ergibt sich die Notwendigkeit einer Revolution. Allein eine solche tiefgreifende Umwälzung muß wohl vorbereitet sein.

Es muß ein Mann da sein, der die Fähigkeiten und das öffentliche Vertrauen besitzt. Einem solchen Mann mag man sich dann zuwenden. Das bringt Heil und ist kein Fehler. Es handelt sich zunächst erst um die innere Stellung zu dem Neuen, das kommen muß. Man muß ihm gleichsam entgegengehen. Nur dadurch wird es vorbereitet.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Aufbruch bringt Unheil.
Beharrlichkeit bringt Gefahr.
Wenn die Rede von der Umwälzung
dreimal ergangen ist,
dann mag man sich ihr zuwenden
und wird Glauben finden.

Wenn Wechsel nötig ist, dann gibt es zwei Fehler, die man vermeiden muß. Der eine ist zu rasches und rücksichtsloses Vorgehen, das mit Unheil verbunden ist. Der andere ist überkonservatives Zögern, das ebenfalls gefährlich ist. Man darf nicht auf jede Rede hören, die nach Änderung des Bestehenden ruft.

Aber man darf wiederholte und wohlbegründete Beschwerden auch nicht überhören. Wenn dreimal das Wort vom Wechsel an einen kommt und man es wohl überlegt hat, dann mag man ihm Glauben schenken und darauf eingehen. Dann wird man Glauben finden und etwas erreichen.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Die Reue schwindet. Man findet Glauben.
Die Staatsordnung zu wechseln bringt Heil.

Grundstürzende Änderungen erfordern die nötige Autorität. Sowohl die innere Charakterstärke muß da sein als auch die einflußreiche Stellung. Es muß einer höheren Wahrheit entsprechen, was man tut, und darf nicht willkürlichen oder kleinlichen Motiven entspringen, dann bringt es großes Heil.

Wenn keine solche innere Wahrheit einer Revolution zugrunde liegt, ist sie immer vom Übel und hat keinen Erfolg. Denn die Menschen unterstützen schließlich doch nur solche Unternehmungen, für deren innere Gerechtigkeit sie ein instinktives Gefühl haben.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Der große Mann ändert wie ein Tiger.
Noch ehe er das Orakel fragt, findet er Glauben.

Ein Tigerfell mit seinen deutlich sichtbaren schwarzen Streifen auf gelbem Grund ist weithin sichtbar deutlich gegliedert. So ist es bei Umwälzungen, die ein großer Mann zustande bringt: es werden große, klare Richtlinien sichtbar, die jedermann verstehen kann. So braucht er nicht erst das Orakel zu fragen, denn ganz von selbst fällt ihm das Volk zu.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Der Edle ändert wie ein Panther.
Der Geringe mausert sich im Gesicht.
Aufbruch bringt Unheil.
In Beharrlichkeit weilen bringt Heil.

Nachdem die großen grundsätzlichen Fragen entschieden sind, sind noch Umgestaltungen im einzelnen und genauere Durchfahrungen notwendig. Diese sind zu vergleichen mit den ebenfalls deutlichen, aber kleineren Flecken des Pantherfells.

Auch bei den Geringen findet infolge davon eine Änderung statt. Sie mausern sich ebenfalls der neuen Ordnung entsprechend.

Freilich ist diese Mauserung nicht tiefgehend, aber das läßt sich auch nicht erwarten. Man muß sich mit dem Möglichen zufrieden geben. Wollte man zu weit gehen und zu viel erreichen wollen, so würde das zur Beunruhigung und zum Unheil ausschlagen.

Denn was durch eine große Umwälzung erstrebt werden soll, sind klare, gefestigte Zustände, die eine allgemeine Beruhigung bei dem zur Zeit Möglichen gewähren.

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I Ching | Hexagram 50

50. Ding
Der Tiegel

oben Li, das Haftende, das Feuer
unten Sun, das Sanfte, der Wind

Das ganze Zeichen ist das Bild des Tiegels, unten die Beine, dann der Bauch, dann die Ohren, bzw. Henkel, und oben die Ringe zum Tragen. Das Bild des Tiegels legt gleichzeitig den Gedanken der Ernährung nahe.

Der Tiegel, aus Bronze gegossen, war das Gerät, das im Ahnentempel und bei Festmählern die gekochten Speisen enthielt. Aus ihm wurden sie vom Hausherrn in die Schüssel der Gäste geschöpft.

Auch der Brunnen hat den Nebengedanken der Nahrungsspende aber mehr für das Volk. Der Tiegel als Gerät der verfeinerten Kultur legt Pflege und Ernährung der tüchtigen Männer nahe deren Pflege der Staatsregierung zugute kam (vgl. die vier Zeichen der Ernährung, Nr. 5, 27, 48, 50).

Dieses Zeichen und das Zeichen Brunnen sind die beiden einzigen Zeichen im Buch der Wandlungen, die konkrete künstliche Gegenstände darstellen. Allein auch hier hat der Gedanke seine abstrakte Seite. Unten Sun ist Holz und Wind, oben Li ist die Flamme; es stellt also die durch Holz und Wind entfachte Flamme dar, die ebenfalls den Gedanken der Speisenbereitung nahelegt.

DAS URTEIL

Der Tiegel.
Erhabenes Heil.
Gelingen.

Während der Brunnen die soziale Grundlage der Gesellschaft behandelt, die wie das Wasser ist, das dem Holz zur Nahrung dient, so wird hier der kulturelle Überbau der Gesellschaft angedeutet.

Hier ist es das Holz, das der Flamme, dem Geistigen, zur Nahrung dient. Alles Sichtbare muß sich steigern und fortsetzen ins Unsichtbare hinein. Dadurch bekommt es die rechte Weihe und rechte Klarheit und wurzelt in den Weltzusammenhängen fest.

So ist hier die Kultur gezeigt, wie sie ihren Gipfel in der Religion hat. Der Tiegel dient zum Opfern für Gott. Das höchste Irdische muß dem Göttlichen geopfert werden. Aber das wahrhaft Göttliche zeigt sich nicht abgesondert vom Menschlichen.

Gottes höchste Offenbarung ist in Propheten und Heiligen. Ihre Verehrung ist die wahre Gottesverehrung. Der Wille Gottes, der durch sie geoffenbart wird, muß demütig entgegengenommen werden, dann entsteht eine innere Erleuchtung und das wahre Weltverständnis, das zu großem Heil und Erfolg führt.

DAS BILD

Über dem Holz ist Feuer:
das Bild des Tiegels.
So festigt der Edle durch Richtigmachung
der Stellung das Schicksal.

Das Holz ist das Schicksal des Feuers; solange es unten vorhanden ist, brennt das Feuer oben. So ist es mit dem menschlichen Leben. Auch im Menschen ist ein Schicksal, das seinem Leben die Kraft verleiht. Und wenn es gelingt, dem Leben und Schicksal den richtigen Platz anzuweisen, dann festigt man das Schicksal, indem so das Leben unmittelbar im Einklang mit dem Schicksal ist.

Es finden sich in diesen Worten Andeutungen über die Pflege des Lebens, wie sie durch die Geheimlehre der chinesischen Yogapraxis von Mund zu Mund überliefert werden.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Ein Tiegel mit umgekippten Beinen.
Fördernd zur Entfernung des Stockenden.
Man nimmt eine Nebenfrau um ihres Sohns willen.
Kein Makel.

Wenn man den Tiegel umkehrt, ehe man ihn in Gebrauch nimmt, so hat das nichts zu sagen; im Gegenteil, der Unrat kommt auf diese Weise heraus. Eine Nebenfrau ist an sich niedrig stehend, aber weil sie einen Sohn hat, kommt sie zu Ehren.

Diese beiden Gleichnisse drücken den Gedanken aus, daß in Zeiten hoher Kultur, wie sie durch das Zeichen angedeutet sind, jedermann, der guten Willens ist, irgendwie ankommen kann.

Wenn man noch so niedrig ist, wenn man nur bereit ist, sich zu reinigen, so wird man angenommen. Man kommt in eine Lage, da man sich fruchtbar an Leistungen erweisen kann und infolge davon Anerkennung findet.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Im Tiegel ist Nahrung.
Meine Genossen haben Neid,
aber sie können mir nichts anhaben.
Heil!

In Zeiten hoher Kultur kommt alles darauf an, daß man wirklich etwas leistet. Wenn man sich nur auf diese wirklichen Leistungen verläßt, so wird man zwar vielleicht Neid und Mißgunst erleben, aber das ist nicht gefährlich. Je mehr man sich auf seine positiven Leistungen beschränkt, desto weniger können einem die Neider anhaben.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Der Henkel des Tiegels ist verändert.
Man ist behindert in seinem Wandel.
Das Fett des Fasans wird nicht gegessen.
Wenn erst der Regen fällt,
dann erschöpft sich die Reue:
Endlich kommt Heil.

Der Henkel ist die Stelle, an der der Tiegel aufgehoben wird. Wenn der Henkel sich ändert, so kann der Tiegel nicht aufgehoben und benutzt werden, und die schönen Speisen, die darin sind, wie das Fett von Fasanen, dienen bedauerlicherweise niemand zur Nahrung.

Es ist damit jemand gezeichnet, der in einer Zeit hoher Kultur an einer Stelle sich befindet, wo er von niemand beachtet und anerkannt wird. Das ist für sein Wirken eine schwere Hemmung.

Seine ganzen guten Eigenschaften und Geistesgaben werden auf diese Weise nutzlos verbraucht. Allein man muß nur dafür sorgen, daß man innerlich wirklich geistigen Besitz hat. Dann wird sicher schließlich die Zeit kommen, da die Hemmnisse sich lösen und alles gut geht.

Die Lösung der Spannung ist hier wie sonst durch das Fallen des Regens symbolisiert.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Der Tiegel bricht die Beine.
Das Mahl des Fürsten wird verschüttet,
und die Gestalt wird befleckt.
Unheil!

Man hat eine schwere, verantwortungsvolle Aufgabe, deren Erfüllung man nicht gewachsen ist. Da man zudem sich dieser Aufgabe nicht mit voller Kraft widmet, sondern sich mit niedrigstehenden Menschen abgibt, so mißlingt die Durchführung. Damit bringt man sich auch selbst in Schimpf und Schande.

Kungtse sagt darüber: Schwacher Charakter bei geehrter Stellung, geringes Wissen und große Pläne, kleine Kraft und schwere Verantwortung werden selten dem Unheil entgehend.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Der Tiegel hat gelbe Henkel, goldne Tragringe.
Fördernd ist Beharrlichkeit.

Es ist ein Mann an herrschender Stelle, der in seinem Wesen zugänglich und bescheiden ist. Durch diese innere Haltung gelingt es ihm, starke und tüchtige Gehilfen zu finden, die ihn ergänzen und ihm bei seinem Werk helfen.

Es ist wichtig, daß man sich in dieser Stellungnahme, die einer dauernden inneren Selbstverleugnung bedarf, nicht irremachen läßt, sondern daran festhält.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Der Tiegel hat Nephritringe. Großes Heil!
Nichts, das nicht fördernd wäre.

Beim vorigen Strich sind die Tragringe golden genannt, um ihre Stärke zu bezeichnen. Hier heißen sie von Nephrit. Der Nephrit zeichnet sich dadurch aus, daß er Härte mit einem milden Glanz vereinigt. Vom Standpunkt des Mannes aus, der für den Rat zugänglich ist, wirkt dieser Rat als starke Förderung.

Hier ist der Rat bezeichnet vom Standpunkt des Weisen aus, der ihn erteilt. Er wird dabei milde und geläutert sein wie edler Nephrit. Auf diese Weise findet das Werk Wohlgefallen vor den Augen der Gottheit, die großes Heil spendet, und wird angenehm bei Menschen, weshalb alles gut geht.

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I Ching | Hexagram 5151. Dschen
Das Erregende, (das Erschüttern, der Donner)

oben Dschen, das Erregende, der Donner
unten Dschen, das Erregende, der Donner

Das Zeichen Dschen ist der älteste Sohn, der die Herrschaft energisch und machtvoll ergreift. Ein Yangstrich entsteht unter zwei Yinstrichen und dringt machtvoll empor. Diese Bewegung ist so heftig, daß sie Schrecken erregt. Als Bild dient der Donner, der aus der Erde hervorbricht und durch seine Erschütterung Furcht und Zittern verursacht.

DAS URTEIL

Das Erschüttern bringt Gelingen.
Das Erschüttern kommt: Hu, Hu!
Lachende Worte: Ha, Ha!
Das Erschüttern erschreckt hundert Meilen,
und er läßt nicht Opferlöffel und Kelch fallen.

Die Erschütterung, die durch das Hervortreten Gottes im Innern der Erde aufsteigt, macht, daß der Mensch sich fürchtet, aber diese Furcht vor Gott ist etwas Gutes, denn sie bewirkt, daß Fröhlichkeit und Freude folgen kann. Wenn man innerlich gelernt hat was Furcht und Zittern ist, so ist man gegen den Schrecken durch äußere Einflüsse gesichert.

Wenn auch der Donner tost, also, daß er hundert Meilen im Umkreis erschreckt, so bleibt man innerlich so gefaßt und ehrerbietig, daß man die Opferhandlung nicht unterbricht.

Ein solcher tiefer, innerer Ernst, der alle äußeren Schrecken machtlos abprallen läßt, ist die Geistesverfassung, wie sie die Führer der Menschen und die Herrscher haben müssen.

DAS BILD

Fortgesetzter Donner:
das Bild des Erschütterns.
So macht der Edle
unter Furcht und Zittern sein
Leben recht und erforscht sich selbst.

Der fortgesetzte Donner bringt durch seine Erschütterung Furcht und Zittern mit sich. So steht der Edle stets in Ehrfurcht vor dem Hervortreten Gottes und bringt sein Leben in Ordnung und erforscht sein Herz, ob nichts im geheimen dem Willen Gottes widerspricht. So ist die Ehrfurcht die Grundlage der wahrhaftigen Lebensbildung.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Das Erschüttern kommt: Hu, Hu!
Darauf folgen lachende Worte: Ha, Ha!
Heil!

Furcht und Zittern der Erschütterung kommt zuerst an einen, so daß man den andern gegenüber sich in Nachteil gestellt sieht. Aber das ist nur vorläufig. Wenn man durch das Gericht hindurch ist, so kommt die Erleichterung. Und so bringt gerade der Schrecken, in den man zunächst hinein muß, im ganzen betrachtet, Heil.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Das Erschüttern kommt mit Gefahr.
Hunderttausendfach verlierst du deine Schätze
und mußt auf die neun Hügel steigen.
Jage ihnen nicht nach.
Nach sieben Tagen bekommst du sie wieder.

Es ist eine Lage gezeichnet, da man durch eine Erschütterung in Gefahr gerät und große Verluste erleidet. Die Verhältnisse sind so, daß Widerstand der Richtung der Zeitbewegung entgegen ist und daher keinen Erfolg hat.

Darum soll man sich einfach zurückziehen in Höhengebiete, die unzugänglich sind für die drohenden Gefahren. Die Verluste an Besitz muß man mit in Kauf nehmen und soll sich nicht übermäßig darum kümmern.

Ohne daß man dem Besitz nachjagt, wird man ihn von selber wiederbekommen, wenn die Zeit vorüber ist, deren Erschütterungen den Besitz geraubt haben.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Das Erschüttern kommt und macht fassungslos.
Wenn man infolge des Erschütterns handelt,
so bleibt man frei von Unglück.

Es gibt dreierlei Erschütterungen: die Erschütterung des Himmels, das ist der Donner, ferner die Erschütterung des Schicksals und endlich die Erschütterung des Herzens.

Hier handelt es sich weniger um innere Erschütterung als um die Erschütterung des Schicksals. In solchen Erschütterungszeiten verliert man zu leicht die Besonnenheit, so daß man alle Möglichkeiten des Handelns verkennt und stumm dem Schicksal den Lauf läßt.

Wenn man sich durch die Erschütterung des Schicksals zu innerer Bewegung bringen läßt, so wird man die äußeren Schicksalsschläge ohne große Mühe überwinden.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Das Erschüttern gerät in Schlamm.

Die innere Bewegung hängt in ihrem Erfolg zum Teil auch von den Umständen ab. Wenn die Umstände so sind, daß weder Widerstand vorhanden ist, der sich energisch bekämpfen ließe, noch die Dinge nachgeben, so daß ein Sieg errungen werden kann, sondern alles zäh und träge ist wie Schlamm, so wird die Bewegung gelähmt.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Das Erschüttern geht hin und her: Gefahr.
Aber man verliert durchaus nichts,
nur gibt es Geschäfte.

Es ist hier nicht nur eine einmalige Erschütterung, sondern eine wiederholte, die zwar keine Zeit zum Aufatmen läßt. Aber dennoch bringt die Erschütterung keinen Verlust, da man darauf bedacht ist, sich im Zentrum der Bewegung zu halten und dadurch von dem Schicksal befreit zu sein, wehrlos hin und her geworfen zu werden.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Die Erschütterung bringt Verfall
und ängstliches Umherblicken.
Vorangehen bringt Unheil.
Wenn sie noch nicht den eignen Leib erreicht,
sondern erst den Nachbar erreicht hat,
so ist es kein Makel.
Die Genossen haben zu reden.

Die innere Erschütterung raubt einem die Besinnung und Klarheit des Blickes, wenn sie aufs höchste gestiegen ist. In einer solchen Erschütterung ist es natürlich nicht möglich, besonnen zu handeln. Da ist es das richtige, sich stillzuhalten, bis die Ruhe und Klarheit sich wiedergefunden hat.

Dazu ist man aber nur imstande, solange man selbst noch nicht von der Aufregung angesteckt ist, während man an der Umgebung schon die unheilvollen Wirkungen einer solchen Erregung beobachten kann.

Zieht man sich nun rechtzeitig von der Handlung zurück, so bleibt man frei von Fehlern und Schaden. Aber die Genossen in ihrer Erregung, die sich nicht mehr warnen lassen, werden sicher mit einem unzufrieden sein. Allein darauf darf man keine Rücksicht nehmen.

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I Ching | Hexagram 52
52. Gen
Das Stillehalten, der Berg

oben Gen, das Stillehalten, der Berg
unten Gen, das Stillehalten, der Berg

Das Bild des Zeichens ist der Berg, der jüngste Sohn von Himmel und Erde. Das Männliche ist oben, wohin es seiner Natur nach strebt, das Weibliche unten, wohin seine Bewegungsrichtung führt. So ist Ruhe vorhanden, da die Bewegung ihr normales Ende erreicht hat.

Auf den Menschen angewandt, ist das Problem gezeigt, die Ruhe des Herzens zu erlangen. Das Herz ist sehr schwer zur Ruhe zu bringen.

Während der Buddhismus die Ruhe erstrebt durch Abklingen jeglicher Bewegung im Nirwana, ist der Standpunkt des Buchs der Wandlungen, daß Ruhe nur ein polarer Zustand ist, der als seine Ergänzung dauernd die Bewegung hat. Vielleicht sind in den Worten des Textes Anweisungen zur Yogaübung enthalten.

DAS URTEIL

Stillehalten seines Rückens,
so daß er seinen Leib nicht mehr empfindet.
Er geht in seinen Hof und sieht nicht seine Menschen.
Kein Makel.

Die wahre Ruhe ist die, daß man stillehält, wenn die Zeit gekommen ist, stillezuhalten, und daß man vorangeht, wenn die Zeit gekommen ist, voranzugehen. Auf diese Weise ist Ruhe und Bewegung in Übereinstimmung mit den Erfordernissen der Zeit, und dadurch gibt es Licht des Lebens.

Das Zeichen ist Ende und Anfang aller Bewegung. Der Rücken wird genannt, weil im Rücken alle Nervenstränge sich befinden, die die Bewegung vermitteln.

Wenn man die Bewegung dieser Rückenmarksnerven zum Stillstand bringt, so verschwindet sozusagen das Ich in seiner Unruhe. Wenn nun der Mensch innerlich so ruhig geworden ist, dann mag er sich der Außenwelt zuwenden.

Er sieht in ihr nicht mehr den Kampf und das Gewühl der Einzelwesen und hat deshalb die wahre Ruhe, wie sie nötig ist, um die großen Gesetze des Weltgeschehens zu verstehen und dementsprechend zu handeln. Wer aus dieser Tiefenlage heraus handelt, der macht keinen Fehler.

DAS BILD

Zusammenstehende Berge:
das Bild des Stillehaltens.
So geht der Edle mit seinen Gedanken
nicht über seine Lage hinaus.

Das Herz denkt dauernd. Das läßt sich nicht ändern. Aber es sollen die Bewegungen des Herzens, d. h. die Gedanken, sich auf die gegenwärtige Lebenslage beschränken. Alles Darüberhinausdenken macht das Herz nur wund.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Stillehalten seiner Zehen.
Kein Makel.
Fördernd ist dauernde Beharrlichkeit.

Das Ruhigbleiben der Zehen bedeutet ein Stehenbleiben, noch ehe man angefangen hat, sich zu bewegen. Der Anfang ist die Zeit, da man wenig Fehler macht.

Man ist noch in Übereinstimmung mit der ursprünglichen Unschuld. Man sieht die Dinge intuitiv, wie sie sind, noch unbeeinflußt von der Verdunkelung durch Interessen und Begehrlichkeit.

Wer anfangs stillesteht, solange er die Wahrheit noch nicht verlassen hat, der findet das richtige. Nur ist dauernde Festigkeit nötig, damit man nicht in ein willenloses Sichtreibenlassen hineingerät.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Stillehalten seiner Waden.
Er kann den nicht retten, dem er folgt.
Sein Herz ist nicht froh.

Das Bein kann sich nicht selbständig bewegen, sondern ist in seiner Bewegung abhängig von der Bewegung des Leibes. Wenn der Leib in starker Bewegung ist und das Bein wird plötzlich angehalten, so führt die weitergehende Bewegung des Leibes dazu, daß der Mensch fällt.

So ist es auch mit einem Menschen, der sich im Gefolge einer stärkeren Persönlichkeit befindet. Er wird mitgerissen. Selbst wenn er auf der Bahn des Unrechts einhält, so kann er doch den andern in seiner starken Bewegung nicht mehr aufhalten. Wo der Herr Vorwärts drängt, kann ihn der Diener, auch wenn er es noch so gut meint, nicht retten.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Stillehalten seiner Hüften.
Steifmachen seines Kreuzbeins.
Gefährlich. Das Herz erstickt.

Es handelt sich hier um erzwungene Ruhe. Das Herz, das in der Unruhe ist, soll gewaltsam gebändigt werden. Aber das Feuer, das gewaltsam zurückgedrängt wird, wandelt sich zu beißendem Rauch, der erstickend sich ausbreitet.

Bei Meditations- und Konzentrationsübungen darf man daher nicht gewaltsam vorgehen. Sondern die Ruhe muß sich ganz natürlich aus einem Zustand innerer Sammlung heraus entwickeln.

Wenn gewaltsam durch künstliches Steifhalten die Ruhe erzwungen werden soll, so wird die Meditation zu großen Unzuträglichkeiten führen.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Stillehalten seines Rumpfes.
Kein Makel.

Ruhighalten des Rückens, wie es in den Worten zum Gesamtzeichen erwähnt ist, bedeutet, daß man das Ich vergißt. Das ist die höchste Stufe der Ruhe. Hier ist diese Stufe der Ruhe noch nicht erreicht. Man vermag es zwar schon, das Ich mit seinen Gedanken und Regungen stillezuhalten.

Aber man wird doch noch nicht ganz frei davon. Immerhin ist das Stillehalten des Herzens eine wichtige Funktion, die mit der Zeit zum völligen Ausschalten der egoistischen Triebe führt.

Wenn man auch noch nicht von allen Gefahren des Zweifels und der Unruhe frei bleibt so ist dennoch diese Gemütshaltung, da sie auf dem Weg zu jener andern, höheren liegt, kein Fehler.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Stillehalten seiner Kinnladen.
Die Worte haben Ordnung.
Die Reue schwindet.

In gefährlicher Lage, namentlich solange man der Lage nicht gewachsen ist, ist man sehr leicht mit Reden und vorlauten Scherzen bei der Hand. Aber durch unvorsichtiges Reden kommt man leicht in Situationen, da man nachher manches zu bereuen hat. Allein, wenn man sich im Reden zurückhält, so bekommen die Worte immer mehr eine feste Gestalt, und dann verschwindet jeder Anlaß zur Reue.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Großzügiges Stillehalten. Heil!

Hier ist die Vollendung der Bemühung zur Ruhe gegeben. Man ist ruhig nicht in kleinlich abgezirkelter Weise im einzelnen, sondern eine allgemeine Resignation im ganzen gibt Ruhe und Heil für alles Einzelne.

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I Ching | Hexagram 53

53. Dsiën
Die Entwicklung, (allmählicher Fortschritt)

oben Sun, das Sanfte, der Wind
unten Gen, das Stillehalten, der Berg

Das Zeichen besteht aus Sun (Holz, Eindringen) oben bzw. außen und Gen (Berg, Stille) unten bzw. innen. Ein Baum auf dem Berg entwickelt sich langsam und ordnungsgemäß, infolge davon steht er festgewurzelt.

Dadurch ergibt sich der Gedanke der Entwicklung, die Schritt für Schritt allmählich weitergeht. Auch die Eigenschaften der Figuren deuten darauf hin: Innen ist Ruhe, die vor Unbesonnenheiten schützt, und außen Eindringen, das die Entwicklung den Fortschritt ermöglicht.

DAS URTEIL

Die Entwicklung.
Das Mädchen wird verheiratet. Heil!
Fördernd ist Beharrlichkeit.

Zögernd ist die Entwicklung, die dazu führt, daß das Mädchen dem Mann in sein Heim folgt. Es müssen die verschiedenen Formalitäten erledigt werden, ehe die Heirat zustande kommt.

Diese allmähliche Entwicklung kann auch auf andere Verhältnisse übertragen werden, immer, wenn es sich um korrekte Beziehungen der Zusammenarbeit handelt, z. B. bei Anstellung eines Beamten.

Da muß eine korrekte Entwicklung abgewartet werden. Ein überstürztes Vorgehen wäre nicht gut. Ebenso ist es schließlich, wo man Einfluß auf andere ausüben will. Auch da handelt es sich um einen korrekten Weg der Entwicklung durch die Kultur der eigenen Persönlichkeit. Aller agitatorische Einfluß wirkt nicht auf die Dauer.

Auch im Innern muß die Entwicklung denselben Weg nehmen, wenn dauernde Resultate erreicht werden sollen.

Das Sanfte, sich Anpassende, aber doch auch Eindringende ist das Äußere, das aus innerer Ruhe hervorgehen muß.

Gerade das Allmähliche der Entwicklung macht es notwendig, daß Beständigkeit vorhanden ist. Denn nur die Beständigkeit bewirkt, daß der langsame Fortschritt sich doch nicht im Sande verläuft.

DAS BILD

Auf dem Berge ist ein Baum:
das Bild der Entwicklung.
So weilt der Edle in würdiger Tugend,
um die Sitten zu bessern.

Der Baum auf dem Berge ist weithin Sichtbar, und seine Entwicklung ist von Einfluß auf das Landschaftsbild der ganzen Gegend. Er schießt nicht empor wie die Sumpfgewächse, sondern sein Wachstum geht allmählich vor sich. Die Wirkung auf die Menschen kann auch nur allmählich sein. Keine plötzliche Beeinflussung oder Erweckung ist nachhaltig.

Ganz allmählich muß der Fortschritt sein. Und um diesen Fortschritt in der öffentlichen Meinung, den öffentlichen Sitten zu erreichen, ist es nötig, daß die Persönlichkeit Einfluß und Schwerkraft bekommt. Dies geschieht durch sorgfältige und dauernde Arbeit an der eigenen moralischen Entwicklung.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Die Wildgans zieht allmählich dem Ufer zu.
Der junge Sohn ist in Gefahr.
Es gibt Gerede. Kein Makel.

DIE LINIEN

haben alle den allmählichen Zug der Wildgans zum Bild. Die Wildgans ist das Symbol der ehelichen Treue. Es heißt von ihr, daß sie nach dem Tod des Gatten sich nicht mit anderen vereinigt.

Die erste Linie zeigt die erste Station auf dem Zug der Wasservögel vom Wasser zur Höhe. Das Ufer wird erreicht. Die Lage ist die eines einsamen jungen Menschen, der anfangen will, sich im Leben durchzusetzen.

Weil er niemand hat, der ihm entgegen kommt, sind seine ersten Schritte langsam und zögernd, und er ist von Gefahr umgeben. Natürlich wird er vielfach kritisiert. Aber gerade die Schwierigkeiten machen, daß er sich nicht übereilt und sein Fortschritt gelingt.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Die Wildgans zieht allmählich dem Felsen zu.
Essen und Trinken in Frieden und Eintracht. Heil!

Der Fels ist ein sicherer Platz am Ufer. Die Entwicklung ist einen Schritt weiter. Man ist über die anfängliche Unsicherheit hinaus und hat eine gesicherte Lebensstellung gefunden, durch die man einen auskömmlichen Lebensunterhalt hat.

Dieser erste Erfolg, der die Bahn der Möglichkeit des Wirkens eröffnet, gibt der Stimmung eine gewisse Fröhlichkeit, und beruhigt schreitet man der Zukunft zu.

Von der Wildgans heißt es, daß sie ihre Genossen herbeiruft, wenn sie Futter findet; das ist das Bild des Friedens und der Eintracht im Glück. Man will sein Glück nicht für sich allein haben, sondern ist bereit, es mit andern teilen.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Die Wildgans zieht allmählich der Hochebene zu.
Der Mann zieht aus und kehrt nicht wieder.
Die Frau trägt ein Kind,
aber bringt es nicht zur Welt.
Unheil!
Fördernd ist es, Räuber abzuwehren.

Die trockene Hochebene ist nicht für die Wildgans. Zieht sie dorthin, so hat sie ihren Weg verloren und ist zu weit gegangen. Das widerspricht dem Gesetz der Entwicklung.

So geht es auch im Menschenleben. Wenn man nicht die Dinge sich ruhig entwickeln läßt, sondern von sich aus sich voreilig in den Kampf stürzt, so bringt das Unheil.

Das eigene Leben schlägt man in die Schanze, und die Familie geht darüber zugrunde. Aber das ist keineswegs notwendig, sondern nur die Folge davon, daß man das Gesetz der natürlichen Entwicklung übertritt.

Wenn man nicht von sich aus den Kampf aufsucht, sondern sich darauf beschränkt, seinen Platz kraftvoll zu behaupten und unberechtigte Angriffe abzuwehren, so geht alles gut.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Die Wildgans zieht allmählich dem Baume zu.
Vielleicht bekommt sie einen flachen Ast.
Kein Makel.

Der Baum ist kein Platz, der für eine Wildgans geeignet ist. Aber wenn sie klug ist, findet sie einen flachen Ast, auf dem sie stehen kann. Im Leben kommt man im Lauf der Entwicklung auch oft in Situationen, die einem nicht entsprechen, in denen man sich schwer ohne Gefahr behaupten kann.

Da ist es wichtig, daß man klug und nachgiebig ist. Dann kann man mitten in der Gefahr einen sicheren Platz ausfindig machen, an dem sich leben läßt.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Die Wildgans zieht allmählich dem Gipfel zu.
Die Frau bekommt drei Jahre lang kein Kind.
Endlich kann sie nichts verhindern. Heil!

Der Gipfel ist ein hoher Platz. Auf hoher Stelle gerät man leicht in Vereinsamung. Man wird verkannt von dem, auf den man angewiesen ist: die Frau von ihrem Mann, der Beamte von seinem Herrn. Die Ursache davon sind falsche Menschen, die sich dazwischen gedrängt haben.

Die Folge ist, daß die Beziehungen steril bleiben und nichts geleistet wird. Aber die Entwicklung bringt es mit sich, daß solche Mißverständnisse sich lösen und die Vereinigung schließlich doch zustande kommt.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Die Wildgans zieht allmählich
den Wolkenhöhen zu.
Ihre Federn können zum
heiligen Tanz verwendet werden.
Heil!

Hier ist das Leben abgeschlossen. Das Werk liegt vollendet da. Hoch erhebt sich seine Bahn in den Himmel, wie der Flug der Wildgänse, wenn sie jeden irdischen Boden verlassen haben. Da fliegen sie hin und halten die Ordnung ihres Fluges ein, Figuren strenger Linien bildend.

Und wenn ihre Federn herunterfallen, so können sie zum Schmuck bei den heiligen Tempeltanzpantomimen verwendet werden.

So ist das Leben eines vollendeten Menschen ein helles Licht für die Menschen der Erde, die zu ihm als Vorbild aufsehen.

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I Ching | Hexagram 54

54. Gui Me
Das heiratende Mädchen

oben Dschen, das Erregende, der Donner
unten Dui, das Heitere, der See

Oben ist Dschen, der älteste Sohn, unten Dui, die jüngste Tochter. Der Mann geht voran, das Mädchen folgt ihm erfreut. Es wird der Eintritt des Mädchens in das Haus des Mannes geschildert.

Es gibt im ganzen vier Zeichen, die die Beziehungen zwischen Gatten schildern. Nr. 31, Hiën, allseitiger Einfluß, schildert die Anziehung, die ein junges Paar aufeinander ausübt. Nr. 32, Hong, die Dauer, schildert die dauernden Verhältnisse der Ehe. Nr. 53, Dsiën, Die Entwicklung, schildert die zögernden und zeremoniellen Vorgänge beim Abschluß einer korrekten Ehe. Gui Me, Die Heirat des Mädchens, endlich zeigt einen älteren Mann, dem ein junges Mädchen zur Ehe folgt.

Bemerkung: In China herrscht formell die Einehe. Jeder Mann hat nur eine offizielle Frau. Diese Verbindung, die weniger die beiden Beteiligten als die Familien angeht, wird unter strenger Beobachtung der Formen geschlossen.

Doch behält der Mann das Recht, auch den zarteren Neigungen persönlicher Art Gehör zu schenken. Ja es ist die schönste Pflicht einer guten Frau, ihm darin behilflich zu sein. Auf diese Weise wird das Verhältnis ein schönes und offenes.

Das Mädchen, das nach der Wahl des Mannes in die Familie eintritt, ordnet sich der Hausfrau bescheiden unter als jüngere Schwester. Selbstverständlich handelt es sich hier um sehr heikle und zarte Fragen, die viel Takt auf jeder Seite erfordern.

Doch wenn die Umstände günstig sind, findet sich hier die Lösung eines Problems, die der europäischen Kultur nicht gelungen ist.

Selbstverständlich entspricht die Weiblichkeit in China so wenig dem Ideal, wie die Ehen in Europa durchschnittlich im Einklang mit den europäischen Eheidealen sind.

DAS URTEIL

Das heiratende Mädchen.
Unternehmungen bringen Unheil.
Nichts, das fördernd wäre.

Ein Mädchen, das in die Familie aufgenommen ist, ohne Hauptfrau zu sein, muß sich besonders vorsichtig und zurückhaltend benehmen. Es darf sich nicht von sich aus aufmachen, um die Hausfrau zu verdrängen, denn das würde Unordnung bedeuten, und man käme dadurch in unhaltbare Verhältnisse.

Das bezieht sich auf alle freien Verhältnisse unter Menschen. Während die rechtlich geordneten Verhältnisse einen festen Zusammenhang von Pflichten und Rechten aufweisen, beruhen die Neigungsverhältnisse der Menschen in ihrer Dauer rein auf taktvoller Zurückhaltung.

Diese Neigung als Prinzip der Beziehungen ist von größter Bedeutung in allen Verhältnissen der Welt, denn aus der Vereinigung von Himmel und Erde kommt der Bestand der ganzen Natur, und ebenso ist unter den Menschen die freie Neigung als Prinzip der Vereinigung Anfang und Ende.

DAS BILD

Oberhalb des Sees ist der Donner:
das Bild des heiratenden Mädchens.
So erkennt der Edle durch die
Ewigkeit des Endes das Vergängliche.

Der Donner erregt das Wasser des Sees, das ihm in schimmernden Wellen folgt. Das ist das Bild des Mädchens, das dem Manne seiner Wahl folgt. Allein jede Verbindung von Menschen untereinander schließt die Gefahr in sich, daß sich Verirrungen einschleichen, die zu endlosen Mißverständnissen und Unzuträglichkeiten führen.

Darum gilt es, das Ende dauernd in Betracht zu ziehen. Wenn man sich treiben läßt, kommt man zusammen und geht wieder auseinander, wie es der Tag fügt.

Wenn man dagegen ein dauerhaftes Ende ins Auge faßt, so wird es einem gelingen, die Klippen zu umgehen, die näheren Beziehungen der Menschen untereinander entgegenstehen.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Das heiratende Mädchen als Nebenfrau.
Ein Lahmer, der auftreten kann.
Unternehmungen bringen Heil.

Die Fürsten des Altertums hatten eine feste Rangordnung unter den Palastdamen, die der Königin unterstellt waren wie die jüngeren Schwestern der ältesten. Sie waren auch vielfach aus der Familie der Königin, die sie selbst ihrem Gatten zuführte.

Der Sinn ist der, daß ein junges Mädchen, wenn sie im Einverständnis mit der Ehefrau in eine Familie eintritt, dieser nach außen hin nicht gleichsteht, sondern bescheiden zurücktreten wird.

Aber wenn sie es versteht, sich in den Zusammenhang einzufügen, so bekommt sie eine Stellung, die durchaus befriedigend ist, und sie wird sich geborgen fühlen in der Liebe des Gatten, dem sie Kinder bringt.

Dieselbe Bedeutung ergibt sich in den Beziehungen von Beamten. Ein Fürst hat vielleicht einen Mann, mit dem er persönlich befreundet ist und den er in sein Vertrauen zieht. Dieser Mann muß taktvollerweise nach außen hin zurücktreten hinter den offiziellen Staatsminister.

Aber obwohl er durch diese Stellung gehindert ist wie ein Lahmer, kann er doch etwas ausrichten durch die Güte seines Wesens.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Ein Einäugiger, der sehen kann.
Fördernd ist die Beharrlichkeit
eines einsamen Menschen.

Die Lage ist hier so, daß das Mädchen sich mit einem Manne verbunden hat, der sie enttäuscht. Mann und Frau sollen zusammenwirken wie die beiden Augen. Hier ist das Mädchen einsam zurückgeblieben.

Der Mann ihrer Wahl ist entweder untreu geworden oder gestorben. Aber sie verliert das innere Licht der Treue nicht. Ob auch das andere Auge erloschen ist, sie hält die Treue fest auch in der Einsamkeit.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Das heiratende Mädchen als Sklavin.
Sie heiratet als Nebenfrau.
Ein Mädchen, das sich in geringer Stellung
befindet und keinen Mann bekommt, kann als
Nebenfrau unter Umständen noch unterkommen.

Die Situation ist die, daß man allzusehr nach Freuden begehrt, die man auf normalem Weg nicht erlangen kann. So gibt man sich in eine Lage hinein, die mit der eigenen Würde sich nicht ganz verträgt.

Es wird weder ein Urteil noch eine Warnung beigefügt, sondern einfach die Situation als solche aufgedeckt, so daß sich jeder selbst die Lehre daraus ziehen kann.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Das heiratende Mädchen verzögert die Frist.
Eine späte Heirat kommt zu ihrer Zeit.

Das Mädchen ist sehr gut, will sich nicht wegwerfen und versäumt darüber die übliche Zeit der Ehe. Das schadet aber nichts. Sie wird für ihre Reinheit belohnt und findet schließlich, wenn auch spät, doch noch den für sie bestimmten Gatten.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Der Herrscher I verheiratet seine Tochter.
Da waren die gestickten Kleider der Fürstin nicht so
prächtig wie die Kleider der Dienerin.
Der Mond, der fast voll ist, bringt Heil.

Der Herrscher I ist Tang, der Vollender. Er hat ein Gesetz erlassen, daß die kaiserlichen Prinzessinnen in der Ehe ebenfalls ihren Männern untertan sein müssen (vgl. Nr. 11, Strich 5). Der Kaiser wartet nicht auf Werbung, sondern gibt seine Tochter nach freiem Ermessen in die Ehe. Darum ist die Initiative auf Seiten der Familie des Mädchens hier in der Ordnung.

Wir sehen hier ein Mädchen vornehmer Abkunft, die in bescheidene Verhältnisse heiratet und sich mit Anmut der neuen Lage anzupassen versteht.

Sie ist frei von aller Eitelkeit äußeren Schmuckes, vergißt ihren Rang in der Ehe und stellt sich unter ihren Gatten, wie der Mond, der noch nicht ganz voll ist, der Sonne nicht direkt gegenübertritt.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Die Frau hält den Korb,
aber es sind keine Früchte darin.
Der Mann sticht das Schaf,
aber es fließt kein Blut.
Nichts, das fördernd wäre.

Beim Opfer für die Ahnen mußte die Frau die Früchte in einem Korb darbringen, der Mann persönlich das Opfertier schlachten. Hier werden die Formen nur oberflächlich erfüllt.

Die Frau nimmt einen leeren Korb, der Mann sticht ein schon vorher geschlachtetes Schaf, nur eben um die Form zu wahren. Aber diese unfromme, frivole Gesinnung verheißt kein Glück für die Ehe.

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I Ching | Hexagram 5555. Fong
Die Fülle

oben Dschen, das Erregende, der Donner
unten Li, das Haftende, das Feuer

Dschen ist die Bewegung, Li die Flamme, deren Eigenschaft die Klarheit ist. Im Innern Klarheit, nach außen Bewegung, das gibt Größe und Fülle. Es ist eine Zeit hoher Kultur, die durch das Zeichen dargestellt wird.

Allerdings liegt in dem Umstand, daß es sich um ein Höchstes handelt, auch der Gedanke schon angedeutet, daß dieser außerordentliche Zustand der Fülle sich nicht dauernd wird halten lassen.

DAS URTEIL

Die Fülle hat Gelingen.
Der König erreicht sie.
Sei nicht traurig;
du mußt sein wie die Sonne am Mittag.

Eine Zeit höchster Größe und Fülle herbeizuführen, ist nicht jedem Sterblichen beschieden. Es muß ein geborener Herrscher über die Menschen sein, der so etwas vermag, weil sein Wille auf das Große gerichtet ist. Die Zeit einer solchen Fülle ist meist kurz.

Ein Weiser könnte daher angesichts des folgenden Niedergangs wohl traurig werden. Doch ziemt sich solche Trauer nicht für ihn. Nur ein Mann, der innerlich frei von Sorge und Kummer ist, kann eine Zeit der Fülle heraufführen. Er muß sein wie die Sonne am Mittag, die alles unter dem Himmel erleuchtet und erfreut.

DAS BILD

Donner und Blitz kommen beide:
das Bild der Fülle.
So entscheidet der Edle die Prozesse
und führt die Strafen aus.

Das Zeichen hat eine gewisse Beziehung zu dem Zeichen Das Durchbeißen, Nr. 21, wo ebenfalls Donner und Blitz beisammen sind, aber in umgekehrter Reihenfolge.

Während dort die Gesetze festgelegt werden, werden sie hier ausgeführt und angewandt. Innen die Klarheit ermöglicht eine genaue Prüfung des Sachverhalts, und außen die Erschütterung sorgt für strenge und präzise Durchführung der Strafen.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Wenn man seinem bestimmten Herrn begegnet,
so mag man zehn Tage beisammen sein,
und es ist kein Fehler.
Hingehen findet Anerkennung.

Um eine Zeit der Fülle herbeizuführen, bedarf es der Vereinigung von Klarheit und energischer Bewegung. Wo diese beiden Eigenschaften in zwei Menschen sich finden, da passen diese Menschen zueinander, und auch wenn sie zur Zeit der Fülle einen vollen Kreislauf beisammen sind, ist es nicht zu lang und kein Fehler. Darum mag man hingehen, um zu wirken; es wird Anerkennung finden.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Der Vorhang ist von solcher Fülle,
daß man am Mittag die Polsterne sieht.
Durch Hingehen erreicht man Mißtrauen und Haß.
Wenn man durch Wahrheit ihn erweckt, kommt Heil.

Oft kommt es vor, daß sich zwischen den Herrscher, der das Große will, und den Mann, der das Große ausführen könnte, Intrigen und Parteiränke eindrangen, die verfinsternd wirken wie eine Sonnenfinsternis.

Dann sieht man statt der Sonne die Nordsterne am Himmel. Der Herr wird in den Schatten gedrängt durch eine Partei, die die Herrschaft an sich gerissen hat.

Wollte man in solcher Zeit etwas Energisches unternehmen, so würde man nur auf Mißtrauen und Neid stoßen, die alle Bewegung unmöglich machen würden. Da gilt es dann, innerlich in der Macht der Wahrheit zu stehen, die schließlich so stark ist, daß sie im Unsichtbaren auf den Herrscher wirkt, so daß alles gut geht.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Das Gestrüpp ist von solcher Fülle,
daß man am Mittag die kleinen Sterne sieht.
Er bricht seinen rechten Arm. Kein Makel.

Hier wird als Bild die fortschreitende Bedeckung der Sonne geschildert. An diesem Punkt ist die Totalität erreicht, darum sieht man am Mittag selbst die kleinen Sterne.

Auf gesellschaftliche Verhältnisse übertragen, ist hier der Fürst so verfinstert, daß auch die unbedeutendsten Menschen sich hervordrängen können.

Da ist es für einen tüchtigen Mann, der die rechte Hand des Herrschers sein könnte, unmöglich, etwas zu unternehmen. Es ist, als wäre die Hand gebrochen. Aber es ist nicht seine Schuld, daß er auf diese Weise am Handeln verhindert ist.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Der Vorhang ist von solcher Fülle,
daß man am Mittag die Polsterne sieht.
Er begegnet seinem gleichen Herrn. Heil!

Hier ist die Finsternis schon im Abnehmen, darum findet sich das einander Entsprechende zusammen. Auch hier muß die Ergänzung gefunden werden: zur Handelsfreudigkeit die nötige Weisheit. Dann wird alles gut gehen.

Es ist hier die umgekehrte Ergänzung in Betracht gezogen wie beim ersten Strich. Dort sollte die Weisheit durch Energie ergänzt werden, hier die Energie durch Weisheit.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Es kommen Linien,
es naht Segen und Ruhm. Heil!

Der herrschende Mann ist bescheiden, so daß er für Rat der Tüchtigen zugänglich ist. So kommen Männer in seine Umgebung, die ihn die Richtlinien des Handelns nahebringen. Dadurch kommt Segen, Ruhm und Heil für ihn und alles Volk.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Sein Haus ist in Fülle.
Er verdeckt seine Sippe.
Er späht durch das Tor und merkt niemand mehr.
Drei Jahre lang sieht er nichts. Unheil!

Es ist hier ein Mann gezeichnet, der durch seinen Hochmut und Eigenwillen das Gegenteil erreicht von dem, was er erstrebt. Er sucht Fülle und Pracht für seine Wohnung. Er will unbedingt Herr sein in seinem Haus. Aber dadurch entfremdet er sich seine Familie, so daß er schließlich ganz vereinsamt dasteht.

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I Ching | Hexagram 56
56. Lü
Der Wanderer

oben Li, das Haftende, das Feuer
unten Gen, das Stillehalten, der Berg

Der Berg (Gen) steht still, oben das Feuer (Li) flammt auf und verweilt nicht. Darum bleiben sie nicht beisammen. Fremde, Trennung ist das Los des Wanderers.

DAS URTEIL

Der Wanderer. Durch Kleinheit Gelingen.
Dem Wanderer ist Beharrlichkeit von Heil.

Als Wanderer und Fremdling darf man nicht schroff sein und hoch hinaus wollen. Man hat keinen großen Bekanntenkreis, darum darf man sich nicht brüsten. Man muß vorsichtig und zurückhaltend sein, so schützt man sich vor Übel. Wenn man gegen die andern zuvorkommend ist, so erringt man Erfolge.

Der Wanderer hat keine feste Stätte, die Straße ist seine Heimat. Darum muß er dafür sorgen, daß er innerlich recht und fest ist, daß er nur an guten Orten verweilt und nur mit guten Menschen verkehrt. Dann hat er Heil und kann unangefochten seine Straße ziehen.

DAS BILD

Auf dem Berg ist Feuer:
das Bild des Wanderers.
So ist der Edle klar und vorsichtig
in der Anwendung von Strafen
und verschleppt keine Streitigkeiten.

Wenn das Gras auf dem Berge abbrennt, so gibt es einen hellen Schein. Aber das Feuer verweilt nicht, sondern wandert der neuen Nahrung nach. Es ist nur eine rasch vorübergehende Erscheinung. So soll es auch mit Strafen und Prozessen sein.

Sie müssen eine rasch vorübergehende Erscheinung sein und dürfen sich nicht verschleppen. Die Gefängnisse müssen etwas sein, das die Leute nur vorübergehend, wie Gäste, aufnimmt. Sie dürfen nicht zu Wohnräumen der Menschen werden.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Wenn der Wanderer sich mit kleinlichen Dingen
abgibt, so zieht er sich dadurch Unglück zu.

Ein Wanderer darf sich nicht entwürdigen und sich mit gemeinen Dingen am Weg abgeben. Gerade je niedriger und wehrloser seine Stellung nach außen hin ist, desto mehr muß er innerlich seine Würde wahren.

Denn wenn ein Fremder denkt, dadurch freundliche Aufnahme zu finden, daß er sich zu Scherzen und Lächerlichkeiten hergibt, so irrt er sich. Die Folgen sind nur Verachtung und beleidigende Behandlung.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Der Wanderer kommt zur Herberge.
Er hat seinen Besitz bei sich.
Er erlangt eines jungen Dieners Beharrlichkeit.

Der Wanderer, der hier gezeichnet wird, ist bescheiden und zurückhaltend. Innerlich verliert er sich nicht selbst, darum findet er einen Ruheort.

Nach außen hin verliert er nicht die Zuneigung der Menschen, darum fördern ihn alle, so daß er Besitz erwerben kann. Außerdem findet sich ein treuer und zuverlässiger Diener bei ihm ein, wie er für den Wanderer von unschätzbarem Wert ist.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Dem Wanderer verbrennt seine Herberge.
Er verliert die Beharrlichkeit
seines jungen Dieners.
Gefahr.

Ein gewalttätiger Fremder weiß sich nicht zu benehmen. Er mischt sich in Angelegenheiten und Streitigkeiten, die ihn nichts angehen. Dadurch verliert er seinen Ruheplatz.

Er behandelt seinen Diener fremd und hochfahrend. Dadurch verliert er dessen Treue. Wenn man als Fremder niemand mehr hat, auf den man sich verlassen kann, so ist das sehr gefährlich.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Der Wanderer ruht an einem Unterkunftsort.
Er erlangt seinen Besitz und eine Axt.
Mein Herz ist nicht froh.

Hier ist ein Wanderer gezeichnet, der sich äußerlich zu bescheiden versteht, obwohl er innerlich stark und vorwärtsdringend ist. Darum findet er wenigstens einen Unterkunftsort, an dem er weilen kann. Auch gelingt es ihm, Besitz zu erwerben.

Aber er ist mit seinem Besitz nicht in Sicherheit. Er muß stets auf der Hut sein, bereit, sich mit bewaffneter Hand zu verteidigen. Darum fühlt er sich nicht wohl. Es kommt ihm dauernd zum Bewußtsein, daß er ein Fremder ist in einem fremdem Land.
I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Er schießt einen Fasan, auf den ersten Pfeil fällt er.
Schließlich kommt dadurch Lob und Amt.

Die Staatsmänner auf Reisen pflegten sich bei den Fürsten durch das Geschenk eines Fasans einzuführen. Der Wanderer will hier in Fürstendienste treten. Er schießt zu diesem Zweck einen Fasan, den er beim ersten Schuß erlegt. So findet er Freunde, die ihn loben und empfehlen, und wird schließlich von dem Fürsten angenommen, der ihm ein Amt verleiht.

Oft kommen Verhältnisse vor, die einen veranlassen, in der Fremde seine Heimat zu suchen. Wenn man es versteht, die Lage zu treffen und sich in der rechten Weise einzuführen, so mag man einen Freundeskreis und Wirkungskreis auch in der Fremde finden.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Dem Vogel verbrennt sein Nest.
Der Wanderer lacht erst,
dann muß er klagen und weinen.
Er verliert die Kuh im Leichtsinn. Unheil!

Das Bild des Vogels, dem sein Nest verbrennt, zeigt den Verlust des Ruheorts. Wenn der Vogel beim Bau seines Nestes leichtsinnig und unvorsichtig war, so kann ihm dieses Unglück begegnen.

So auch dem Wanderer. Wenn er sich gehen läßt in Scherz und Lachen und nicht mehr daran denkt, daß er ein Wanderer ist, so wird er später zu weinen und zu klagen haben. Denn wenn man im Leichtsinn seine Kuh, das ist seine bescheidene Anpassungsfähigkeit, verliert, so ist das vom Übel.

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I Ching | Hexagram 5757. Sun
Das Sanfte, (das Eindringliche, der Wind)

oben Sun, das Sanfte, der Wind
unten Sun, das Sanfte, der Wind

Sun ist eines der acht Doppelzeichen. Es ist die älteste Tochter, hat als Bild den Wind oder das Holz, als Eigenschaft die Sanftheit, die jedoch eindringt wie der Wind oder das Holz mit seinen Wurzeln.

Das Dunkle, das an sich starr und unbeweglich ist, wird aufgelöst durch das eindringende lichte Prinzip, dem es sich unterordnet in Sanftheit. In der Natur ist es der Wind, der die angehäuften Wolken auseinandertreibt und heitre Himmelklarheit schafft.

Im Menschenleben ist es die durchdringende Klarheit des Urteils, die alle dunklen Hintergedanken zunichte macht. Im Leben der Gemeinschaft ist es der mächtige Einfluß einer bedeutenden Persönlichkeit, die alle lichtscheuen Machenschaften aufdeckt und auseinandertreibt.

DAS URTEIL

Das Sanfte. Durch Kleines Gelingen.
Fördernd ist es, zu haben, wohin man geht.
Fördernd ist es, den großen Mann zu sehen.

Eindringlichkeit erzeugt allmähliche und unscheinbare Wirkungen. Es soll nicht durch Vergewaltigung gewirkt werden, sondern durch ununterbrochene Beeinflussung. Diese Wirkungen sind weniger in die Augen fallend als die durch Überrumpelung gewonnenen, aber sie sind nachhaltiger und völliger.

Damit man auf diese Weise wirken kann, muß man ein klares Ziel haben; denn nur dadurch, daß die eindringliche Beeinflussung immer in derselben Richtung wirkt, wird etwas erreicht.

Das Kleine kann nur dann etwas erreichen, wenn es sich einem bedeutenden Manne unterordnet, der die Fähigkeit besitzt, Ordnung zu schaffen.

DAS BILD

Einander folgende Winde:
das Bild des sanft Eindringenden.
So verbreitet der Edle seine Gebote
und wirkt seine Geschäfte.

Das Eindringliche des Windes beruht auf seiner Unaufhörlichkeit. Dadurch wird er so machtvoll. Er nimmt die Zeit als Mittel zur Wirkung. So muß auch der Gedanke des Herrschers in die Volksseele eindringen. Auch dazu ist eine dauernde Einwirkung durch Aufklärung vonnöten.

Erst wenn das Gebot in die Volksseele übergegangen ist, ist ein darauf bezügliches Handeln möglich. Unvorbereitetes Handeln schreckt nur zurück und wirkt abstoßend.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Beim Vorgehen und Rückweichen
ist fördernd die Beharrlichkeit eines Kriegers.

Das sanfte Wesen geht oft bis zur Unentschlossenheit. Man fühlt nicht die Kraft, entschlossen fortzuschreiten. Tausend Bedenken erheben sich, aber man hat auch nicht Lust, sich zurückzuziehen, sondern treibt unentschlossen hin und her.

In solchem Fall ist eine militärische Entschlossenheit das richtige, daß man entschieden das tut, was die Ordnung erfordert. Entschlossene Disziplin ist weit besser als unentschlossene Zuchtlosigkeit.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Eindringen unter das Bett.
Man benützt Priester und Magier in großer Zahl.
Heil! Kein Makel.

Zuweilen hat man es mit verborgenen Feinden zu tun, ungreifbaren Einflüssen, die sich in die dunkelsten Winkel verkriechen und von dort aus die Leute suggestiv beeinflussen.

In solchen Fällen ist es nötig, diesen Dingen bis in die geheimsten Winkel nachzuspüren, um festzustellen, um was für Einflüsse es sich handelt – dies die Aufgabe der Priester – und sie zu beseitigen – dies die Aufgabe der Magier. Gerade das Anonyme solcher Umtriebe erfordert besonders unermüdliche Energie, die sich aber belohnt macht.

Denn wenn solche unkontrollierbaren Einflüsse erst ans Licht gebracht und gebrandmarkt sind, haben sie ihre Macht über die Menschen verloren.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Wiederholtes Eindringen. Beschämung.

Das eindringliche Nachdenken darf nicht zu weit getrieben werden, sonst hemmt es die Entschlußfähigkeit. Wenn eine Sache gründlich durchgedacht ist, dann gilt es, sich zu entscheiden und zu handeln.

Durch wiederholtes Durchdenken kommt man immer aufs neue in Bedenklichkeit und dadurch in Beschämung weil man sich zum Handeln als unfähig erweist.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Reue schwindet.
Auf der Jagd fangt man drei Arten von Wild.

Wenn man angeborene Bescheidenheit infolge der verantwortungsvollen Stelle, die man bekleidet, und der Erfahrungen, die man gesammelt hat, mit energischer Betätigung verbindet, so erreicht man sicher einen großen Erfolg.

Die drei Arten von Tieren dienten zu Opfern für die Götter, zur Bewirtung der Gäste und zum täglichen Gebrauch. Wenn man für alle drei Zwecke etwas erlegte, so war das Jagdergebnis besonders gut.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Beharrlichkeit bringt Heil. Reue schwindet.
Nichts, das nicht fördernd ist.
Kein Anfang, aber ein Ende.
Vor der Änderung drei Tage,
nach der Änderung drei Tage. Heil!

Während bei der Arbeit am Verdorbenen (Nr. 18) ein ganz neuer Ausgangspunkt geschaffen werden muß, handelt es sich hier nur um Reformen. Der Anfang war nicht gut, aber man ist an einen Zeitpunkt gekommen, da eine neue Richtung eingeschlagen werden kann.

Man muß ändern und bessern. Das muß man tun in Beständigkeit, d. h. in rechter und fester Gesinnung, dann wird es gelingen, und die Reue schwindet.

Nur ist es zu beachten, daß solche Verbesserungen sorgfältiger Überlegung bedürfen. Ehe man die Änderung bewerkstelligt, ist wiederholte Überlegung nötig, und nachdem die Änderung da ist, muß man auch noch eine Zeitlang sorgfältig untersuchen, wie die Besserungen sich in Wirklichkeit ausnehmen. Solche sorgfältige Arbeit ist von Heil begleitet.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Eindringen unter das Bett.
Er verliert seinen Besitz und seine Axt.
Beharrlichkeit bringt Unheil.

Die Erkenntnis ist eindringlich genug. Man dringt den schädlichen Einflüssen bis in die geheimsten Winkel nach. Aber man hat keine Kraft mehr, sie entscheidend zu bekämpfen. In diesem Fall ist jeder Versuch, in die persönlichen Gebiete der Finsternis einzudringen, nur vom Übel.

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I Ching | Hexagram 5858. Dui
Das Heitere, der See

oben Dui, das Heitere, der See
unten Dui, das Heitere, der See

Dui ist wie Sun eines der acht Doppelzeichen. Dui bedeutet die jüngste Tochter, hat als Bild den lächelnden See, als Eigenschaft die Freude. Die Freude beruht nicht, wie es wohl scheinen könnte, auf der Weichheit, die sich in der oberen Linie zeigt.

Die Eigenschaft des weichen bzw. dunklen Prinzips ist nicht Freude, sondern Schwermut. Vielmehr beruht die Freude darauf, daß innen zwei starke Striche sind, die sich äußern durch das Mittel der Weichheit.

Wahre Freude beruht also darauf, daß im Innern Festigkeit und Stärke vorhanden sind, die nach außen hin weich und milde auftreten.

DAS URTEIL

Das Heitere.
Gelingen.
Günstig ist Beharrlichkeit.

Die fröhliche Stimmung wirkt ansteckend, darum hat sie Erfolg. Aber die Freude bedarf als Grundlage der Beständigkeit, damit sie nicht zu unbeherrschter Lustigkeit ausartet. Wahrheit und Stärke müssen im Herzen wohnen, während die Milde nach außen im Verkehr zutage tritt.

Auf diese Weise nimmt man Gott und den Menschen gegenüber die rechte Stellung ein und erreicht etwas.

Durch bloßes Einschüchtern ohne Milde läßt sich unter Umständen für den Augenblick etwas erreichen, aber nicht für die Dauer. Wenn man dagegen durch Freundlichkeit die Herzen der Menschen gewinnt, so bewirkt man, daß sie alle Beschwerden gern auf sich nehmen, ja wenn es sein muß, selbst den Tod nicht scheuen. So groß ist die Macht der Freude über die Menschen.

DAS BILD

Aufeinander beruhende Seen:
das Bild des Heiteren.
So tut sich der Edle mit seinen Freunden
zusammen zur Besprechung und Einübung.

Ein See verdunstet nach oben und erschöpft sich dadurch allmählich. Wenn aber zwei Seen miteinander in Verbindung sind, so erschöpfen sie sich nicht so leicht, weil einer den andern bereichert. So ist es auch auf wissenschaftlichem Gebiet. Die Wissenschaft soll eine erfrischende und belebende Kraft sein.

Das kann sie nur werden im belebenden Verkehr mit gleichgesinnten Freunden, mit denen man sich bespricht und übt in der Anwendung der Lebenswahrheiten. So wird das Wissen vielseitig und bekommt eine heitere Leichtigkeit, während das Wissen der Autodidakten immer etwas Schweres und Einseitiges behält.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Zufriedene Heiterkeit. Heil!

Eine stille, wortlose, in sich gesammelte Freude, die nichts von außen begehrt und mit allem zufrieden ist, bleibt frei von allen egoistischen Zu- und Abneigungen. In dieser Freiheit liegt das Heil, denn sie birgt die ruhige Sicherheit des in sich gefestigten Herzens.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Wahrhaftige Heiterkeit.
Heil! Die Reue schwindet.

Oft befindet man sich in Beziehung zu minderwertigen Menschen aus deren Mitte andere Freuden winken, als sie dem höheren Menschen gemäß sind. Wollte man an solchen Freuden teilnehmen, so würde das sicher Reue nach sich ziehen; denn ein höherer Mensch ist mit niederen Freuden nicht wirklich zu befriedigen.

Wenn man infolge dieser Erkenntnis sich in seinem Willen nicht beirren läßt, so daß man nicht an dieser Art Gefallen findet, dann wagt einem selbst eine zweifelhafte Umgebung keine unedlen Freuden anzubieten, da sie einen ja doch nicht erfreuen würden. – Damit aber ist jeder Anlaß zum Bedauern beseitigt.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Kommende Heiterkeit. Unheil!

Die wahre Freude muß aus dem eigenen Innern quellen. Wenn man aber innerlich leer ist, so daß man sich an die Außenwelt verliert, so kommen die Freuden von außen herbei. Das ist es was manche Menschen als Zerstreuung begrüßen.

Menschen die aus innerer Haltlosigkeit das Bedürfnis nach Zerstreuung haben, werden stets Gelegenheit haben, sich zu zerstreuen. Sie ziehen die äußerlichen Freuden durch die Leere ihres Wesens an sich. Dadurch verlieren sie sich immer mehr, was natürlich vom Übel ist.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Überlegte Heiterkeit ist nicht beruhigt.
Nach Abtun der Fehler hat man Freude.

Oft befindet sich der Mensch mitten inne zwischen verschiedenen Arten der Freude. Solange man noch nicht entschieden ist, welche Art der Freude man wählen will, die höhere oder die niedere, solange befindet man sich innerlich in Unruhe.

Erst wenn man klar erkannt hat, daß die Leidenschaft Leiden bringt, vermag man sich so zu entscheiden, daß man das Niedere von sich abtut und die höheren Freuden erstrebt. Ist diese Entscheidung besiegelt, so hat man die wahre innere Heiterkeit und Ruhe gefunden, und der innere Widerstreit ist überwunden.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Wahrhaftigkeit gegen das Zersetzende ist gefährlich.

Auch dem besten Menschen nahen sich gefährliche Elemente. Wenn man sich mit diesen einläßt, so wirkt ihr zersetzender Einfluß ganz langsam, aber sicher und zieht seine Gefahren unvermeidlich hintennach.

Wer aber die Lage erkennt und die Gefahr zu durchschauen versteht, der weiß sich zu hüten und bleibt frei von Schaden.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Verführende Heiterkeit.

Wenn man innerlich eitel ist, so lockt man die Freuden der Zerstreuung an und hat unter ihnen zu leiden (vgl. Sechs auf drittem Platz). Wenn man innerlich nicht gefestigt ist, so wirken die Freuden der Außenwelt, denen man sich nicht entzieht, so stark auf einen ein, daß man mitgerissen wird.

Hier ist von Gefahr, von Heil oder Unheil nicht mehr die Rede. Man hat die Steuerung des Lebens aus der Hand gegeben, und es hängt vom Zufall und äußeren Einflüssen ab, was aus einem wird.

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I Ching | Hexagram 5959. Huan
Die Auflösung

oben Sun, das Sanfte, der Wind
unten Kan, das Abgründige, das Wasser

Der Wind, der oben über das Wasser fährt, zerstreut es und löst es auf in Schaum und Dunst. Darin liegt auch der Gedanke, daß die Lebensenergie, wenn sie sich im Menschen staut (was durch die Eigenschaft des unteren Zeichens als Gefahr angedeutet ist) durch die Sanftheit wieder zerstreut und aufgelöst wird.

DAS URTEIL

Die Auflösung. Gelingen.
Der König naht seinem Tempel.
Fördernd ist es,
das große Wasser zu durchqueren.
Fördernd ist Beharrlichkeit.

Das Zeichen hat in seinem Text Ähnlichkeit mit dem Zeichen Tsui, Die Sammlung (Nr. 45). Dort handelt es sich um Sammlung des Getrennten, wie das Wasser sich in Seen auf der Erde sammelt.

Hier handelt es sich um Zerstreuung und Auflösung des trennenden Egoismus. Das Zeichen die Auflösung zeigt sozusagen den Weg, der zur Sammlung führt. Daher erklärt sich die Ähnlichkeit des Textes.

Zur Überwindung des trennenden Egoismus der Menschen bedarf es der religiösen Kräfte.

Die gemeinsame Feier der großen Opferfeste und Gottesdienste, die zugleich den Zusammenhang und die soziale Gliederung von Familie und Staat zum Ausdruck brachten, war das Mittel, das die großen Herrscher anwandten, um die Herzen in gemeinsamer Wallung des Gefühls durch heilige Musik und Pracht der Zeremonien zum Bewußtsein des gemeinsamen Ursprungs aller Wesen zu bringen, wodurch die Trennung überwunden, die Erstarrung aufgelöst wurde.

Ein weiteres Mittel ist das Zusammenwirken an gemeinsamen großen Unternehmungen, die dem Willen ein großes Ziel vorhalten und in der Richtung auf dieses Ziel alles Trennende auflösen, wie in einem Schiff, das einen großen Strom durchquert, alle Insassen sich in der gemeinsamen Arbeit einigen müssen.

Zu solcher Auflösung der Härte des Egoismus ist aber nur jemand fähig, der selbst von allen egoistischen Nebengedanken frei in Gerechtigkeit und Beständigkeit verharrt.

DAS BILD

Der Wind fährt über das Wasser:
das Bild der Auflösung.
So opferten die alten Könige
dem Herrn und bauten Tempel.

Das Wasser beginnt im Herbst und Winter zu erstarren und zu Eis zu gefrieren. Wenn die milden Lüfte des Frühlings kommen, löst sich die Erstartung, und das in Eisschollen Zerstreute vereinigt sich wieder.

So ist es auch mit dem Sinn des Volkes. Durch Härte und Selbstsucht erstarrt das Herz, und in dieser Erstartung trennt es sich von allem andern.

Egoismus und Habsucht isolieren die Menschen. Darum muß eine fromme Rührung das Menschenherz ergreifen. Es muß gelöst werden in heiligen Schauern der Ewigkeit, die es erschüttern durch die Ahnung des gemeinsamen Schöpfers aller Wesen und einigen durch die Macht der Gemeinschaftsgefühle bei der heiligen Feier der Anbetung des Göttlichen.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Er bringt Hilfe mit der Macht eines Pferdes.
Heil!

Hier handelt es sich darum, daß, noch ehe die Trennung vollzogen ist, die ersten Anfange dazu überwunden werden; daß die Wolken zerstreut werden, noch ehe Sturm und Regen eingetreten sind.

In solchen Zeiten, da geheime Abweichungen der Stimmungen auftreten und gegenseitige Mißverständnisse die Folge sind, muß man rasch und stark handeln, um diese Mißverständnisse und das gegenseitige Mißtrauen aufzulösen.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Bei der Auflösung läuft er seiner Stütze zu.
Die Reue schwindet.

Wenn man in sich selbst die Anfänge der Entfremdung von andern, des Menschenhasses und der Mißstimmung entdeckt, dann gilt es, diese Stockungen zu zerstreuen.

Man muß sich innerlich aufmachen, seiner Stütze zueilen. Eine solche Stütze des Menschen liegt nie im Haß, sondern immer in einer gemäßigten und gerechten, mit Wohlwollen gepaarten Beurteilung der Menschen.

Wenn man diesen freien Blick auf die Menschheit wieder gewinnt, unter Zerstreuung alles schwarzgalligen Unmuts, verschwindet aller Anlaß zur Reue.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Er löst sein Ich auf. Keine Reue.

Die Arbeit kann unter Umständen so schwer werden, daß man nicht mehr an sich selbst denken kann. Man muß die eigene Person vollkommen auf die Seite setzen, alles zerstreuen, was das Ich trennend um sich sammeln möchte.

Nur auf der Grundlage eines großen Verzichtes gewinnt man die Kraft zu großen Leistungen. Dadurch, daß man sein Ziel außer sich hat in einer großen Sache, kann man diesen Standpunkt gewinnen.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Er löst sich von seiner Schar. Erhabenes Heil!
Durch Auflösung folgt Anhäufung.
Das ist etwas, an das Gewöhnliche nicht denken.

Wenn man an einer Aufgabe arbeitet die ins große Ganze geht muß man alle Privatfreundschaften beiseite lassen. Nur wenn man über den Parteien steht, leistet man etwas Ausschlaggebendes.

Wer diesen Verzicht auf das Nahe wagt, wird die Fernen gewinnen. Aber man muß einen weiten Überblick über die Zusammenhänge des Lebens haben, wie ihn nur ungewöhnliche Menschen erlangen, um diesen Standpunkt verstehen zu können.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Auflösend wie Schweiß sind seine lauten Rufe.
Auflösung! Ein König weilt ohne Makel.

In Zeiten allgemeiner Auflösung und Trennung ist ein großer Gedanke der Organisationspunkt der Genesung. Wie eine Krankheit durch lösenden Schweiß ihre Krise Endet, so ist in Zeiten allgemeiner Stockung ein großer, suggestiver Gedanke eine wahre Erlösung.

Die Menschen haben etwas, um das sie sich sammeln können, einen herrschenden Mann, der die Mißverständnisse zerstreuen kann.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Er löst sein Blut auf.
Weggehen, sich fernhalten,
hinausgehen ist ohne Makel.

Das Auflösen des Blutes bedeutet auflösen, was Blut und Wunden bringen könnte, die Gefahr vermeiden.

Es ist hier aber nicht der Gedanke ausgesprochen, daß man nur für sich selbst Schwierigkeiten umgeht, sondern der, daß man die Seinen rettet, ihnen hilft wegzugehen, noch ehe die Gefahr da ist, sich fernzuhalten von einer schon vorhandenen Gefahr und den Ausweg zu finden aus einer Gefahr, die sie schon ergriffen hat. Auf diese Weise tut man das Rechte.

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I Ching | Hexagram 6060. Dsië
Die Beschränkung

oben Kan, das Abgründige, das Wasser
unten Dui, das Heitere, der See

Der See hat einen beschränkten Raum. Wenn mehr Wasser hineinkommt, so fließt er über. Darum muß man ihm Schranken setzen. Es sind im Bild die Wasser unten und die Wasser oben, zwischen denen die Feste des Himmels als Schranke ist.

Das chinesische Wort für Beschränkung bedeutet eigentlich die festen Glieder, durch die die Bambusstengel eingeteilt sind.

Im gewöhnlichen Leben ist damit gemeint die Sparsamkeit, die feste Schranken für ihre Ausgaben hat. Im moralischen Leben sind es die festen Schranken, die sich der Edle steckt für seine Handlungen, die Schranken der Treue und der Uneigennützigkeit.

DAS URTEIL

Beschränkung.
Gelingen.
Bittere Beschränkung
darf man nicht beharrlich üben.

Schranken sind bemühend. Aber sie richten etwas aus. Durch Sparsamkeit im gewöhnlichen Leben ist man gerüstet auf Zeiten der Not. Durch Zurückhalten erspart man sich Beschämung.

Aber ebenso sind Schranken in der Ordnung der Weltverhältnisse unentbehrlich. Die Natur hat feste Schranken für Sommer und Winter, Tag und Nacht, und durch diese Schranken erhält das Jahr seine Bedeutung.

So dient die Sparsamkeit dazu, daß durch feste Schranken in den Ausgaben die Güter erhalten bleiben und die Menschen nicht geschädigt werden.

Nur ist auch in der Beschränkung Maßhalten nötig. Wollte man seiner eigenen Natur allzu bittere Schranken auferlegen, so würde sie darunter leiden. Wollte man die Beschränkung der anderen zu weit treiben, so würden sie sich empören. Darum sind auch in der Beschränkung Schranken nötig.

DAS BILD

Oberhalb des Sees ist Wasser:
das Bild der Beschränkung.
So schafft der Edle Zahl und Maß und untersucht,
was Tugend und rechter Wandel ist.

Der See ist etwas Endliches; das Wasser ist unerschöpflich. Der See kann nur ein bestimmtes Maß des unendlichen Wassers fassen. Darin besteht seine Eigenart. Durch Sonderung und Aufrichtung von Schranken gewinnt auch im Leben das Individuum seine Bedeutung.

Hier handelt es sich nun darum diese Sonderungen, die sozusagen das Rückgrat der Moral sind, ganz klar festzusetzen. Unbeschränkte Möglichkeiten sind nichts, was für den Menschen geeignet ist.

Dadurch würde sein Leben nur zerfließen im Grenzenlosen. Um stark zu werden, bedarf es der freien Schrankensetzung der Pflicht. Nur indem der einzelne sich mit diesen Schranken umgibt und frei für sich das Gebot der Pflicht festsetzt, gewinnt er die Bedeutung als freier Gast.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Nicht zu Tür und Hof
hinausgehen ist kein Makel.

Oft möchte man etwas unternehmen, sieht sich aber unübersteigbaren Schranken gegenüber. Da gilt es, die Einsicht zu haben, wo man innehalten muß.

Wenn man das richtig versteht und nicht über die Schranken hinausgeht, die einem gesteckt sind, dann sammelt man eine Kraft, daß man imstande ist, energisch zu handeln, wenn die Zeit dazu gekommen ist. Verschwiegenheit ist bei Vorbereitung wichtiger Dinge von prinzipieller Wichtigkeit.

Kungtse sagt darüber:

Wo Unordnung entsteht, da sind die Worte die Stufe dazu. Wenn der Fürst nicht verschwiegen ist so verliert er den Diener. Wenn der Diener nicht verschwiegen ist, so verliert er das Leben. Wenn Sachen im Keime nicht verschwiegen behandelt werden, so schadet das der Vollendung. Darum ist der Edle sorgfältig im Verschweigen und geht nicht hinaus.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Nicht zu Tor und Hof hinausgehen bringt Unheil.

Wenn die Zeit des Handelns gekommen ist, gilt es rasches Zugreifen. Wie das Wasser anfangs in einem See sich sammelt, ohne hinauszufließen, sich aber sicher einen Weg öffnet, wenn der See voll ist, so ist es auch im Menschenleben. Es ist ganz gut, zu zögern, solange die Zeit noch nicht gekommen ist, aber nicht länger.

Wenn die Hindernisse beseitigt sind, so daß man handeln kann, ist das ängstliche Zögern ein Fehler, der sicher Unheil bringt, weil man die Gelegenheit versäumt hat.
I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Wer keine Beschränkung kennt,
wird zu klagen haben.
Kein Makel.

Wenn man nur auf Freuden und Genuß bedacht ist, verliert man leicht das Gefühl für die notwendigen Schranken. Aber wenn man sich der Verschwendung hingibt, wird man die Folgen unter Bedauern zu erfahren haben.

Man darf die Fehler nicht an andern suchen wollen. Nur wenn man seinen Fehler selbst einsieht, wird man durch solche unangenehmen Erlebnisse frei von Fehlern.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Zufriedene Beschränkung. Gelingen.

Jede Beschränkung hat ihren Wert. Aber wenn diese Beschränkung noch dauernde Anstrengung erfordert, dann ist sie mit zu viel Kraftaufwand verbunden.

Wo die Beschränkung aber etwas Natürliches ist, wie es z. B. in der Natur des Wassers liegt, nach unten zu fließen, da führt sie notwendig zu Erfolg, weil sie in diesem Fall eine Kraftersparnis bedeutet.

Die Energie, die sonst im vergeblichen Kampf mit dem Objekt sich erschöpft, kommt restlos der Sache zugute, und der Erfolg kann nicht ausbleiben.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Süße Beschränkung bringt Heil.
Hingehen bringt Achtung.

Die Beschränkung muß in der richtigen Weise durchgeführt werden, um zu wirken. Wenn man nur andern Schranken auferlegen und sich selbst ihnen entziehen will, werden diese Schranken immer bitter empfunden und erzeugen Widerstreben.

Wenn dagegen jemand, der in leitender Stellung ist, selbst mit der Beschränkung beginnt, wenig Leistungen von seinen Leuten verlangt und mit bescheidenen Mitteln etwas zustande bringt, so kommt dadurch Heil. Wo ein solches Vorbild wirkt, da findet es Nachfolge, so daß geraten muß, was man unternimmt.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Bittere Beschränkung:
Beharrlichkeit bringt Unheil.
Reue schwindet.

Wenn man zu streng ist in der Beschränkung, so halten es die Menschen nicht aus. Je konsequenter man in solcher Strenge ist, desto mehr ist es vom Übel; denn ein Rückschlag läßt sich auf die Dauer nicht vermeiden. So rächt sich auch der gequälte Körper, wenn man mit zu strenger Askese vorgehen will.

Aber wenn diese rücksichtslose Strenge auch nicht etwas ist, das sich dauernd und regelmäßig anwenden ließe, so kann es doch Zeiten geben, da sie das einzige Mittel ist, sich vor Verschuldung und Reue zu wahren.

Es sind das die Situationen, da Rücksichtslosigkeit gegen die eigene Person das einzige Mittel ist, die Seele zu retten, die sonst in Halbheit und Versuchung unterginge.

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I Ching | Hexagram 6161. Dschung Fu
Innere Wahrheit

oben Sun, das Sanfte, der Wind
unten Dui, das Heitere, der See

Über dem See weht der Wind und bewegt die Oberfläche des Wassers. So zeigen sich sichtbare Wirkungen des Unsichtbaren. Das Zeichen besteht oben und unten aus festen Strichen, während es in der Mitte frei ist.

Das deutet auf die Freiheit des Herzens von Voreingenommenheiten, so daß es Fähig ist zur Aufnahme der Wahrheit. Die beiden Teilzeichen haben umgekehrt in der Mitte einen festen Strich. Das deutet auf die Kraft der inneren Wahrheit in ihren Wirkungen.

Die Eigenschaften der Teilzeichen sind: oben Sanftheit, Nachgiebigkeit gegen die Unteren, unten Fröhlichkeit im Gehorsam gegen die Oberen.

Solche Zustände schaffen die Grundlage eines gegenseitigen Vertrauens, das Erfolge ermöglicht. Das Zeichen Fu (Wahrheit) ist eigentlich das Bild eines Vogelfußes über einem Jungen.

Es enthält die Idee des Brütens. Das Ei ist hohl. Die Kraft des Lichten muß belebend von außen wirken. Aber es muß doch schon ein Keim des Lebens im Innern sein, damit das Leben geweckt werden kann. Es lassen sich weitgehende Spekulationen an diese Gedanken knüpfen.

DAS URTEIL

Innere Wahrheit.
Schweine und Fische. Heil!
Fördernd ist es, das große Wasser zu durchqueren.
Fördernd ist Beharrlichkeit.

Schweine und Fische sind die ungeistigsten und daher am schwersten zu beeinflussenden Tiere. Die Kraft der inneren Wahrheit muß einen hohen Grad erreicht haben, ehe sich ihr Einfluß auch auf solche Wesen erstreckt.

Wenn man solchen widerspenstigen, schwer zu beeinflussenden Menschen gegenübersteht, beruht das ganze Geheimnis des Erfolgs darauf, daß man den richtigen Weg findet, um Zugang zu ihnen zu finden. Man muß sich erst innerlich ganz frei machen von seinen Voreingenommenheiten.

Man muß sozusagen die Psyche des andern ganz unbefangen auf sich wirken lassen; dann kommt man ihm innerlich nah, versteht ihn und bekommt Macht über ihn, so daß die Kraft der eigenen Person durch die geöffnete Pforte Einfluß auf den andern gewinnt.

Wenn man so keine Hindernisse unüberwindlich findet, dann mag man auch die gefährlichsten Dinge unternehmen – wie das Durchqueren des großen Wassers – und es wird gelingen.

Nur ist es wichtig, daß man versteht, worauf die Kraft innerer Wahrheit beruht. Sie ist nicht identisch mit einfacher Intimität oder geheimem Zusammenhalten. Solch intimes Zusammenhalten kann auch unter Räubern stattfinden. Auch in diesem Fall bedeutet es freilich eine Kraft. Aber sie gereicht nicht zum Heil, weil sie nicht unüberwindlich ist.

Alles Zusammengehen auf Grund von Interessengemeinschaft geht nur bis an einen gewissen Punkt. Wo die Interessengemeinschaft aufhört, hört auch das Zusammenhalten auf, und intimste Freundschaft schlägt oft in Haß um. Nur wo die Grundlage das Rechte, die Beständigkeit ist, bleibt die Verbindung so fest, daß sie alles überwindet.

DAS BILD

Über dem See ist der Wind:
das Bild der inneren Wahrheit.
So bespricht der Edle die Strafsachen,
um Hinrichtungen aufzuhalten.

Der Wind bewegt das Wasser, weil er in seine Zwischenräume einzudringen vermag. So sucht der Edle, wo er Fehler der Menschen abzuurteilen hat, in ihr Inneres verständnisvoll einzudringen und dadurch eine liebevolle Beurteilung der Umstände zu gewinnen. Die ganze antike Rechtsprechung der Chinesen war von diesem Grundsatz geleitet.

Höchstes Verständnis, das zu verzeihen versteht, galt als höchste Gerechtigkeit.

Eine solche Rechtsprechung war nicht erfolglos; denn der moralische Eindruck sollte so stark sein, daß ein Mißbrauch solcher Milde nicht zu befürchten war. Denn sie entsprang nicht der Schwäche, sondern überlegener Klarheit.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Bereit sein bringt Heil.
Sind Hintergedanken da,
so ist das beunruhigend.

Die Hauptsache für die Kraft innerer Wahrheit ist, daß man in sich gefestigt und bereit ist. Aus dieser inneren Haltung entspringt das richtige Verhalten zur Außenwelt.

Wenn man dagegen geheime Beziehungen besonderer Art pflegen wollte, so würde einen das um die innere Selbständigkeit bringen, und je mehr man sich gesichert fühlte in dem Bewußtsein, in andern seinen Rückhalt zu finden, desto mehr käme man in Unruhe und Sorgen, ob nun auch diese geheimen Verbindungen wirklich haltbar sind. Dadurch verliert man den inneren Frieden und die Kraft innerer Wahrheit.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Ein rufender Kranich im Schatten.
Sein Junges antwortet ihm.
Ich habe einen guten Becher.
Ich will ihn mit dir teilen.

Hier ist von unwillkürlichem Einfluß des inneren Wesens auf gleichgestimmte Menschen die Rede. Der Kranich braucht sich nicht auf hohem Hügel zu zeigen.

Wenn er auch ganz im Verborgenen seinen Ruf ertönen läßt, sein Junges hört seine Stimme und kennt sie und gibt ihm Antwort. Wo eine fröhliche Stimmung ist, da findet sich auch ein Genosse ein, der einen Becher Wein mit einem teilt.

So zeigt sich das Echo, das durch Sympathie im Menschen erweckt wird. Wo eine Stimmung sich wahr und rein ausspricht wo eine Tat der klare Ausdruck der Gesinnung ist, da wirken sie geheimnisvoll in die Ferne, zunächst auf solche, die innerlich aufnahmebereit sind.

Aber diese Kreise erweitern sich. Die Wurzel aller Wirkung liegt im eignen Innern. Wenn das sich ganz wahr und stark in Wort und Tat äußert, dann ist die Wirkung groß.

Die Wirkung ist nur das Spiegelbild dessen, was aus der eigenen Brust hervorgeht. Jede Absicht auf Wirkung würde diese Wirkung nur zerstören.

Kungtse sagt darüber:

der Edle weilt in seinem Zimmer. Äußert er seine Worte gut, so findet er Zustimmung aus einer Entfernung von über tausend Meilen. Wieviel mehr aus der Nähe. Weilt der Edle in seinem Zimmer und äußert seine Worte nicht gut, so findet er Widerspruch aus einer Entfernung von über tausend Meilen.

Wieviel mehr noch aus der Nähe! Die Worte gehen von der eigenen Person aus und wirken auf die Menschen. Die Werke entstehen in der Nähe und werden sichtbar in der Ferne. Worte und Werke sind des Edlen Türangel und Armbrustfeder.

Indem sich diese Angel und Feder bewegen, bringen sie Ehre oder Schande. Durch Worte und Werke bewegt der Edle Himmel und Erde. Muß man da nicht vorsichtig sein?

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf drittem Platz bedeutet:
Er findet einen Genossen,
bald trommelt er, bald hört er auf.
Bald schluchzt er, bald singt er.

Hier ist die Kraftquelle nicht im eigenen Ich, sondern in der Beziehung zu andern Menschen. Wenn man auch noch so nahe mit ihnen steht, wenn unser Schwerpunkt auf ihnen beruht, so läßt sich nicht vermeiden, daß man umhergeworfen wird zwischen Freude und Leid.

Himmelhoch jauchzend, zu Tode betrübt, das ist das Schicksal derer, die abhängen von der inneren Übereinstimmung mit andern Menschen, die sie lieben. Hier wird nur das Gesetz ausgesprochen, daß dem so ist.

Ob dieser Zustand als lästig oder als höchstes Glück der Liebe empfunden wird, bleibt der subjektiven Beurteilung des Betroffenen überlassen.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Der Mond, der beinahe voll ist.
Das Gespannpferd geht verloren.
Kein Makel.

Um die Kraft der inneren Wahrheit zu steigern, muß man sich dem Höheren zuwenden, von dem man Erleuchtung empfangen kann wie der Mond von der Sonne. Dabei ist aber eine gewisse Demut nötig, wie der Mond sie hat, der nicht ganz voll ist. Tritt der Mond als Vollmond der Sonne direkt gegenüber, so beginnt er auch sofort wieder abzunehmen.

Wie man der Quelle der Erleuchtung gegenüber demütig und ehrfurchtsvoll sein muß, so muß man andererseits auf menschliche Parteiungen verzichten. Nur wenn man seinen Weg geht wie ein Pferd, das geradeaus läuft, ohne nach seinem Mitpferd zu schielen, behält man die innere Freiheit, die vorwärts bringt.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Er besitzt Wahrheit, die verkettet.
Kein Makel.

Hier ist der Herr gezeichnet, der durch die Kraft seines Wesens alles zusammenhält. Nur wenn seine Charakterstärke so umfassend ist, daß er alle beeinflussen kann, die zu seiner Herrschaft gehören, ist er so, wie er sein muß.

Die Suggestivkraft muß vom Herrscher ausgehen. Sie wird alle die Seinigen fest zusammenknüpfen und einigen. Ohne diese Zentralkraft ist alle äußere Einigung nur Lüge, die im entscheidenden Augenblick zerbricht.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Oben eine Neun bedeutet:
Hahnenruf, der zum Himmel dringt.
Beharrlichkeit bringt Unheil.

Der Hahn ist zuverlässig. Er ruft, wenn es Morgen wird. Er kann aber nicht selbst zum Himmel fliegen. Er kräht nur. So soll durch bloße Worte Glaube erweckt werden. Das gelingt wohl gelegentlich. Aber wenn man es dauernd betreibt, so ist das vom Übel.

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I Ching | Hexagram 6262. Siau Go
Des Kleinen Übergewicht

oben Dschen, das Erregende, der Donner
unten Gen, das Stillehalten, der Berg

Während bei dem Zeichen Des Großen Übergewicht (Nr. 28) die starken Striche im Übergewicht sind, und zwar innen, eingeschlossen zwischen die beiden Striche zu Anfang und zu Ende, sind hier die schwachen Striche im Übergewicht, ebenfalls außen, während die starken innen sind.

Darauf beruht eben der Ausnahmezustand. Sind die starken Striche außen, so haben wir die Zeichen I, Ernährung, und Dschung Fu, Innere Wahrheit, die beide nicht Ausnahmezustände bezeichnen.

Wenn die Starken innen im Übergewicht sind, so müssen sie sich durchsetzen. Das schafft Kampf und Ausnahmezustände im Großen. Hier dagegen muß notgedrungen das Schwache die Vertretung nach außen übernehmen.

Wenn man an einem entscheidenden Platz steht, dem man seinem Wesen nach eigentlich nicht gewachsen ist, so ist außerordentliche Vorsicht nötig.

DAS URTEIL

Des Kleinen Übergewicht. Gelingen.
Fördernd ist Beharrlichkeit.
Man mag kleine Dinge tun,
man soll nicht große Dinge tun.
Der fliegende Vogel bringt die Botschaft:
Es ist nicht gut, nach oben zu streben,
es ist gut, unten zu bleiben. Großes Heil!

Außerordentliche Bescheidenheit und Gewissenhaftigkeit wird sicher von Erfolg belohnt werden, nur ist es wichtig, daß sie nicht leere Formel und kriechendes Wesen werden, sondern mit der rechten Würde im persönlichen Auftreten verbunden bleiben, so daß man sich nicht wegwirft.

Man muß verstehen, was die Forderungen der Zeit sind, um die rechte Ergänzung für die Mängel und Schäden der Zeit zu finden. Immerhin darf man sich nicht auf große Erfolge gefaßt machen, da dazu die nötige Stärke fehlt.

Darum ist die Botschaft so wichtig, nicht nach hohen Dingen zu streben, sondern sich zu den niedrigen zu halten.

Daß diese Botschaft durch einen Vogel gebracht wird, ergibt sich aus der Gestalt des Zeichens. Die vier starken, schweren Striche im Innern, die nur von zwei schwachen Strichen außen gestützt werden bei Da Go, Nr. 28, geben das Bild des lastenden Firstbalkens.

Hier sind die tragenden leichten Striche außen und in der Überzahl; das gibt das Bild des schwebenden Vogels. Aber der Vogel soll sich nicht überheben und in die Sonne fliegen wollen, sondern sich herablassen auf die Erde, wo sein Nest ist. Damit gibt er die Botschaft, die das Zeichen verkündet.

DAS BILD

Auf dem Berg ist der Donner:
das Bild von des Kleinen Übergewicht.
So legt der Edle im Wandel
das Übergewicht auf die Ehrerbietung,
bei Trauerfällen legt er
das Übergewicht auf die Trauer,
bei seinen Ausgaben legt er
das Übergewicht auf die Sparsamkeit.

Der Donner auf dem Berge ist anders als der in der Ebene. In den Bergen ist der Donner viel näher, während er außerhalb der Gebirge weniger hörbar ist als der Donner eines gewöhnlichen Gewitters.

So entnimmt der Edle diesem Bild die Aufforderung, in allen Dingen die Pflicht näher und unmittelbarer ins Auge zu fassen als die Menschen des Alltags, obwohl infolge davon sein Betragen von außen her gesehen kleinlich erscheinen könnte.

Er nimmt es besonders genau mit seinen Handlungen. Bei Trauerfällen steht ihm die innere Ergriffenheit weit näher als äußerer Formelkram, und so ist er bei Aufwendungen für seine eigene Person außerordentlich einfach und anspruchslos.

Dieses alles bewirkt, daß er den Menschen der Masse gegenüber eine Ausnahmeerscheinung ist. Aber das Wesen dieser Ausnahme liegt darin, daß sie nach außen hin auf der Seite des Geringen sich beendet.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Der Vogel kommt durch Fliegen ins Unheil.

Der Vogel soll zunächst im Nest bleiben, bis er flügge ist. Will er vorher fliegen, so zieht er sich Unheil zu. Außerordentliche Maßnahmen dürfen erst getroffen werden, wenn es nicht mehr anders geht. Zunächst muß man sich so lange als möglich ins Herkömmliche fügen, sonst verbraucht man sich und seine Kraft und erreicht doch nichts.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Sie geht an ihrem Ahnherrn
vorbei und trifft die Ahnfrau.
Er erreicht nicht seinen Fürsten
und trifft den Beamten.
Kein Makel.

Zwei Ausnahmefälle sind hier genannt: Im Ahnentempel, wo Generationenwechsel stattfindet, steht der Enkel auf derselben Seite wie der Großvater; darum hat er zu ihm die nächsten Beziehungen.

Hier ist die Frau des Enkels gezeichnet, die beim Opfer am Ahnherrn vorübergeht und sich der Ahnfrau zuwendet. Dieses außerordentliche Verhalten ist aber ein Ausdruck ihrer Bescheidenheit. Sie wagt es eher, vor die Ahnfrau zu treten, der sie sich durch ihr Geschlecht verwandt fühlt, darum ist dieses Abweichen von der Regel kein Fehler.

Ein anderes Bild ist das des Beamten, der zunächst ordnungsgemäß bei seinem Fürsten Audienz sucht. Wenn er ihn aber nicht trifft, sucht er nichts mit Gewalt zu erzwingen, sondern findet sich in gewissenhafter Pflichterfüllung zurecht, indem er sich einreibt in die Zahl der Beamten.

Auch diese außerordentliche Zurückhaltung ist in Ausnahmezeiten kein Fehler. (Als Regel gilt, daß jeder Beamte zunächst eine Audienz bei seinem Fürsten hat, durch den er angestellt wird. Hier geht die Anstellung von dem Minister aus.)

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Wenn man sich nicht außerordentlich vorsieht,
so kommt etwa einer von hinten und schlägt einen.
Unheil!

Zuzeiten ist außerordentliche Vorsicht unbedingt nötig. Aber gerade in solchen Lebenslagen gibt es gerade und starke Persönlichkeiten, die im Bewußtsein ihres guten Rechts es verschmähen, sich vorzusehen, weil sie das für kleinlich halten.

Vielmehr gehen sie stolz und unbekümmert ihre Straße. Aber dieses Selbstvertrauen täuscht sie. Es gibt Gefahren, die aus dem Hinterhalt sich nahen und denen sie nicht gewachsen sind.

Immerhin handelt es sich um eine Gefahr, der man nicht unbedingt ausgesetzt ist, sondern die sich vermeiden läßt, wenn man die Zeitlage versteht, die eine Hinwendung auf das Kleine, Unbedeutende in außerordentlicher Weise verlangt.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf viertem Platz bedeutet:
Kein Makel. Ohne vorbeizugehen, trifft er ihn.
Hingehen bringt Gefahr. Man muß sich hüten.
Handle nicht. Sei dauernd beharrlich.

Die Härte des Charakters ist durch die Weichheit der Stellung gemildert, so daß man keinen Fehler macht. Man befindet sich in einer Lage, da man sich aufs äußerste zurückhalten muß.

Man darf von sich aus nichts unternehmen, um das Gewünschte zu treffen. Und wenn man hingehen wollte, um gewaltsam sein Ziel zu erreichen, so käme man in Gefahr. Darum muß man sich hüten und nicht handeln, sondern dauernd die innere Beharrlichkeit wahren.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf fünftem Platz bedeutet:
Dichte Wolken,
kein Regen von unserm westlichen Gebiet.
Der Fürst schießt und trifft jenen in der Höhle.

Da hier ein hoher Platz ist, ist aus dem Bild des fliegenden Vogels das der fliegenden Wolken geworden. Aber ob die Wolken auch noch so dicht sind, sie fliegen am Himmel dahin und spenden keinen Regen.

So kann in außerordentlichen Zeiten wohl ein geborener Herrscher da sein, der berufen wäre, die Welt in Ordnung zu bringen, aber er vermag nichts auszurichten und dem Volk seinen Segen nicht zuzuwenden, weil er allein steht und keinen Gehilfen hat.

In solchen Zeiten muß man nach Gehilfen suchen, mit denen zusammen man das Werk vollbringen kann. Aber diese Gehilfen muß man bescheiden in der Verborgenheit suchen, in die sie sich zurückgezogen haben. Nicht auf Berühmtheit und großen Namen kommt es an, sondern auf wirkliche Leistungen.

Durch solche Bescheidenheit findet man den rechten Mann und vermag das außerordentliche Werk trotz aller Schwierigkeit zu vollenden.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Ohne ihn zu treffen, geht er an ihm vorbei.
Der fliegende Vogel verläßt ihn. Unheil!
Das bedeutet Unglück und Schaden.

Wenn man über das Ziel hinausschießt, so kann man es nicht treffen. Wenn der Vogel nicht in sein Nest will, sondern immer höher hinaus, so fällt er schließlich dem Jäger ins Netz.

Wer in Zeiten des Außerordentlichen im Kleinen nicht haltzumachen weiß, sondern unruhig immer weiter will, der zieht sich Unheil durch Götter und Menschen zu, weil er sich von der Naturordnung entfernt.

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I Ching | Hexagram 6363. Gi Dsi
Nach der Vollendung

oben Kan, das Abgründige, das Wasser
unten Li, das Haftende, das Feuer

Das Zeichen ist die Ausgestaltung des Zeichens Tai, der Friede (Nr. 11). Der Übergang aus der Verwirrung zur Ordnung ist vollzogen, und nun ist auch im einzelnen alles auf seinem Platz. Die starken Linien sind auf den starken, die schwachen Linien sind auf den schwachen Plätzen.

Das ist ein sehr günstiger Aspekt. Allein er gibt doch zu denken. Gerade wenn das vollkommene Gleichgewicht erreicht ist, kann jede Bewegung dazu führen, daß aus dem Zustand der Ordnung wieder der Zerfall entsteht.

Dem einen starken Strich, der nach oben gegangen ist und so die Ordnung im einzelnen vollkommen gemacht hat, folgen die anderen ihrer Natur entsprechend nach, und so entsteht dann plötzlich wieder das Zeichen Pi, die Stockung (Nr. 12). So deutet das Zeichen auf die Verhältnisse eines Höhepunktes, die äußerste Vorsicht nötig machen.

DAS URTEIL

Gelingen im Kleinen.
Fördernd ist Beharrlichkeit.
Im Anfang Heil, am Ende Wirren.

Der Übergang von der alten in die neue Zeit ist schon vollzogen. Prinzipiell ist alles schon geregelt. Nur noch im einzelnen läßt sich Erfolg erzielen. Dabei kommt es jedoch darauf an, daß man stets die rechte Gesinnung wahrt.

Es geht alles seinen Gang wie von selbst. Das verführt zu leicht dazu, daß man in seiner Anspannung erlahmt und die Dinge laufen läßt, ohne sich im einzelnen darum zu kümmern.

Diese Gleichgültigkeit ist aber die Wurzel allen Übels. Aus ihr entspringen mit Notwendigkeit Verfallserscheinungen. Hier ist die Regel aufgestellt, wie es in der Geschichte zu gehen pflegt.

Aber diese Regel ist kein unausweichliches Gesetz. Wer sie versteht, der vermag durch unausgesetzte Beständigkeit und Vorsicht ihre Wirkungen zu vermeiden.

DAS BILD

Das Wasser ist oberhalb des Feuers:
das Bild des Zustands nach der Vollendung.
So bedenkt der Edle das Unglück
und rüstet sich im voraus dagegen.

Wenn das Wasser im Kessel über dem Feuer hängt, so stehen beide Elemente in Beziehung, und es wird dadurch Kraft erzeugt. (Vgl. die Entstehung des Dampfes.) Allein die dadurch entstehende Spannung gebietet Vorsicht.

Läuft das Wasser über, so wird das Feuer ausgelöscht, und seine Kraftwirkung geht verloren. Ist die Hitze zu groß, so verdampft das Wasser und geht in die Luft.

Die Elemente, die hier in Beziehung zueinander stehen und so Kraft wirken, sind an sich einander feindlich. Nur die äußerste Vorsicht kann Schaden verhüten.

So gibt es auch im Leben Verhältnisse, da alle Kräfte ausgeglichen sind und zusammenwirken und daher scheinbar alles in bester Ordnung ist. Der Weise allein erkennt in solchen Zeiten die Momente der Gefahr und weiß durch rechtzeitige Vorkehrungen sie zu bannen.

DIE LINIEN

I Ging, hexagram, line Yang, neun

Anfangs eine Neun bedeutet:
Er hemmt seine Räder.
Er kommt mit dem Schwanz ins Wasser.
Kein Makel.

In Zeiten nach einem großen Übergang ist alles auf Fortschritt und Entwicklung aus und drängt voran. Aber dieses Vorwärtsdrängen zu Beginn ist nicht gut und führt sicher zu Verlust und Sturz indem man über das Ziel hinausschießt.

Ein starker Charakter läßt sich daher durch den allgemeinen Schwindel nicht anstecken, sondern hemmt rechtzeitig seinen Lauf.

So wird er wohl nicht ganz unberührt bleiben von den unheilvollen Folgen des allgemeinen Drängens, aber es trifft ihn nur von hinten wie einen Fuchs, der das Wasser schon überschritten hat und nur noch mit dem Schwanz ins Wasser kommt, und kann ihm nicht wesentlich schaden, da sein Verhalten das Richtige getroffen hat.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf zweitem Platz bedeutet:
Die Frau verliert ihren Wagenvorhang.
Lauf ihm nicht nach.
Am siebenten Tag bekommst du ihn.

Wenn eine Frau im Wagen fuhr, hatte sie einen Vorhang, der sie den Blicken der Neugierigen verbarg. Kam dieser Vorhang abhanden, so wäre es gegen die gute Sitte gewesen, weiterzufahren.

Auf das öffentliche Leben übertragen bedeutet es, daß einem, wenn man etwas leisten will, von maßgebender Seite nicht das Vertrauen entgegengebracht wird, dessen man sozusagen zu seinem persönlichen Schutz bedarf.

Gerade in Zeiten nach der Vollendung kann man finden, daß die Herrschenden stolz und selbstbewußt werden und sich nicht mehr darum kümmern, unbekannten Talenten mit Aufmerksamkeit entgegenzukommen.

Hieraus entsteht nun in der Regel die Streberei. Wenn einem von oben her kein Vertrauen entgegengebracht wird, so sucht man Mittel und Wege, um es zu finden und sich ans Licht zu bringen.

Von einem solchen unwürdigen Verfahren wird jedoch abgeraten. Such nicht danach. Wirf dich nicht an die Außenwelt weg, sondern warte ruhig und bilde selbständig deinen persönlichen Wert aus.

Die Zeiten ändern sich. Sind die sechs Stufen des Zeichens vorüber, so kommt die neue Ära. Was einem gehört, kann man nicht auf die Dauer verlieren. Es kommt ganz von selbst zu einem. Man muß nur warten können.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf drittem Platz bedeutet:
Der hohe Ahn züchtigt das Teufelsland.
Nach drei Jahren überwindet er es.
Gemeine darf man nicht verwenden.

Der Hohe Ahne ist der dynastische Titel des Herrschers Wu Ding aus der Yin-Dynastie. Nachdem er mit starker Hand die Zustände im Reich geordnet hatte, führte er langwierige Kolonialkriege zur Unterwerfung der von Hunnen bewohnten nördlichen Grenzgebiete, aus denen dauernd Einfälle drohten.

Die Situation, die gezeichnet ist, ist die, daß nach Zeiten der Vollendung, wenn eine neue Macht aufgekommen und im Innern alles in Ordnung ist, mit einer gewissen Notwendigkeit die koloniale Expansion beginnt. Hierbei ist in der Regel mit langwierigen Kämpfen zu rechnen. Aber dabei ist eine richtige Kolonialpolitik besonders wichtig.

Man darf die sauer erworbenen Gebiete nicht als eine Versorgungsanstalt betrachten für Menschen die sich in der Heimat irgendwie unmöglich gemacht haben, aber für die Kolonien noch gerade gut genug sind.

Dadurch verdirbt man von vornherein jeden Erfolg. Das gilt im Großen wie im Kleinen; denn nicht nur aufsteigende Staaten treiben Kolonialpolitik. Jeder aufstrebenden Unternehmung liegen der Trieb nach Expansion und die damit verbundenen Gefahren nahe.

I Ching, hexagram, line Yin, six

Sechs auf viertem Platz bedeutet:
Die schönsten Kleider geben Lumpen.
Den ganzen Tag sei vorsichtig.

In Zeiten der Kulturblüte kommen immer zuweilen Erschütterungen vor, die einen inneren Schaden der Gesellschaft aufdecken und dann zunächst allgemeines Aufsehen erregen. Da jedoch die allgemeine Lage günstig ist, lassen sich solche Schäden unschwer flicken und vor der Öffentlichkeit verheimlichen.

Dann verschwindet wieder alles aus dem Gedächtnis, und es sieht so aus, als herrschte eitel Friede. Dem Denkenden jedoch sind solche Vorfälle ernste Winke, die er nicht vernachlässigt. Nur dadurch kann man die üblen Folgen abwenden.

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf fünftem Platz bedeutet:
Der Nachbar im Osten,
der einen Ochsen schlachtet,
bekommt nicht soviel wirkliches Glück
wie der Nachbar im Westen
mit seinem kleinen Opfer.

Auch die religiöse Haltung wird durch die seelische Stimmung in Zeiten nach der Vollendung beeinflußt. An Stelle der einfachen alten Formen tritt bei den Gottesdiensten immer reichere Ausgestaltung und immer größerer äußerer Prunk. Aber dieser Prachtentfaltung fehlt der innere Ernst.

Menschliche Willkür tritt an die Stelle des gewissenhaften Innehaltens des göttlichen Willens. Aber während der Mensch sieht, was vor Augen ist, sieht Gott das Herz an.

Darum ruht nicht soviel Segen auf dem mächtigen, aber kalten Gottesdienste, wie auf einem einfachen, frommen Opfer ruht.

I Ging, hexagram, Yin, sechs

Oben eine Sechs bedeutet:
Er kommt mit dem Haupt ins Wasser.
Gefahr.

Hier ist zum Schluß nochmals eine Warnung beigefügt. Nach dem Übergang über ein Wasser kann man nur dann mit dem Kopf ins Wasser kommen, wenn man sich leichtsinnig wieder dem Wasser zuwendet. Solange man vorwärts schreitet und nicht zurücksieht, entgeht man dieser Gefahr.

Allein es liegt etwas Verlockendes darin, stehenzubleiben und auf die überwundene Gefahr zurückzublicken. Solche eitle Selbstbespiegelung bringt aber kein Glück.

Man gerät dadurch in Gefahr, und wenn man sich nicht noch entschließt, unaufhaltsam fortzuschreiten, so fällt man dieser Gefahr zum Opfer.

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I Ching | Hexagram 64

64. We Dsi
Vor der Vollendung

oben Li, das Haftende, das Feuer
unten Kan, das Abgründige, das Wasser

Es ist in dem Zeichen die Zeit angedeutet, da der Übergang aus der Unordnung zur Ordnung noch nicht vollendet ist. Der Umschwung ist zwar schon vorbereitet, indem alle Striche des oberen Trigramms zu denen des unteren in Beziehung stehen.

Aber sie sind noch nicht auf ihrem Platz. Während das vorige Zeichen dem Herbst gleicht, der den Übergang vom Sommer zum Winter bildet, ist dieses Zeichen wie der Frühling, der aus der Stockungszeit des Winters in die fruchtbare Zeit des Sommers führt. Mit diesem hoffnungsvollen Ausblick schließt das Buch der Wandlungen ab.

Das Urteil

Vor der Vollendung. Gelingen.
Wenn aber der kleine Fuchs,
wenn er beinahe den Übergang vollendet hat,
mit dem Schwanz ins Wasser kommt,
dann ist nichts, das fördernd wäre.

Die Verhältnisse sind schwierig. Die Aufgabe ist groß und verantwortungsvoll. Es handelt sich um nichts Geringeres, als die Welt aus der Verwirrung in die Ordnung zurückzuführen. Dennoch ist es eine Aufgabe, die Erfolg verheißt, da ein Ziel vorhanden ist, das die auseinanderstrebenden Kräfte zu vereinigen vermag.

Nur muß man zunächst noch leise und behutsam vorgehen. Man muß vorgehen wie ein alter Fuchs, der übers Eis geht. In China ist die Vorsicht des Fuchses, wenn er über Eis geht, sprichwörtlich. Er horcht stets auf das Krachen und sucht sich sorgfältig und umsichtig die sichersten Stellen aus.

Ein junger Fuchs, der diese Vorsicht noch nicht kennt, geht kühnlich drauflos, und da kann es vorkommen, daß er hineinfällt, wenn er beinahe schon über das Wasser ist, und seinen Schwanz naß macht.

Dann war natürlich die ganze Mühe vergeblich. Dementsprechend ist in Zeiten vor der Vollendung Überlegung und Vorsicht die Grundbedingung des Erfolges.

Das Bild

Das Feuer ist oberhalb des Wassers:
das Bild des Zustands vor dem Übergang.
So ist der Edle vorsichtig in der Unterscheidung der
Dinge, damit jedes auf seinen Platz kommt.

Wenn das Feuer, das ohnehin nach oben dringt, oben und das Wasser, dessen Bewegung abwärts geht, unten ist, so gehen ihre Wirkungen auseinander und bleiben ohne Beziehung.

Will man eine Wirkung erreichen, so muß man erst erforschen, was die Natur der in Betracht kommenden Kräfte und welches der ihnen zukommende Platz ist.

Bringt man die Kräfte an der rechten Stelle zum Einsatz, so haben sie die gewünschte Wirkung, und die Vollendung wird erreicht. Um aber die äußeren Kräfte richtig handhaben zu können, ist es vor allem nötig, daß man selbst den richtigen Standpunkt einnimmt. Denn nur von da aus kann man richtig wirken.

Die Linien

Anfangs eine Sechs bedeutet:
Er kommt mit dem Schwanz ins Wasser.
Beschämend.

In Zeiten der Unordnung ist es verlockend, sich möglichst rasch vorzudrängen, um etwas Sichtbares zu leisten. Aber diese Begeisterung führt zu nichts als Mißerfolg und Beschämung, solange die Zeit noch nicht gekommen ist, etwas zu wirken.

In dieser Zeit ist es klug, wenn man sich durch Zurückhaltung den Schimpf des Mißlingens erspart. (Man beachte den Unterschied der Situation vom ersten Strich des vorigen Zeichens.)

I Ging, hexagram, Yang, neun

Neun auf zweitem Platz bedeutet:
Er hemmt seine Räder.
Beharrlichkeit bringt Heil.

Auch hier ist die Zeit zum Handeln noch nicht gekommen. Aber die Geduld, die vonnöten ist, darf nicht ein träges Warten sein, das in den Tag hineinlebt. Das würde dauernd zu keinem Erfolg führen. Sondern man muß in sich die Kraft ausbilden, die einen befähigt voranzukommen.

Man muß gleichsam einen Wagen haben, um den Übergang zu vollziehen. Aber man muß ihn noch hemmen. Geduld im höchsten Sinn ist gehemmte Kraft. Daher darf man nicht einschlafen und das Ziel aus dem Auge verlieren. Wenn man stark und beständig in seinem Entschluß bleibt, dann geht schließlich alles gut.

I Ging, hexagram, Yin, sechsSechs auf drittem Platz bedeutet:
Vor der Vollendung bringt Angriff Unheil.
Fördernd ist es, das große Wasser zu durchqueren.

Die Zeit des Übergangs ist da. Aber man hat nicht die Kraft, den Übergang zu vollenden. Wollte man versuchen, ihn zu erzwingen, so wäre das unheilvoll eben weil dann der Zusammenbruch unvermeidlich wäre. Was ist aber zu tun?

Man muß eine neue Lage schaffen, man muß die Kräfte tüchtiger Gehilfen heranziehen und mit ihnen gemeinsam den entscheidenden Schritt tun – das große Wasser durchqueren. Dann wird die Vollendung möglich werden.

I Ging, hexagram, Yang, neunNeun auf viertem Platz bedeutet:
Beharrlichkeit bringt Heil. Reue schwindet.
Erschütterung, um das Teufelsland zu züchtigen.
Drei Jahre lang gibt es Belohnung mit großen Reichen.

Nun ist die Zeit des Kampfes. Der Übergang muß vollzogen werden. Man muß sich in seinem Entschluß ganz stark machen das bringt Heil. Alle Bedenken, die einem in solch ernsten Kampfzeiten aufsteigen können, müssen schweigen.

Es gilt einen heißen Kampf, das Teufelsland, die Mächte des Zerfalls zu erschüttern und zu züchtigen. Aber der Kampf hat auch seinen Lohn. Jetzt ist die Zeit, Grundlagen der Macht und Herrschaft zu legen für die Zukunft.

I Ging, hexagram, Yin, sechsSechs auf fünftem Platz bedeutet:
Beharrlichkeit bringt Heil. Keine Reue.
Das Licht des Edlen ist wahrhaftig.
Heil!

Der Sieg ist errungen. Die Kraft der Beständigkeit ist nicht zuschanden geworden. Es ist alles gut gegangen. Alle Bedenken sind überwunden. Der Erfolg hat die Tat gerechtfertigt. Aufs neue strahlt das Licht einer edlen Persönlichkeit und setzt sich durch unter Menschen, die daran glauben und sich darum sammeln.

Die neue Zeit und mit ihr das Heil ist da. Und wie die Sonne nach dem Regen doppelt schön erstrahlt oder der Wald nach einem Brandt aus den verkohlten Trümmern mit vermehrter Frische grünt, so hebt sich die neue Zeit vom Elend der alten um So glänzender ab.

I Ging, hexagram, Yang, neunOben eine Neun bedeutet:
In wahrem Vertrauen trinkt man Wein.
Kein Makel.
Wenn man aber sein Haupt naß macht,
so verliert man das in Wahrheit.

Vor der Vollendung an der Grenze der neuen Zeit ist man im vollen gegenseitigen Vertrauen mit den Seinen zusammen und verbringt die Zeit des Wartens beim Wein. Da die neue Zeit schon unmittelbar vor der Tür steht, ist das kein Makel.

Nur muß man dabei auf das rechte Maß bedacht sein. Wenn man sich den Kopf im Übermut begießt, so verliert man die günstige Lage durch Unmäßigkeit.

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